Mülheim. Bis zum 1. Oktober müssen alle Pferde vom Auehof verschwinden. Doch wohin? Besitzerinnen bekommen Angst – vor der „Härte“ der Stadt Mülheim.

Die Geschehnisse rund um den Auehof bewegen mittlerweile die ganze Stadt, und sie könnten sich zu einem Drama entwickeln: für die beschlagnahmten Tiere, sofern sie noch leben, und für die Pferde, die dort noch stehen. Ob das Durchgreifen der Stadt Mülheim in vollem Umfang gerechtfertigt und angemessen war, ist eine Frage, die sich viele stellen. Insbesondere auch Einstallerinnen, die ihre Tiere jetzt kurzfristig anderweitig unterbringen müssen.

Das Schreiben, das sie zuletzt vom Veterinäramt bekamen, ist ohne Wenn und Aber formuliert. Zum 1. Oktober müssen alle Pferde vom Auehof verschwinden. Auch die Vermietung von „Leerboxen“ ohne Service werde nicht länger zugelassen, steht darin. Gesteigertes Herzklopfen löst bei den Einstallern dieser Satz aus: „Sollten sich bei einer zeitnahen Kontrolle seitens des Veterinäramtes nach dem Fristablauf noch Pferde auf dem Gelände der Mintarder Straße 101 befinden, werden die gegen die Auehof GmbH angedrohten Zwangsmaßnahmen vollstreckt.“

Auehof läuft momentan weiter als „Pferde Oase Mülheim“

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Wie akut die Sorgen sind, zeigt sich bei einem Besuch auf dem Hof, dessen Betrieb mit der Begründung verschiedener Verstöße gegen das Tierschutzrecht gestoppt wurde. Nach dem Ausstieg des früheren Betreibers Mario Bäcker führen vorübergehend dessen Schwester und ihr Lebensgefährte Benjamin Bredt den Hof unter „Pferde Oase Mülheim“ weiter. Doch auch Bäcker, der auf dem Hof wohnt, arbeitet weiterhin mit.

Nach Auskunft von Bredt sind hier immer noch knapp 40 Pferde untergebracht, die rund 25 verschiedenen Personen gehören. Manche seien schon weggegangen, „aus Angst, dass ihre Pferde von der Stadt abtransportiert werden“. Andere sind noch da – aus Mangel an Alternativen. An diesem Nachmittag herrscht reger Betrieb. Etwa zehn Autos parken auf dem Gelände, Frauen führen Pferde am Halfter umher, eine gemischte Pferdegruppe tummelt sich auf einer großen Weide, andere rupfen auf einem Paddock Heu aus einem voluminösen Ballen. Darunter sind die beiden Pferde von Suse M. (* Name geändert), ein Rheinländer und eine Friesenstute. Beide Tiere litten an Asthma, sagt Suse M., „sie brauchen Luft und sollten nicht in einer Box auf Stroh und Staub stehen“.

Pferdebesitzerin schildert die Räumung des Hofes: „Hier war alles blau“

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Vor allem aus diesem Grund habe sie sich für den Auehof entschieden, wo die sogenannte Offenstallhaltung angeboten wird. Seit Anfang Juni stehen ihre Tiere hier, „ich bin glücklich, dass ich diesen Stall gefunden habe“. Als sie am 7. Juli zu ihren Pferden gehen wollte, habe sie die Räumung des Hofes als Augenzeugin miterlebt, berichtet Suse M.: das immense Aufgebot von Polizei und Ordnungskräften („Hier war alles blau.“), das erzwungene Verfrachten etlicher Tiere. Ihre größte Sorge ist nun, dass ihren Pferden Anfang Oktober das Gleiche passiert, dass sie unter Zwang beschlagnahmt und abtransportiert werden.

Pferde auf dem Mülheimer Auehof: Nach Auskunft der neuen Betreiber sind immer noch knapp 40 Tiere hier untergebracht. Der Hof stelle nur noch die Anlage und Heu zur Verfügung, biete den Einstallern keinerlei Serviceleistungen mehr.
Pferde auf dem Mülheimer Auehof: Nach Auskunft der neuen Betreiber sind immer noch knapp 40 Tiere hier untergebracht. Der Hof stelle nur noch die Anlage und Heu zur Verfügung, biete den Einstallern keinerlei Serviceleistungen mehr. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Dieselbe Angst treibt Anne G. um, die auf dem Hof zwei Pferde stehen hat, die kaum unterschiedlicher sein könnten: einen einjährigen, hellen Ponymix und einen imposanten, dunklen Shire-Horse-Hengst mit einem Stockmaß von 1,84 Metern. Allein wegen seiner Größe finde sich nur schwer ein geeigneter Platz für dieses Tier, erklärt Anne G. Auf ihrem früheren Hof, in Schermbeck, sei die Versorgung ihrer Pferde mit Heu unzureichend gewesen und die Distanz für sie aus Mülheim zu groß. Daher habe sie ihre Tiere am 1. August auf den Auehof gebracht, drei Wochen nach der Räumung und offensichtlich in Unkenntnis der schwierigen Situation.

