Mülheim. Sein Körper: Verschlissen, mit 51. Trotz des Jobs seiner Frau reicht das Geld nicht für die fünfköpfige Familie. Wie Mülheims Jolanthe hilft.

Er kam einst nach Deutschland, weil in seiner Heimat Krieg herrschte. „So wie jetzt in der Ukraine“, sagt der 51-Jährige aus Sri Lanka. Seine Mutter hat damals viel Geld bezahlt, um ihren Sohn, kaum volljährig, nach Deutschland zu schicken, wo er in Sicherheit sein sollte. Sicher ist das Leben von Vichard Golden Antony hier, doch auch mehr als mühsam, um mit Hilfsjobs über die Runden zu kommen. Heute steht die Familie mit drei Kindern finanziell mit dem Rücken zur Wand – mit Spenden aus der Jolanthe-Aktion wollen wir ihr helfen.

Es sind seine freundlichen Augen, die sofort auffallen, wenn man Vichard Golden Antony begegnet. Aber auch das: Steht der Mann auf, der Anfang 50 ist, humpelt er stark. Das Knie ist kaputt, muss bald ein weiteres Mal operiert werden, der Rücken ist verschlissen, mehrere Bandscheibenvorfälle plagen ihn. Die körperlichen Einschränkungen sind die Quittung für die harte Arbeit, mit der der Sri Lanker in den zurückliegenden Jahrzehnten mühsam seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Jahre als Reinigungskraft in gastronomischen Küchen zählen dazu, als Helfer im Fast-Food-Restaurant oder bei Sortierarbeiten für den Fensterbau – wo es Arbeit gab, dort ging Vichard Golden Antony hin.

Mit 20 Jahren floh der Mülheimer vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Sri Lanka

Kontakte zu möglichen Arbeitgebern vermittelten ihm Mitglieder von tamilischen Gemeinden, das Netzwerk scheint nahezu weltumspannend zu funktionieren. „Jemand wie er kann sich nur persönlich vorstellen und hoffen, als Mensch zu überzeugen, denn einen Lebenslauf, wie wir ihn kennen, hat er nicht“, ordnet Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), die Situation von Vichard Golden Antony ein, der 2011 das erste Mal Hilfe im Malz suchte.

Anfang der 90er Jahre kam er als 20-Jähriger von Sri Lanka nach Deutschland, in seiner Heimat tobte damals ein bitterer Bürgerkrieg. „Meine Mutter hatte Geld gesammelt für meine Flucht“, erinnert sich Antony. Da seine Mutter die geliehene Summe schnellstmöglich zurückzahlen musste – „mit Zinsen“ – sucht sich der junge Mann umgehend Arbeit, um Geld nach Hause zu schicken. Das gelang ihm, wenn der Verdienst auch mau blieb. Er arbeitete in Kantinen und Restaurants als Spülhilfe und putzte, wo es nötig war, kloppte Stunden bei McDonald’s, stapelte Klopapierpackungen – durchweg hatte er mehrere Jobs parallel.

Nachdem er mit gerade 20 Jahren vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Sri Lanka nach Deutschland geflohen war, nahm Vichard Golden Antony jede Form von Arbeit an – zumeist musste er als Reinigungskraft ran. Jahrzehnte hat er so geschuftet, immer bei mehreren Jobs parallel, dass sein Körper heute verschlissen ist, obwohl der Mann erst 51 Jahre alt ist. (Symbolbild)
Nachdem er mit gerade 20 Jahren vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Sri Lanka nach Deutschland geflohen war, nahm Vichard Golden Antony jede Form von Arbeit an – zumeist musste er als Reinigungskraft ran. Jahrzehnte hat er so geschuftet, immer bei mehreren Jobs parallel, dass sein Körper heute verschlissen ist, obwohl der Mann erst 51 Jahre alt ist. (Symbolbild) © WAZ FotoPool | Tim Schulz

Heute gilt er als chronisch krank, an Arbeit ist für den Mülheimer zurzeit nicht zu denken. Seine Frau arbeitet Vollzeit, um die Familie zu ernähren. Doch ihre Arbeitsstunden wurden gekürzt, die erhoffte Erhöhung des Wohngelds, das die Familie als Aufstocker beantragt, blieb allerdings aus.

Mann aus Sri Lanka nimmt in Deutschland jeden Job an, das Geld aber ist immer knapp

„Ich liebe Arbeit“, sagt Vichard Golden Antony beinahe entschuldigend. Dass nun seine Frau für die Familie sorgen muss – nun ja, man habe sich arrangiert. Bevor er krankheitsbedingt ausgefallen ist, zieht er mehrfach um, etwa von München nach Mülheim, fährt für seine Jobs quer durchs Ruhrgebiet, verbringt Wartezeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen in zugigen U-Bahn-Stationen, schläft auch schonmal auf dem Bahnsteig. Er will ja pünktlich kommen und seine Arbeitsstellen auf keinen Fall aufs Spiel setzen. An eine Ausbildung oder Deutsch lernen war damals nicht zu denken, als er nach Deutschland kam. Bis nach England verschlägt es ihn, in der Nähe von Bristol sortiert er Materialien für den Fensterbau, lebt in einem kleinen Zimmer ohne Küche. „Das war hart und die Arbeit kräftezehrend, immer im Freien“, blickt er zurück.

