Mülheim. Grundstückseigentümer wollen 39 Hektar an Mülheims Ruhr neu entwickeln. Industrie? Gewerbe? Wohnen? Jetzt wurden drei Szenarien dazu präsentiert.
Bei einer Bürgerversammlung in einer alten Werkshalle der Friedrich-Wilhelms-Hütte haben Planer und Grundstückseigentümer nun drei Entwicklungsszenarien präsentiert für 39 Hektar Land, das sich von Ruhrbania bis zu Aldi Süd in Styrum an Mülheims Ruhr erstreckt.
Die Stadt ist mit ihren Ruhrbania-Baufeldern 3 und 4 sowie mit einer für die Kanalisation benötigten Fläche nördlich der Friedrich-Wilhelms-Hütte mit im Boot, ferner die Grundstückseigentümer der Georgsmarienhütte (Gelände der Friedrich-Wilhelms-Hütte), Thyssenkrupp Schulte, Aldi Süd und RWW. Alle zusammen haben die Absicht, die Areale entlang des rechten Ruhrufers zwischen Innenstadt und Styrum so zu entwickeln, dass am Ende alle Seiten zufrieden sind und brachliegende Flächen neu genutzt werden.
Mülheim-West: Ein Szenario sieht komplette Aufgabe der industriellen Nutzung vor
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Nun haben sich die Eigentümer im Zusammenspiel mit den Stadtplanern von „Freischlad+Holz / Herwarth+Holz“, die Büros in Berlin und Darmstadt unterhalten, auf gemeinsame Eckpunkte für einen städtebaulichen Wettbewerb zur Entwicklung des Filetstücks entlang der Ruhr verständigt. Vorläufiges Ergebnis sind drei Entwicklungsszenarien, aus denen am Ende Mülheims Stadtrat Vorgaben für den Wettbewerb ableiten soll.
Die drei Szenarien unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, inwieweit Industrie zwischen Konrad-Adenauer-Brücke und Styrum künftig noch eine Rolle spielen soll. Im Szenario 1 etwa würden Industrieflächen in größerem Umfang erhalten bleiben, so dass nicht nur vorhandene Betriebe dort weiter wirtschaften, sondern sich in leerstehenden Hallen der Hütte im Süden auch neue ansiedeln könnten und etwa auch das Aldi-Brachland in direkter Nachbarschaft zur Thyssenbrücke für größere Produktions- oder Logistikansiedlungen gesichert würde.
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In allen Skizzen gesetzt: ein durchgängiger Fuß-/Radweg entlang der Ruhr in Mülheim
Lediglich im Bereich zwischen Ruhr und Hütten-Gebäuden entlang der Friedrich-Ebert-Straße würden neue Nutzungen angestrebt – mit bis zu vier- oder fünfgeschossigen Hochbauten für Gewerbe; vornehmlich technologieorientierte Unternehmen sollen hier im Fokus stehen, aber auch „gestapelte Handwerkerhöfe“ möglich sein. Zusätzlich skizziert ist eine Bebauung auf dem Parkplatz zwischen Hütte und Konrad-Adenauer-Brücke. Stadtplaner Carl Herwarth von Bittenfeld sieht an dieser Stelle wie auch auf den Ruhrbania-Baufeldern 3 und 4 die städtebauliche Erfordernis, ein markantes, attraktives Entree zur Innenstadt zu schaffen. Leider habe Mülheim ja andernorts schon eine Stadthalle, machte der Stadtplaner aber deutlich, welche Dimension ihm vorschweben würde, wenn die Planung frei von Zwängen wäre. Vielleicht täte es auch ein markanter Verwaltungsbau. Wie wäre es mit einem Kino? Oder Kultur oder Kreativwirtschaft?
