Mülheim. Sie tut alles für ihre vier Kinder: Eine alleinerziehende Mülheimerin arbeitet Vollzeit und hat einen Nebenjob – das Geld reicht trotzdem nicht.
Sie hat einen Uni-Abschluss und Berufserfahrung – eingestellt aber wird sie nur für Helferjobs. Was sie damit verdient, liegt kaum höher als das Hartz-IV-Niveau. Eine alleinerziehende Mutter aus Mülheim kämpft, damit es ihre vier Jungs gut haben. Mit uns sprach sie über ihre finanziellen Nöte. Bedürftigen Mülheimerinnen und Mülheimern wie ihr helfen wir mit unserer Jolanthe-Benefiz-Aktion.
Sie hat gefeiert, als sie endlich raus war aus den Sozialleistungen – ihr eigenes Geld verdienen konnte, um ihre vier Kinder zu versorgen. Nicht mehr aufs Amt angewiesen zu sein, sich nicht mehr wie eine Bittstellerin vorkommen zu müssen, das war das Größte für Nani. Nani, so sollen wir die 41-Jährige nennen, die mit ihren vier Jungs im Alter zwischen vier und 16 Jahren in Mülheim lebt. Erkannt werden möchte sie keinesfalls, zu schwer lastet die Scham auf ihr. Jetzt also, nachdem sie aus den Sozialleistungen raus ist, geht sie Vollzeit arbeiten, als Integrationshelferin und in der OGS an einer Schule. Weil das Gehalt aus dieser – nur bis zu den Sommerferien befristeten – Anstellung nicht reicht, um ihre Familie über Wasser zu halten, hat Nani zusätzlich einen Nebenjob: Am Wochenende arbeitet sie in der Küche eines Pflegeheims.
Sie ist Lehrerin, hat einige Jahre in ihrem Beruf gearbeitet, bekommt aber nur Hilfsjobs
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Dabei ist die 41-Jährige Akademikerin, ist Lehrerin, hat drei Jahre in ihrem Beruf gearbeitet. Das war noch in ihrer Heimat Ägypten. Nachdem sie für die Heirat nach Deutschland gekommen ist, wurde klar: Ihr Studium wird hier nicht anerkannt, zu unterschiedlich sei die Lehrerausbildung, heißt es. „Ich müsste noch mal Jahre studieren.“ Wie soll das gehen als Alleinerziehende mit vier Kindern ohne familiäre Unterstützung in der Nähe? Der Vater der Kinder kümmere sich überhaupt nicht, beschreibt Nani das zerrüttete Verhältnis. Damit Ruhe einkehre – zumindest auf diesem Kampfplatz ihres Lebens – ist sie aktuell dabei, das alleinige Sorgerecht zu beantragen. Denn: „Ich merke, wie die Seelen meiner Kinder langsam kaputt gehen.“
Geld verdienen muss sie alleine, Unterstützung durch den Exmann erfährt die Ägypterin nicht. Schnell steht für sie fest: „Ich möchte nicht in Hartz IV bleiben.“ Die staatliche Unterstützung habe ihr geholfen, sicher, als die Kinder kleiner waren. „Aber wenn ich arbeite, gewinne ich auch noch so viel mehr, etwa die Sprache.“ Ihr Blick wird ernst und durchdringend, wenn sie sagt: „Ich bin doch Akademikerin.“ Dass es sie schmerzt hier in Deutschland, ihrer neuen Heimat und vor allem dem Zuhause ihrer Kinder nicht anerkannt zu werden, spürt man im Gespräch deutlich.