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Allmählich aber macht sich sein Körper bemerkbar, zurück in Deutschland ereilt ihn der erste Bandscheibenvorfall, weitere werden folgen. Schon nach dem ersten ist für seinen damaligen Chef klar: Den kann ich nicht mehr gebrauchen. Vichard Golden Antony wird arbeitslos – es sollte nicht der letzte Rauswurf bleiben, nur weil seine Knochen nicht mehr mitspielen. Zwei kleine Kinder haben er und seine Frau da bereits, mit dem Arbeitslosengeld ist es mehr als knapp. Also sucht er einen neuen Job, kaum dass er wieder auf den Beinen ist. In einer Frikadellen-Fabrik am Niederrhein findet er Arbeit, muss den Weg dorthin von Mülheim überwinden: „In Neuss hat uns der Transporter der Firma eingesammelt. Bis der kam, musste ich teils stundenlang warten.“

Weil Rücken und Knie kaputt sind, kann der 51-Jährige aus Mülheim nicht mehr arbeiten

Als dieser Job endet, findet er Arbeit in einer Pizzeria in Essen – bis zum nächsten Bandscheibenvorfall. „Da hat der Chef mich nach Hause geschickt.“ Auch das Knie ist inzwischen so kaputt, dass es zum wiederholten Mal operiert werden muss. „Ich schaffe nichts mehr“, gibt Antony ernüchtert seine Erkenntnis wieder. Andere Jobs als körperliche kommen aufgrund seiner mangelnden Deutschkenntnisse nicht in Frage.

Klar war damit auch, dass seine Frau Vollzeit arbeiten gehen muss. Sie hatte inzwischen Deutschkurse belegt und eine Weiterbildung zur medizinischen Kosmetikerin gemacht. Eine Anstellung in Vollzeit fand sie nicht gerade ums Eck, sondern in einem Wellness-Center in Oer-Erkenschwick. „Um dahin zu kommen, braucht sie ein zuverlässiges Auto, die Bahn fällt oft aus oder kommt zu spät“, schildert der Vater zweier Mädchen und eines Jungen zwischen acht und 15 Jahren. Die Familie kratzt also alles zusammen, was sie aufbringen kann, und finanziert ein Auto.

Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), betreut seit mehr als 20 Jahren Menschen wie die Familie Antony, die wie die meisten Klienten zu den Aufstockern zählen. Der Verdienst reicht nicht aus, um als fünfköpfige Familie über die Runden zu kommen, daher gibt es Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag. Dennoch ist das Geld mehr als knapp. Sie sparen an Lebensmittel und Kleidung, schildert der dreifache Vater Vichard Golden Antony.
Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), betreut seit mehr als 20 Jahren Menschen wie die Familie Antony, die wie die meisten Klienten zu den Aufstockern zählen. Der Verdienst reicht nicht aus, um als fünfköpfige Familie über die Runden zu kommen, daher gibt es Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag. Dennoch ist das Geld mehr als knapp. Sie sparen an Lebensmittel und Kleidung, schildert der dreifache Vater Vichard Golden Antony. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Weil aber weniger Wellnessanwendungen gebucht werden, seien seiner Frau die Stunden gekürzt worden, erzählt der 51-Jährige. Heute verdient die 39-Jährige rund 1400 Euro netto. Die Familie bekommt Kinderzuschlag und Wohngeld. „Das ist allerdings nicht erhöht worden, als ihre Stundenzahl reduziert wurde“, wundert sich Malz-Beraterin Gabi Spitmann. Mit ihrer Hilfe haben die Antonys nun einen Überprüfungsantrag gestellt. „Durch die gekürzten Arbeitsstunden hat die Familie jetzt rund 300 Euro weniger jeden Monat“, weiß Spitmann.

Dreifache Mutter aus Mülheim pendelt jeden Tag 110 Kilometer zur Arbeit

Dass die Kosmetikerin jeden Tag insgesamt 110 Kilometer für ihren Job pendeln muss und letztlich immer noch nicht genug verdient, um ihre Familie zu ernähren, sei eine Krux. „So steckt die Familie jeden Cent in das Auto – für Reparaturen und Benzin – damit die Mutter zu ihrer Arbeit kommt. Die am wenigsten verdienen, haben oft die größten Ausgaben, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen“, legt die Beraterin dar und weiß: „Letztlich lebt die Familie auf Hartz-IV-Niveau.“ Vichard Golden Antony nickt und schildert: „Wir können kaum Essen kaufen, nur wenige Lebensmittel.“ Durch die Vermittlung des Malz wird die Familie nun hin und wieder mit Obst, Gemüse und Fleisch von den Lebensmittelrettern bedacht, die Nahrung bei Geschäften abholen, die ansonsten weggeschmissen würde.

Und auch die Jolanthe-Aktion dieser Redaktion, mit der in diesem Jahr Bedürftigen in Mülheim geholfen wird, die beim Mülheimer Arbeitslosenzentrum als bedürftig bekannt sind, will ihren Beitrag leisten, damit Familie Antony etwas sorgenfreier leben kann: Aus den Spendengeldern, die großherzige Leserinnen und Leser überwiesen haben, wird die dringend notwendige Reparatur des Autos bezuschusst, damit die Mutter weiter zu ihrer Arbeitsstelle kommt und ihren Job nicht verliert. Nicht nur Familie Antony dankt den Spenderinnen und Spendern von ganzem Herzen.

Bedürftigen Mülheimerinnen und Mülheimern wollen wir mit unserer Jolanthe-Benefizaktion helfen. Der Erlös kommt in Zusammenarbeit mit dem Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) Menschen zugute, die dort in Beratung sind und deren Hilfsbedürftigkeit bekannt ist. Jolanthe-Konto: DE05 3625 0000 0175 0342 77, Sparkasse Mülheim. Allen Spenderinnen und Spendern, die sich bereits an unserer Aktion beteiligt haben, danken wir sehr. Wir berichten sukzessive über Mitmenschen, die von den Jolanthe-Spenden profitieren.