Mülheim/Duisburg. Landgericht Duisburg ahndet einen Ausraster auf dem Mülheimer Auehof. 26-Jähriger ist vielfach vorbestraft. Wendlers Anwalt verteidigt ihn.
Erkennbar angespannt, mit weißem Hemdkragen über einem klassischen Pullover, sitzt Mario B. auf der Anklagebank im Duisburger Landgericht. Eine Berufungsverhandlung läuft: Der 26-Jährige wehrt sich gegen eine Entscheidung des Mülheimer Amtsgerichtes, das ihn für acht Monate ins Gefängnis schicken will - wegen Urkundenfälschung und eines Ausrasters auf dem Auehof, den der gelernte Pferdewirt von Mai 2021 bis Juli 2022 unter großen Turbulenzen führte.
Auch eine Mitarbeiterin der Bewährungshilfe Mülheim sitzt im Saal. B. ist aktuell Insasse der JVA Bielefeld-Senne, wo er eine sechsmonatige Haftstrafe verbüßt, im offenen Vollzug. Sein komplexes Vorstrafenregister vermag der Vorsitzende Richter Ulrich Metzler im späteren Verlauf der Verhandlung kaum zu überblicken. Erst am Vortag hatte das Amtsgericht Mülheim Mario B. erneut zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt: wegen Nötigung, Diebstahls in drei Fällen, Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Mehrere Bewährungsstrafen sind offen. Eine erneute Verurteilung durch das Landgericht wäre für den 26-Jährigen fatal. Am Ende kommt sie doch.
Großeinsätze, Beschlagnahmen und Diebesgut auf dem Mülheimer Auehof
Um den Auehof in Mülheim-Saarn hatte es in den vergangenen Jahren viel Wirbel gegeben, begleitet von fragwürdigen Vorkommnissen. Polizei, Veterinär- und Ordnungsamt sammelten sich mehrfach zu Großeinsätzen, Tiere in elendem Zustand wurden durch die Stadt beschlagnahmt, teilweise dann aber an Schlachthöfe verkauft. Zwei ehemalige Auehof-Pferde wurden vom Hof ihrer neuen Besitzerin gestohlen. Bei der bislang letzten großen Kontrollaktion, Ende Juli 2023, fand die Polizei sogar Diebesgut: einen als gestohlen gemeldeten Radlader.
Immer im Mittelpunkt des Geschehens: Mario B., ehemaliger Betreiber der Pferdepension. Gegen das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot, das die Stadt Mülheim im Juli 2022 gegen ihn verhängte, begründet mit vielfältigen Tierschutzverstößen, zog er bis vor das Oberverwaltungsgericht - wo er letztlich unterlag.
Vorwurf: Frau (54) absichtlich mit dem Auto angefahren
Vor dem Landgericht Duisburg ging es nun um zwei Vorfälle, am 6. Dezember 2021 und am 31. Mai 2022. Zum einen soll B. dem Mülheimer Ordnungsamt einen gefälschten Sachkundenachweis für drei große Carne-Corso-Hunde vorgelegt haben. Zum anderen wird ihm vorgeworfen, eine Frau (54), die einer befreundeten Einstallerin beim Abtransport zweier Pferde vom Auehof helfen wollte, in Wut absichtlich mit einem Auto angefahren und am Knie verletzt zu haben. Das Amtsgericht Mülheim verurteilte B. deswegen am 22. Februar 2023 zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt acht Monaten ohne Bewährung - wegen Urkundenfälschung, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht, wie schon in früheren Strafverfahren gegen ihn, wurde B. von Rechtsanwalt Dr. Matthias Rahmlow verteidigt. Der Duisburger Jurist trat in jüngster Zeit unter anderem als Anwalt des Schlagersängers Michael Wendler in Erscheinung. In einem langwierigen Kriegsverbrecherprozess gehörte er zu den Verteidigern des ehemaligen SS-Mannes Heinrich Boere. Auch einem früheren NPD-Ratsherrn aus Verden, der wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, stand Rahmlow vor einigen Jahren vor Gericht zur Seite.
Anwalt des ehemaligen Auehof-Betreibers fordert Freispruch
Vor der Strafkammer in Duisburg plädierte Rahmlow auf Freispruch für seinen Mandanten. Zum einen habe B., der keinen Führerschein besitzt, den Pkw nur innerhalb des Privatgrundstücks bewegt. Zum anderen habe er das Recht gehabt, die Abholung der Pferde auch mit Gewalt zu verhindern, da eine Mietzahlung noch ausstand. Dass die Frau verletzt wurde, sei darüber hinaus nicht belegt. Die Staatsanwaltschaft forderte dagegen ein Jahr und acht Monate Gefängnis für B., auch mit Blick auf dessen kriminelle Vorbelastung.
