Mülheim. Ihre Geschichte rührte die Leserinnen und Leser so sehr, dass sie spendeten. Wie geht es Renate S., der mittellosen Rentnerin aus Mülheim, heute?

Ihr Leben war karg und von Entbehrungen geprägt, bis Leserinnen und Leser bei unserer Benefiz-Aktion Jolanthe mehr als großzügig spendeten. Bis heute zehrt die Mülheimer Rentnerin von der finanziellen Unterstützung und von den zahlreichen materiellen Gaben. Weshalb sie sich in diesem Jahr tatsächlich auf die Weihnachtszeit freuen kann.

Ihr Herz geht über, wenn sie an die vergangenen Monate zurückdenkt – ein Dreivierteljahr, in dem ihre permanente Angst, Rechnungen nicht bezahlen zu können, gewichen ist. Beinahe hat sich so etwas wie Zuversicht in ihrem Leben ausgebreitet, ein verhaltenes, aber beständiges Gefühl, vorerst finanziell abgesichert zu sein. „Ich stehe das erste Mal im Leben auf der sicheren Seite“, umschreibt Renate S. ihre Stimmung.

Spenden der Mülheimerinnen und Mülheimer rühren Rentnerin zu Tränen

Nicht nur ihr Herz geht über, wenn sie an die Welle der Hilfsbereitschaft denkt, die nach unserer Berichterstattung kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr über sie gekommen ist. Auch die Tränen fließen. Dass sie beachtet wird, ihr aus ihren prekären Lebensumständen herausgeholfen wird, ihre Lebensgeschichte Wertschätzung erfährt – das rührt Renate S. zutiefst, noch immer. „Wenn ich zurückdenke, dann laufen die Tränen ganz automatisch.“

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Weinen – das gehörte schon lange zu ihrem Leben. Nicht erst, seitdem sie alleine in einer kleinen Wohnung sitzt, die sie aus Angst vor hohen Kosten kaum heizen mag. Traurigkeit ist ihre Begleiterin seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten. Der Kontakt zu ihren beiden erwachsenen Söhnen? Schwierig bis kaum vorhanden. Andere Sozialkontakte? Weggebrochen über die Jahre, in denen sie „arbeitsmäßig nicht dazugehören kann“, wie sie sagt. Einladungen mochte sie irgendwann nicht mehr annehmen, wohlwissend, dass sie sich wegen ihrer Finanznot nie würde revanchieren können. Noch keine 60 Jahre alt, muss sie aufgrund zahlreicher gesundheitlicher Einschränkungen von Erwerbsminderungsrente leben. „Ich liege mit meiner Rente trotz des Wohngelds, das ich jetzt bekomme, unter dem Bürgergeld.“

Bedürftige Rentnerin aus Mülheim dreht noch immer jeden Cent um

Jeden Cent mehr als einmal umzudrehen, war für sie normal – und ist es auch geblieben. „Ich will die Spenden ja nicht verjubeln. Heute drehe ich den Cent aber nicht mehr vier Mal um.“ Im Sommer, als es so heiß war, da hat sie sich erlaubt, ein luftiges Kleid zu kaufen. „Ich war es so leid, nur Hosen zu tragen – und den dunklen Rock, den ich seit etwa 15 Jahre habe, konnte ich auch nicht mehr sehen“, sagt Renate S. beinahe entschuldigend.

„Ich rechne immer noch alles hundert Mal nach, wenn ich im Supermarkt auf dem Weg zur Kasse bin.“ Zu gut kann sich die Rentnerin an die Momente erinnern – vor der Jolanthe-Spende – in denen sie Sachen wieder aus ihrem Einkaufswagen herausholte und zurück ins Regal legte – das Geld reichte einfach nicht. Nach der Spendenwelle, die die Berichterstattung über ihren Fall angestoßen hat, änderte sich das. „Das war finanziell so eine Spritze“, sagt sie und ein Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus – Glück, Sorglosigkeit, Zufriedenheit, all das hat Renate S. über Jahrzehnte nicht mehr erlebt.

