Mülheim. Überraschend wechselt die Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte erneut den Besitzer. Ein Rüstungskonzern will damit seine Produktion absichern.

Die 211 Jahre alte Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim hat einen neuen Mehrheitsgesellschafter: Ein Rüstungsunternehmen steigt ein, um seine eigene Panzerfertigung in Zeiten steigender Nachfrage abzusichern.

Wie Krauss-Maffei Wegmann (KMW) jetzt kundtat, übernimmt es als Unternehmen der deutsch-französischen Wehrtechnikgruppe KNDS (Krauss-Maffei Wegmann und Nexter Defense Systems) 80 Prozent der Anteile an der Stahlguss GmbH der Friedrich-Wilhelms-Hütte. Der Stahlguss ist das einzige Überbleibsel im Mülheimer Traditionsbetrieb, der 2020 noch einmal arg in Turbulenzen geraten war.

Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte war 2020 ins Schutzschirmverfahren gegangen

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Wegen massiver Umsatzeinbrüche durch die Corona-Pandemie hatten die Friedrich-Wilhelms-Hütte Eisenguss GmbH sowie die Friedrich-Wilhelms-Hütte GmbH am 22. Juni 2020 jeweils ein Schutzschirmverfahren gestartet, um eine Restrukturierung möglich zu machen. Als Ergebnis dessen schloss die Hütte ihre traditionsreiche Eisengießerei; 235 Mitarbeiter mussten den Betrieb verlassen. Seither existiert von dem 211 Jahre alten Unternehmen, das einst einer der größten Arbeitgeber der Stadt war, nur noch die Stahlgießerei, die hochtechnologische Stahlguss-Stücke verschiedenster Legierungen für verschiedenste Anwendungsbereiche herstellt.

So eben auch für die Panzerproduktion. Die hohe Qualität der Mülheimer Stahlguss-Produkte sei beim Bau von Panzersystemen von entscheidender Bedeutung, begründete KMW nun den Einstieg ins Mülheimer Unternehmen, das erst im Sommer 2021 an den strategischen Investor CE Capital Partners veräußert worden war. KMW sprach in seiner knappen Mitteilung für die Öffentlichkeit von einer „schwierigen finanziellen Situation der FWH nach der Fortführung aus der Insolvenz“. KMW wolle insbesondere auch „in der aktuellen Situation dramatisch steigender Energiepreise und auch in Hinblick auf die Bedeutung der Fertigung für die kommenden Herausforderungen im Bereich der Rüstung“ Verantwortung übernehmen, um die höchst energieintensive Fertigung von hochwertigem Stahlguss langfristig in Deutschland zu sichern.

Zukunft der Mülheimer Hütte soll nicht nur in der Rüstung liegen

Auf die Übernahme von 80 Prozent der Gesellschaftsanteile habe man sich mit dem bisherigen Alleineigentümer CE Capital Partners geeinigt, hieß es seitens KMW. Es stünden nur noch die amtlichen Genehmigungen aus. Ziel sei es, die FWH Stahlguss GmbH so breit wie aktuell aufgestellt zu lassen, was die Kunden anbetreffe. Die Zukunft soll also nicht allein in der Rüstungsproduktion liegen.

Geschäftsführer Lars Steinheider sieht die Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim weiterhin auf Wachstumskurs.
Geschäftsführer Lars Steinheider sieht die Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim weiterhin auf Wachstumskurs. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

„Die Friedrich-Wilhelms-Hütte wird keine Monokultur“, sagt Geschäftsführer Nicolas Neumann, der wie sein Co-Geschäftsführer Lars Steinheider in seiner Funktion verbleiben wird. Beide betonen, dass sie auch unter dem Dach von KMW sicher „sehr autark handeln“ könnten. Am Montag informierte Steinheider Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall über den Einstieg von Krauss-Maffei Wegmann. Er vernahm ein positives Echo „bei allen Beteiligten“.

Geschäftsführer: Neuer Gesellschafter schafft gesunde Basis für weiteres Wachstum

Steinheider stellte heraus, dass der Einstieg des Kunden aus der Rüstungsindustrie die Hütte auf „eine finanziell gesunde Basis stellt, um unseren Wachstumskurs fortsetzen zu können“. Die Entwicklung seit August 2021, als CE Capital Partners den Stahlguss-Betrieb übernommen hatte, sei „sehr erfolgreich“: Nach 25 Millionen Euro im Jahr 2021 werde man den Umsatz in diesem Jahr auf 34 Millionen Euro steigern.

Und auch sei das Auftragsbuch für das kommende Jahr bereits „sehr stark“. Nie in den vergangenen zehn Jahren sei die Hütte derart robust ins nächste Jahr gegangen. Aufträge im Volumen von schon jetzt mehr als 30 Millionen Euro seien gebucht, 50 Millionen Euro Umsatz seien im nächsten Jahr bei entsprechend hohen Mengensteigerungen realistisch. Im Übrigen seien nicht nur die eigenen Produkte für die Rüstungsindustrie gefragt. Alle Bereiche, so die Fertigung für den Maschinenbau, die Baubranche oder regenerative Energietechnik, seien ebenso Wachstumstreiber.

Mülheimer Hütte baut ihre Belegschaft weiter aus

Diese Erfolgsgeschichte der Hütten-Restrukturierung will die Geschäftsführung fortsetzen, ein Komplettausstieg als strategischer Investor komme für CE Capital Partners nicht in Betracht. Der Einstieg von KMW bringt laut Steinheider „Stabilität und Kontinuität“ für die Vorfinanzierung des Wachstums. Seit August 2021 habe die Stahlguss-Gesellschaft mehr als 50 Arbeitsplätze geschaffen. Die Belegschaft von aktuell knapp 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wolle man Anfang 2023 weiter verstärken, schwärmt Steinheider von einer „tollen Mannschaft, die mitzieht“ und mit ihrem ausgeprägten Wissen dafür Sorge trage, dass die Qualitäten der Mülheimer Stahlguss-Produkte weiterhin europaweit unerreicht seien.

Lesen Sie Archiv-Texte zur Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte: