Mülheim. Fäkalien an den Wänden, verstopfte Klos, mutwillig zerstörte Toilettenbrillen – ein riesiges Problem an Mülheimer Schulen. Nur nicht in Styrum.

Versiffte, stinkende Schultoiletten: Das Thema ist leidig, aber eben auch eins, das jede Schülergeneration aufs Neue beschäftigt – und anwidert. In Mülheim ist die Verzweiflung zum Teil riesig über die Zustände der Klos und über Folgen wie die Schließung ganzer Anlagen. Bezirksschülersprecher Samuel Bielak berichtete jetzt im Bildungsausschuss über die Misere. Und erwähnte auch den Sonderweg der Willy-Brandt-Schule, den mancher kritisch hinterfrage – der aber offensichtlich sehr erfolgreich ist.

Es gibt einen Ausweg aus der misslichen Situation, zeigt das Modell der Styrumer Gesamtschule: „Wir haben das Problem in den Griff gekriegt, unsere Toiletten sind seit Jahren auf einem guten Stand“, freut sich Mathias Kocks, stellvertretender Schulleiter.

In Mülheims Willy-Brandt-Schule verrichten Achtklässler den Toilettendienst

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Wer am Willy Brandt aufs Klo muss, geht idealerweise in der Pause. Dann sind die Anlagen im Altbau aufgesperrt und Lehrkräfte schieben vor der Tür Aufsicht. Sie sind ein erster Garant dafür, dass kein Unfug angestellt wird. Effizient aber sei die Sache vor allem durch den von Achtklässlern organisierten Toilettendienst in der Anlage selbst. „Die Schüler passen auf“, so Kocks, „sind aber auch Ansprechpartner für alles Mögliche, zum Beispiel für Fragen zur ersten Periode.“ Als Motivation für ein Jahr WC-Dienst erhalten die Teenager einen extrafreien Tag.

Das Kontrollsystem der Willy-Brandt-Schule funktioniert offenbar gut: Die Toiletten sind in einem deutlich besseren Zustand als anderswo.
Das Kontrollsystem der Willy-Brandt-Schule funktioniert offenbar gut: Die Toiletten sind in einem deutlich besseren Zustand als anderswo. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wer es nicht schafft, bis zur Pause zu warten, benötigt für den Toilettenbesuch seine Chipkarte. Mit ihrer Hilfe wird das Mittagessen in der Mensa abgerechnet, aber eben auch die elektrische Zugangskontrolle an den Klotüren überwunden. Gespeichert wird dabei eine Nummer, die der Schulleitung notfalls eindeutig zeigt, wer für den Vandalismus hinter verschlossener Tür verantwortlich war, für abgerissene Handtuchhalter, Edding-Kritzeleien, kaputte Klobrillen … Für die Kinder und Jugendlichen ist die Speicherung der Daten keine große Sache, glaubt Kocks. „Jeder weiß, dass seine Nummer registriert wird. Wer das nicht möchte, geht halt in den Pausen auf die Toilette.“

Stadtverwaltung erkennt kein Datenschutzproblem in der Styrumer Praxis

Laut Samuel Bielak aber gab es durchaus schon kritische Nachfragen zum Datenschutz. Und auch die Landesdatenschutz-Beauftragte habe sich früher in einem vergleichbaren Fall mal eingeschaltet. Peter Hofmann, Leiter der Schulverwaltung, allerdings blieb im Ausschuss gelassen – und verglich die Situation mit einer Praxis, die an vielen Stellen gelebt wird: „Dort wird der Schlüssel zur Toilette nur gegen Unterschrift ausgehändigt.“

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Auch wenn es Bedenken gibt: Das Styrumer Modell ist eines, auf das viele Schulen neidisch blicken. Zum Beispiel Thomas Ratz, Leiter der Gustav-Heinemann-Schule in Dümpten, der schier „verzweifelt“, wenn er an die dreckigen Schulklos denkt. „Das ist eine never ending story und alles andere als appetitlich.“ Oft verwandele sich eine Toilette in Nullkommanichts in einen Saustall, „frei nach dem Motto: Nach mir die Sintflut“. Ratz hat bei der Stadt angefragt, ob nicht auch seine Schule von der elektronischen Lösung profitieren könne, aber das Aufrüsten aller Türen sei „immens teuer“ und deshalb abgelehnt worden.

Für die Hygienebeauftragten der Gustav-Heinemann-Schule fehlte irgendwann das Geld

In der Vergangenheit gab es an Mülheims größter Schule schon Hygienebeauftragte für die Toiletten – „zwei Damen, die nicht nur Kontrollettis waren, sondern auch Hygieneartikel ausgegeben haben“ – und auch eine Schülerinitiative versuchte ihr Glück. Das eine Modell scheiterte an den Finanzen, das andere am dauerhaften Engagement. „Man kann das keinem Schüler abverlangen“, findet Ratz, „das ist nicht ihr Job.“

Hilfreich wäre es, wenn die Toiletten nicht nur ein-, sondern zweimal täglich geputzt würden, doch auch dafür ist kein Geld da, erfuhr er. Und so müssen der Schulleiter und alle anderen weiter damit leben, dass es manchen Schülern Vergnügen bereitet, „massenhaft Papier vor die Wände zu klatschen oder in die Schüsseln zu stopfen“. Ratz hofft, dass eines Tages zumindest die Papierhandtücher verbannt und durch Geräte ersetzt werden, die Hände mittels heißer Luft trocknen.

Immer wieder Fäkalien an Wänden und auf Klobrillen der Karl-Ziegler-Schule

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Mit Fäkalien beschmierte Wände und Klobrillen waren mehrfach das Problem an der Karl-Ziegler-Schule. Die Haupttoiletten des Gymnasiums wurden deshalb immer wieder mal geschlossen. Ein TikTok-Trend könne Ursache gewesen sein, heißt es aus der Schule. Aktuell habe sich die Situation glücklicherweise beruhigt. Man denke darüber nach, das Styrumer Modell einzuführen oder langfristig eine professionelle Toilettenaufsicht einzustellen.

Vandalismus ist auch an der Luisenschule „immer mal wieder ein Problem“, berichtet Schulleiterin Dr. Heike Quednau. Auch sie fände ein elektronisches Zugangssystem zu den WCs gut; dafür aber müssten in dem Gymnasium zu viele Türen umgerüstet werden, der Kostenfaktor sei zu hoch.

Zerstörungswut machte auch vor Gender-Toiletten der Luisenschule nicht Halt

Ein Fall blanker Zerstörungswut hat Quednau kürzlich besonders geärgert: „Auf Initiative der Schülervertretung haben wir Gender-Toiletten eingerichtet.“ Eigens angefertigte Schilder wiesen auf die geschlechtsneutralen Örtchen hin. Unbekannte aber montierten alle Hinweise ab, zerrissen später auch die zum Ersatz aufgehängten Plakate, berichtet Quednau. „Unsere Schülervertretung, der das Projekt ein besonderes Anliegen war, ist darüber sehr, sehr traurig.“

Mathias Kocks weiß unterdessen, dass auch seine Schülerschaft nicht dauerhaft bekehrt ist. Vor einigen Monaten war das Schließsystem der Willy-Brandt-Schule vorübergehend defekt, die Klos ohne Kontrolle begehbar – „und schon waren wieder Beschädigungen da“.