Mülheim. Ministerpräsident Wüst zeichnet am Freitag einen Mülheimer aus: Mutig hatte der Polizist einen 81-jährigen Mann aus der eiskalten Ruhr gerettet.
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat ein Polizist einem hilflosen Mülheimer (81) durch beherztes Eingreifen das Leben gerettet: Der ältere Mann trieb in der sieben Grad kalten Ruhr unweit der Mendener Brücke und rief um Hilfe. Der Beamte schnappte sich aus einem nahen Garten ein Stand-up-Paddle-Board (SUP-Board), streifte eben noch die Schuhe ab, paddelte dann durch die Strömung zum Ertrinkenden. Für seinen Einsatz und Mut zeichnet Ministerpräsident Hendrik Wüst den 28-Jährigen am Freitag in Köln aus.
Es ist eine hohe Ehrung, die Polizeioberkommissar Arne Renzel zuteilwird: Gemeinsam mit neun anderen Frauen und Männern erhält er die Rettungsmedaille des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese wird seit 1951 verliehen. 1362 Bürger und Bürgerinnen haben sie bis dato erhalten. Was sie verbindet? „Sie haben unter Einsatz des eigenen Lebens andere Menschen aus lebensbedrohlichen Notlagen gerettet“, heißt es vom Landespresse- und Informationsamt.
„Mit jedem Grad, das ein Mensch an Temperatur verliert, sinkt die Überlebenschance“
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So wie der damals gerade 26 Jahre alte Beamte. Mit einer Kollegin und einem Azubi war er nahe Menden im Streifenwagen unterwegs, als der Notruf sie gegen 18 Uhr via Leitstelle erreichte. Passanten hatten beobachtet, so hieß es später in einer Meldung der Feuerwehr, wie der ältere Mann von der Mendener Brücke in die Ruhr gesprungen war. „Nun trieb er in der Mitte des Flusses und schrie um Hilfe“, erinnert sich Renzel. Ihm war klar: Ab jetzt zählt jede Sekunde. „Mit jedem Grad, das ein Mensch an Körpertemperatur verliert, sinkt die Überlebenschance.“
Auch die Sorge, dass der Hilflose ins Kahlenberger Wehr geraten könnte, trieb den Polizisten um. Einfach ins Wasser springen und zu ihm schwimmen, hielt er an diesem kalten Wintertag für keine gute Idee – das SUP-Board war die rettende Lösung. Auch wenn es eigentlich in einem privaten Garten stand . . . Doch Zeit zum Zögern gab es nicht. Renzel setzte sich aufs Brett, ergriff das Paddel, legte los. „Als ich dann bei dem Mann war, habe ich ihn erstmal vorsichtig angesprochen, damit er nicht in Panik gerät, wenn ich ihn einfach ergreife.“ Der entscheidende Moment verlief zum Glück gut: Der Senior reagierte, konnte das Paddel ergreifen. Renzel zog ihn zu sich hin, packte ihn an der Jacke, hielt seinen Kopf über Wasser.
Die Strömung trieb das Duo den Fluss hinab. Es dauerte lang, bis sie das Ufer erreichten
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Was dann folgte, war eine echte Herausforderung: Renzel musste mit nur einer Hand paddeln – die andere brauchte er, um den 81-Jährigen festzuhalten und Richtung Ufer zu ziehen. Das ging nicht auf direktem Wege, „wir haben uns mehrfach um 360 Grad gedreht“. Die Strömung trieb das Duo den Fluss hinab. Der ältere Mann, auf den er „ununterbrochen“ einredete, habe glücklicherweise in der Haltung „Toter Mann“ verharrt. „So konnte ich ihn gut halten.“ Trotzdem dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis sie an Land gelangten.
Dort warteten schon Kollegen des Rettungsdienstes. Völlig unterkühlt kam der alkoholisierte 81-Jährige ins Krankenhaus. Er überlebte. Die Tochter verfasste später einen herzlichen Dankesbrief. Zentrale Botschaft: „Ich bin froh, dass ich noch einen Vater habe . . .“
Auf der Wache die nassen Sachen gewechselt – und dann weitergearbeitet
Der Mann, dem sie das zu verdanken hat, sagt dazu schlicht: „Das gehört zu meinem Job.“ Er setzte an jenem Tag seine Schicht auch ganz normal fort – nachdem er kurz auf der Mülheimer Wache Socken von einem Kollegen geliehen und die nasse Hose gewechselt hatte.
Nicht jeder in Renzels Umfeld aber ging zur Tagesordnung über: Von dienstlicher und privater Seite gab es viel Lob, „mein damaliger Chef war sehr stolz“. Und vom Direktionsleiter gab es eine offizielle Belobigung. Trotz aller Bescheidenheit und Zurückhaltung mag der 28-Jährige im Interview nicht verhehlen: „Das hat sich gut angefühlt.“ Der Fakt, dass er nun als Lebensretter gilt, sei aber nach wie vor „schwer zu fassen“, „sehr abstrakt“ und irgendwie „eine Nummer zu groß“.
Polizeioberkommissar nimmt seine Eltern und die Oma mit zur Feierstunde
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Die Nachricht von der Rettungsmedaille hat Renzel Anfang des Jahres erreicht – „eine schöne Überraschung“. Die Eltern kommen mit nach Köln, „und die Oma“. Was dort neben Auszeichnung, Laudatio und einem Abendessen auf ihn wartet, weiß der Polizist noch nicht. „Ich bin aber gespannt auf die anderen Leute, die geehrt werden, und auf ihre Geschichten.“
Polizisten sind dabei, aber auch Privatpersonen, die sich mit einem Mal in einer für andere lebensbedrohlichen Situation befanden: So ein Essener, der seine Nachbarn, eine fünfköpfige Familie, aus ihrer brennenden Wohnung gerettet hat. Oder ein Mann aus Brilon, der einem Kollegen bei einem dramatischen Angriff mit einer Eisenstange zur Hilfe kam. Die Gesellschaft spricht von Helden. Eine Vokabel, die Arne Renzel gewiss nicht verwenden würde . . .