Am 14. September erfahren, dass die Tiere in zwei Wochen raus müssen

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Unzureichende Information kreidet Anne G. der Stadt Mülheim an. Als sie mit ihren Pferden zur Mintarder Straße kam, sei nirgends ersichtlich gewesen, dass dem Hof die Betriebserlaubnis schon fehlte. Erst durch das Schreiben des Veterinäramtes, das vom 9. September datiert, ihr aber erst am 14. zugegangen sei, habe sie erstmals erfahren, dass die Tiere bis zum 1. Oktober raus müssen. „Es ist wirklich eine Katastrophe“, findet sie, vor allem mit Blick auf ihr Shire Horse, das 24 Stunden am Tag Heu brauche, um ausreichend ernährt zu sein. „Ich habe monatelang nach diesem Platz gesucht – wie soll ich meine Pferde jetzt in zwei Wochen unterkriegen?“

Nachdem sie erfahren hat, was mit den Tieren im ersten Schritt des amtlichen Durchgreifens geschehen ist, habe sie „Panik“. Einen erzwungenen Abtransport würden ihre Pferde, insbesondere der Große, schlimmstenfalls gar nicht überleben. Doch die Suche nach Alternativen werde auch durch den ruinierten Ruf des Auehofes erschwert. Von Freundinnen habe sie gehört, dass andere Höfe die Übernahme von Auehof-Pferden ablehnten, da diese angeblich alle mit Druse infiziert seien. Hofbetreiber Benjamin Bredt und die Einstallerinnen erklären demgegenüber, momentan seien alle Tiere hier gesund.

Dem früheren Auehof-Betreiber Mario Bäcker (re., mit seinem jüngeren Bruder Marcel) wurde der Hof wegen mutmaßlicher schwerer Verstöße gegen das Tierschutzrecht weggenommen. Er wohnt und arbeitet weiterhin hier.
Dem früheren Auehof-Betreiber Mario Bäcker (re., mit seinem jüngeren Bruder Marcel) wurde der Hof wegen mutmaßlicher schwerer Verstöße gegen das Tierschutzrecht weggenommen. Er wohnt und arbeitet weiterhin hier. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Nach der Räumung des Auehofes hatte die Stadt Mülheim eine „Eigenversorgung“ der Pferde durch die Einstaller „geduldet“, so Stadtsprecher Volker Wiebels. Die Betroffenen hätten entsprechend geänderte Verträge bekommen, sagt der aktuelle Hofbetreiber Benjamin Bredt, und Betroffene bestätigen dies. Die Stallgemeinschaft organisiert die Betreuung der Pferde jetzt eigenständig. „Wir stellen nur noch die Anlage zur Verfügung und das Heu. Wir machen die Weidenarbeit, haben mit den Pferden aber nichts mehr zu tun“, sagt Bredt.

Auch das muss bald enden, stellt das Veterinäramt gegenüber den Einstallerinnen im jüngsten Brief klar. Der „Pferde Oase GmbH“ sei die Weiterführung des Hofes nicht erlaubt, eine solche gewerbliche Nutzung (statt Landwirtschaft) sei aus bau- und naturschutzrechtlichen Gründen unzulässig. Nach Angaben der Stadt wurde den Einstallern bereits im Rahmen des Einsatzes am 7. Juli ein „Informationsschreiben“ ausgehändigt. Im Nachgang habe das Veterinäramt alle Anfragen der Betroffenen „vollumfänglich“ beantwortet.

Einstallerin: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“

Anne G. sagt, sie habe sich bereits juristisch beraten lassen, doch selbst die Anwälte seien unsicher angesichts der Rechtslage. Gegen das behördliche Schreiben habe sie Widerspruch eingelegt. Sie ergänzt noch, dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf erst Ende August den Eilantrag Mario Bäckers gegen die städtische Ordnungsverfügung abgelehnt habe. Seitdem gelten die Zwangsmaßnahmen als rechtmäßig.

MBI: Stadt will Auehof „auslöschen“

„Völlig gnadenlos“ nennt auch Lothar Reinhard, Sprecher der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI), das Vorgehen der Stadt Mülheim auf dem Auehof und wirft ihr vor, den Hof „endgültig und vollständig ausgelöscht haben“ zu wollen, „warum auch immer“.

Es gebe sehr viele Betroffene. Doch die Stadt habe bislang nicht deutlich machen können, worin „die besonders übergroße Gefährdung von Tier- und vor allem Allgemeinwohl bestand“. Vielmehr werde „mit allerschärfstem Geschütz“ vorgegangen „und weder auf Menschen noch Tiere etwa der Einstaller ein Hauch von Rücksicht oder Verständnis auch nur angedeutet“.

Dieses Verhalten sei „einer Stadt unwürdig“, so der MBI-Sprecher weiter, auch wenn es juristisch gut vorbereitet scheine. Er spricht von einem „Drama um den Auehof“ und fordert: „Auch gegenüber der Öffentlichkeit sollte die Stadt ihre bisherige arroganten Haltung deutlich zurückschrauben!“

Die Mülheimerin fordert, dass die Betroffenen wenigstens eine adäquate Räumungsfrist bekommen sollten. „Wir sind unverschuldet in diese Situation geraten, aber jetzt stehen wir mit dem Rücken zu Wand. Diese Vehemenz, Härte und Schnelligkeit, mit der das Amt hier vorgeht, ist nicht verständlich.“