Das Gericht hatte vier beteiligte Frauen als Zeuginnen geladen und an der Verlässlichkeit ihrer Schilderungen letztlich keine Zweifel. Es sagten aus: eine ehemalige Einstallerin (56), die den Mietvertrag gekündigt hatte und an jenem Abend ihre beiden Pferde abholen wollte; zwei Freundinnen, Mutter (54) und Tochter (32), die ihr halfen und früher selber Pferde auf dem Auehof hatten; eine weitere Einstallerin (34), die zufällig hinzukam. Der Ehemann bzw. Vater der beiden Freundinnen hatte die Aktion ebenfalls unterstützt, indem er den Wagen mit Pferdeanhänger fuhr, er nahm an der Gerichtsverhandlung jedoch nur als Zuschauer teil.
Herausgabe von Pferdepässen verweigert
Unstrittig ist, dass B. am 31. Mai 2022 die Herausgabe der Equidenpässe verweigerte, ohne die Pferde nicht transportiert werden dürfen. Er wollte erst Geld haben. Die Einstallerin hatte mit zweimonatiger Frist die Boxen gekündigt, aus Sorge um die Gesundheit ihrer Tiere, jedoch noch nicht die letzte Miete für Juli 2022 überwiesen. Die Frauen riefen die Polizei. Streifenbeamte kamen, rieten zu einer zivilrechtlichen Klärung der Angelegenheit und rückten wieder ab.
Als die Pferde zum Anhänger geführt wurden, packte B. offenbar die Wut. Er setzte sich in das Auto seiner Schwester, das auf dem Hof parkte, gab Gas, fuhr gezielt auf die Frauen zu und traf die 54-Jährige mit dem linken Kotflügel am Knie. Ihre Tochter wurde vom Pkw auf die Laderampe geschoben. Die 54-Jährige, von Beruf Reitlehrerin, wirkte im Gerichtssaal psychisch angegriffen, nervös, bedrückt. Sie weinte im Zeugenstand, berichtete von einer PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) durch die Vorfälle auf dem Auehof, von Panikattacken, unter denen sie bis heute leide. Die Verletzungen ihres Knies, Schwellungen, Schürfwunden, Prellungen, wurden im Krankenhaus dokumentiert. Sie seien von Mario B. und dessen Bruder auch massiv beschimpft und bedroht worden.
Gefälschter Sachkundenachweis für drei Carne Corsos
Alle Zeuginnen gaben an, dass sich die Fahrzeuge in der öffentlichen Zufahrt zum Auehof befanden, außerhalb des umzäunten Geländes. Auch die Urkundenfälschung hielt das Gericht für erwiesen. B. hatte für seine drei Carne Corsos einen Sachkundenachweis vorgelegt, den angeblich ein inzwischen verstorbener Tierarzt ausgestellt habe. Auf dem Dokument fehlt jedoch der notwendige Praxisstempel. Und in der Tierarztpraxis, die inzwischen der Sohn übernommen hat, wusste man von diesem Sachkundenachweis nichts.
Das Landgericht verurteilte B. schließlich zu einem Jahr und drei Monaten Haft ohne Bewährung. Richter Ulrich Metzler nannte die Autoattacke eine „hektische, martialische Aktion“, eine „völlig überflüssige Gefährdung“. B. sei „im Furor losgerast“.
Ex-Betreiber des Mülheimer Auehofs: Vorstrafen ohne Ende
Beim Strafmaß spielte das lange, komplizierte Vorstrafenregister des 26-Jährigen eine entscheidende Rolle. Neun Einträge trug der Richter vor, beginnend im Jahr 2011 mit einem Jugendverfahren wegen Diebstahls. Immer wieder wurde B., der die Hauptschule nach der neunten Klasse verließ, auffällig wegen Fahrens ohne Führerschein, Urkundenfälschung, Diebstahls. Nötigung. Urteile liegen gegen ihn vor aus Mülheim, Oberhausen, Dortmund, Bottrop, Siegburg und anderen Städten. Er sei „mehrfacher Bewährungsversager“, so der Vorsitzende Richter: „Es gibt Probleme bei Ihnen ohne Ende!“ Der langjährig erfahrene Strafrichter redete dem jungen Mann, der „immer weiter in die Strafbarkeit“ rutsche, ins Gewissen.
Mario B. erklärte vor der Duisburger Strafkammer, früher sei bei ihm „viel schiefgelaufen“, doch die aktuelle Gefängnisstrafe - seine erste, die er absitzt - lehre ihn, dass man sich an Regeln halten müsse. Aktuell sei er in Wesel gemeldet, arbeite als Häftling auf einem Hof und habe mit seiner Lebensgefährtin ein Haus gekauft. Wo, wolle er nicht sagen, „weil ich von etlichen Leuten gestalkt werde“, so B.. Er hoffe, schnell die JVA verlassen und „ein normales Leben“ führen zu können, so der 26-Jährige. Seine Bewährungshelferin erklärte jedoch vor dem Landgericht, sie könne leider keine positive Prognose geben.
Gegen das Landgerichts-Urteil können B. und sein Anwalt Revision einlegen.
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