Gesetzt in allen drei Szenarien ist der Wille der Stadt, entlang der Ruhr einen Fuß- und Radweg, auch einen Erlebnisraum zu schaffen für eine attraktive Direktverbindung von Styrum zur Innenstadt. Der neue Weg soll durch ein unverwechselbares urbanes Quartier führen, das laut Herwarth von Bittenfeld gut daran täte, als Mülheims lebendiges „Silicon Valley“ daherzukommen, ohne die Vergangenheit unter den Tisch zu kehren. Denkmalwerte Gebäude und andere Relikte aus der Industriehistorie (etwa der Hütten-Bunker) seien sinnvollerweise zu inszenieren im neuen Quartier.
Kultur und Gastro in denkmalgeschützten alten Gebäuden der Mülheimer Hütte?
Im zweiten Entwicklungsszenario ist schon weniger gewerblich-industrielle Nutzung vorgesehen. Eine innenstadtaffine gewerbliche Entwicklung, gar mit der Möglichkeit zu etwas Wohnbebauung Richtung Ruhr, ist für die gesamte südliche Fläche bis zum heutigen Werkstor der Hütte vorgezeichnet. Denkmalwerte Immobilien an der Friedrich-Ebert-Straße sind dabei beispielhaft besetzt durch Kultur oder Kreativwirtschaft, Gastro oder Stadtteil-Initiativen. Der Norden des Hütten-Grundstücks wäre demnach bei Abriss aller Altsubstanz Spielfeld für technologieorientierte Unternehmen und in Richtung Ruhr für mehrgeschossige Gewerbebauten. Größeres Gewerbe oder Industrie hätte dann auf dem Areal von Thyssenkrupp Schulte Platz, Gewerbehallen (etwa fürs Handwerk oder den Fachhandel) auf dem Aldi-Areal.
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Am weitestgehenden ist das dritte Szenario, das komplett auf Industrie verzichtet. Dabei wäre vorgesehen, bis weit in den Norden des Hütten-Areals Nutzungen zu realisieren, die mit Blick auf die Innenstadt als „zentrumsergänzend“ angesehen werden. Die Rede ist dabei von Büros für Dienstleistungsunternehmen und Verwaltung, von Kultur und auch von Wohnen. In der Präsentation wird dem Wohnungsbau zwar eine untergeordnete Bedeutung zugemessen. Mögliche Ausmaße sieht Stadtplaner Herwarth von Bittenfeld dennoch derart groß, dass es vor Ort auch Sinn machen könnte, eine Kita und eine Nahversorgung zu schaffen. Die Nutzungsoptionen für denkmalwerte Gebäude im Süden des Hüttenareals werden wie im Szenario 2 beschrieben.
Szenario 3 sieht auch eine Verlagerung des Betriebs von Thyssenkrupp Schulte vor
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Vier- bis fünfgeschossige Gewerbehochbauten für verschiedenste Nutzer könnte es demnach auf sämtlichen Grundstücken geben, die nördlich der gegenüberliegenden Einmündung zur Sandstraße liegen. Dieses Szenario plant auch ohne den Betrieb von Thyssenkrupp Schulte. Die Verlagerung müsse sich für das Unternehmen aber rentieren, deutete Herwarth von Bittenfeld an, da das Unternehmen für diesen Fall entsprechend viel Vermarktungspotenzial in einem Bebauungsplan fixiert sehen will.
Chef-Stadtplaner Felix Blasch machte deutlich, dass das Ziel bleibe, Industriebrachen nachzunutzen und „ein zukunftsträchtiges urbanes Gewerbequartier mit hoher Aufenthalts- und Gestaltungsqualität“ zu schaffen, das Lebendigkeit an die Ruhr bringe. Wohnen sei „nicht primäres Entwicklungsziel“ der Stadt, betonte er. Die nun präsentierten Szenarien seien „Denkmodelle“. Am Ende müsse politisch entschieden werden, wohin die Reise gehen soll. Im Sommer soll ein städtebaulicher Wettbewerb anlaufen, am Jahresende ein Siegerentwurf gekürt sein. Und darauf fußend müsste Baurecht geschaffen werden. Blasch sieht wie bei der Entwicklung der Parkstadt in Speldorf ein neues „Dekaden-Projekt“, mit einer abschnittsweisen Entwicklung von Süd nach Nord.