Nicht mehr jeden Cent und jeden Euro drei Mal umdrehen zu müssen, das genießt die mit Spenden bedachte bedürftige Rentnerin Renate S. aus Mülheim.
Nicht mehr jeden Cent und jeden Euro drei Mal umdrehen zu müssen, das genießt die mit Spenden bedachte bedürftige Rentnerin Renate S. aus Mülheim. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Beinahe leichtsinnig komme sie sich mitunter vor, wenn sie beim Einkaufen Leckereien in den Wagen legt, die sie sich zuvor schmerzlich verkneifen musste. „Wenn ich etwa zehn Brötchen beim Bäcker kaufe – die kosten ja schon 4,30 Euro – und dazu eine Packung Schokoküsse.“ Matschbrötchen, so wie früher, macht sie sich damit. Oder wenn sie sich den teuren Kakao erlaubt. „Den habe ich aber nur ein Mal gekauft, weil ich mir gesagt habe: Daran darfst du dich nicht gewöhnen, denn dann fällt es dir nur noch schwerer, wenn du dir den nicht mehr leisten kannst.“

Die alte Hündin ist krank – da geht viel Geld an den Tierarzt

Dabei kauft sie nach wie vor ganz bewusst ein, hält nach Angeboten Ausschau und verbraucht ihre Lebensmittelschätze mehr als sparsam. Etwa den guten Kaffee hat sie auf Vorrat gekauft, als es ihn zum Schnäppchenpreis gab. „Ich will das Geld ja nicht verjubeln“, betont Renate S. mehrfach. Nichts wäre ihr unangenehmer, als dass die Spenderinnen und Spender von ihr glaubten, sie würde mit dem gespendeten Geld nur so um sich werfen. „Doch einiges ging in diesem Jahr für Tierarztrechnungen drauf. Meine alte Hündin ist leider immer wieder krank, das war sehr teuer.“

Einen Teil der Spenden aber hat sie zurückgelegt, hütet ihn wie einen Schatz. Denn auch wenn ihre Stromnachzahlung in diesem Jahr glücklicherweise deutlich geringer ausgefallen ist, als sie befürchtet hatte, so bangt ihr vor dem kommenden Jahr, wenn die Preisbremsen auslaufen: „Das verunsichert mich sehr, denn das soll ja wieder um einiges teurer werden.“

Mülheimerin will nicht erst heizen, wenn der Teppich schon klamm ist

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Trotzdem will sie künftig eher ihre Wohnung heizen und nicht so lange warten, bis der Teppich klamm ist. Und auch ihren Herd hat sie in diesem Jahr weitaus öfter genutzt. Zuvor hatte sie aufs Kochen verzichtet – zu teuer erschien ihr die Energie, die dafür drauf ging. Und auch die Lichterkette an ihrem Tannenbaum, den sie zu Weihnachten wieder aus dem Keller holt, will sie schon bei Einbruch der Dämmerung einschalten. „Und nicht erst abends spät, damit die Lämpchen nicht so lange brennen. Ich will mich daran erfreuen“, schaut die Rentnerin in die Zukunft.

Weihnachten galt ihr Jahrzehnte als verlogenes Fest. Mit der Erfahrung aus dem vergangnen Jahr, als sie von der enormen Spendenbereitschaft zahlreicher Mülheimerinnen und Mülheimer profitiert hat, habe sich das grundlegend geändert: „Ich kann mich jetzt auf die Adventszeit freuen. Ich hab ja auch noch welche von den gespendeten Kerzen, die stelle ich dann wieder auf.“

Wenn sie einkaufen geht, achtet die bedürftige Mülheimer Rentnerin auf Angebote, kauft dann etwa Kaffee auf Vorrat ein.
Wenn sie einkaufen geht, achtet die bedürftige Mülheimer Rentnerin auf Angebote, kauft dann etwa Kaffee auf Vorrat ein. © dpa | Jens Kalaene

Noch immer gebe es Momente, in denen ihr bewusst werde, welches Glück ihr widerfahren ist: „Dann sitze ich da mit meinem Kaffee, strahle die Tasse an und denke: Hast du es gut, hast deinen Kaffee und dein Brot.“

Spenden aus der Jolanthe-Aktion helfen weiteren Mülheimer Bedürftigen

All das, da ist Renate S. zutiefst überzeugt, ist ihr nur möglich durch „wildfremde Menschen, die geholfen haben, wo noch nicht mal die eigene Familie hilft.“ Da geht ihr das Herz wieder über und die Augen auch, die Tränen laufen. Unfassbar ist für sie nach wie vor diese große Zuwendung, die riesige Spendenbereitschaft, die nicht nur ihr über die letzten Monate geholfen hat, sondern zahlreichen weiteren Klienten des Mülheimer Arbeitslosenzentrums (Malz), die dort in der Beratung sind und deren Hilfsbedürftigkeit bekannt ist. Auch sie haben in diesem Jahr von den Jolanthe-Spenden gezehrt.

Blickt die Rentnerin zurück auf die Hilfe, die ihr widerfahren ist, sagt sie: „Das ist das schönste Erlebnis in meinem ganzen Leben.“ Renate S. schließt das Gespräch mit einem Wunsch: „Ich hoffe von Herzen, dass es den Spenderinnen und Spender weiterhin gut geht und dass sie nie in solch eine Situation kommen, in der ich vorher steckte.“

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