Mülheimerin, die aus Ägypten stammt: „Mein Mann hat mich klein gehalten“
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Sie spricht von ihren Eltern in Ägypten, ihrer Schwester – alle gingen arbeiten und könnten ein gutes Leben führen. Und sie? Hangelt sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten und hadert mit den Strukturen in Deutschland. „Bei meinem Mann durfte ich nichts wissen, keine Unterlagen einsehen – ich hatte keine Vorstellung davon, wie alles funktioniert.“
Jetzt geht sie morgens gegen 7.30 Uhr aus dem Haus, kommt gegen 16.30 Uhr zurück – jeden Tag in der Woche. Ihre Jungs, gerade der Älteste, regeln zwischenzeitlich den Alltag. „Der Große bringt den Kleinen in den Kindergarten und holt ihn wieder ab.“ Hat der 16-Jährige aber mal länger Schule, oder muss der Vierjährige krank aus der Kita abgeholt werden, wird es für Nani schon brenzlig. „Ich kann meinem Arbeitgeber ja nicht ständig sagen, dass ich früher weg muss.“ Im Unterricht sitzt sie neben dem Kind, das sie betreut, kann also auch nicht ständig auf ihr Handy schauen. Permanent habe sie Angst um ihren Job – gleichzeitig sei da die Sorge um ihre Kinder, auch wenn sie weiß: „Meine Söhne sind sehr selbstständig.“
Die beiden ältesten besuchen ein Gymnasium in Duisburg, auch der Zehnjährige soll nach den Ferien dorthin gehen. Deutschland biete ihren Kindern gute Chancen, ist Nani überzeugt – dafür kämpft sie. Auch um eine Alternative fürs Geldverdienen, die ihr eine längerfristige Perspektive bietet. – „Letztes Jahr ist mein Vertrag auch vor den Sommerferien ausgelaufen, dann habe ich mir für die sechs Wochen einen Job im Krankenhaus gesucht – ich hatte keinen Tag Urlaub.“ Als Integrationshelferin an der Schule werde sie ohnehin nur für die Tage bezahlt, an denen das zu betreuende Kind da ist – ist es krank, bekommt sie kein Geld.
Sie arbeitet den ganzen Tag, macht den Haushalt, schläft kaum und versorgt die Kinder
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Ihr Alltag sei proppevoll, nachts, bevor sie endlich schlafen geht, „putze ich noch eben die Toilette“. Der nächste Tag beginnt früh – die Pausenbrote für die Jungs müssen geschmiert werden. Die zwei Jugendlichen alleine verputzen derzeit so viel, „dass eine Packung Brot nicht mal für zwei Tage reicht.“ Die Kinder, gerade die kleinen, vier und zehn Jahre alt, nehme sie tunlichst nicht mit in den Supermarkt. Es tue zu weh, ihnen alle Wünsche abschlagen zu müssen. „Alles ist so teuer geworden.“
Nani hat vor einiger Zeit den Weg zum Mülheimer Arbeitslosenzentrum Malz gefunden, lässt sich von Beraterin Gabi Spitmann helfen. Auch das: Für sie ein Sprung über ihren Schatten. Sie hat doch Arbeit, hat ein Studium – allein, es reicht nicht zum Leben. Gabi Spitmann erklärt: „Wenn jemand wie sie gekämpft hat, um von den Sozialleistungen wegzukommen, dann fängt der Kampf erst richtig an, denn in der Regel ergeben sich dann prekäre Arbeitsverhältnisse genau an der Hartz-IV-Grenze. Sie kann nicht planen, wenn sie nur auf Schuljahre befristetet eingestellt wird, und kann nicht wirtschaften, wenn sie nur für Tage bezahlt wird, an denen das zu betreuende Kind auch wirklich da ist.“
Zurzeit erhält die 41-Jährige keinerlei Leistungen. Malz-Beraterin Spitmann ordnet ein: „Sie hat jetzt nicht mehr Geld als sie mit Hartz IV hatte, aber keinen Anspruch mehr auf Ermäßigungen.“ Kürzlich mussten die Klassenfahrten für die Kinder bezahlt werden, rund 1000 Euro. Vom Mund abgespart, habe sie sich das, erzählt Nani. Gabi Spitmann hat für die vierfache Mutter vor Wochen einen Wohngeldantrag gestellt. Wird dieser bewilligt, hätte sie auch Anspruch auf den Mülheim-Pass, über den es Vergünstigungen gibt – jedes bisschen hilft ihr. Ihre Ernüchterung aber wird vorerst wohl bleiben: „Ich war so froh, vom Amt weg zu sein, doch es ist eine große Katastrophe.“
Bedürftigen Mülheimerinnen und Mülheimern wollen wir mit unserer diesjährigen Jolanthe-Benefiz-Aktion helfen. Der Erlös daraus kommt in Zusammenarbeit mit dem Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz) Menschen zugute, die beim Malz in der Beratung sind und deren Hilfsbedürftigkeit bekannt ist. Unser Jolanthe-Konto: DE05 3625 0000 0175 0342 77, Sparkasse Mülheim. Allen Spenderinnen und Spendern, die sich bereits an unserer Jolanthe-Aktion zugunsten von mittellosen Mülheimerinnen und Mülheimern beteiligt haben, danken wir von Herzen.