Mülheim. Mit Maßnahmen zur Klimaanpassung will Mülheim konkret werden. 250 Millionen Euro Landesförderung stehen bis 2023 bereit. Es gibt auch Kritik.

Vor gut drei Jahren veröffentlichte die Stadt ein erstes und nicht unumstrittenes Konzeptpapier zur Klimaanpassung. Denn während im Medienhaus am Synagogenplatz rund 40 Menschen darüber brüteten, wie man Klimafolgen auffangen könne, demonstrierten vor der Tür rund 1500 für deutlich schärfere Maßnahmen gegen die ursächliche Klimaerwärmung. Getan hat sich auf beiden Seiten seitdem wenig. Die Kommune will nun in die Umsetzung gehen und hat dafür erneut das „Reallabor Broich“ im Blick. Mancher zeigte sich darüber verblüfft.

Mit der Jugendbewegung „Fridays for Future“ und seinen damals noch vielen wortmächtigen Sympathisanten in der Bürgerschaft könnte man wohl darüber streiten, ob der Schutz des Klimas nicht Vorrang hätte. Der kommende globale „Klimastreik“ am Freitag, 23. September, ist zumindest für Mülheim angekündigt.

Extremwetterlagen setzen Mülheim unter Zugzwang

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Die extreme Hitze gerade der vergangenen drei Jahre – und auch die Starkregenereignisse inklusive Hochwasserkatastrophe – haben jedoch die Versäumnisse nicht nur beim Klimaschutz, sondern ebenso bei der -anpassung zutage gebracht und die Stadt längst unter massiven Handlungsdruck gesetzt. So scheint ein Workshop „Klimaresilienz in Mülheim stärken“ in der Alten Dreherei wie gerufen zu kommen, um seit 2019 schlummernde Konzepte loszutreten.

Denn damit ist zumindest der beachtlich klingende Betrag für das Gebiet des Regionalverbands Ruhr von rund 250 Millionen Euro aus dem Landesfördertopf „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“, kurz KRiS, verbunden. Und ein Teil davon könnte eben auch nach Mülheim fließen.

Wie Mülheim dem Starkregen und der Dürre trotzen will

Nur wofür? Zum Beispiel, um befestigte Flächen von der Mischwasserkanalisation abzukoppeln wie etwa vor gut neun Jahren am Schulzentrum Heißen. Dort leitete man das Regenwasser von den Dachflächen der Schulgebäude sowie von einem Teil der Schulhof- und Parkplatzflächen um in ein Regenrückhaltebecken im Siepental. Das Becken speist anschließend auch gereinigt den nahen Bach.

Der Workshop zur Klimaresilienz stellte etliche Ansätze und manches altbekannte Projekt vor.
Der Workshop zur Klimaresilienz stellte etliche Ansätze und manches altbekannte Projekt vor. © Dennis Vollmer

Damals hatte man in diesem definierten Gebiet eine Abkopplungsrate von 11,15 Prozent erreicht. Die Latte für die KRIS-Initiative liegt jedoch deutlich höher: Bis zum Jahr 2030 sind rund 25 Prozent der Flächen in einem bestimmten Bereich zu entkoppeln und auch die Verdunstungsrate um zehn Prozentpunkte zu steigern. Um das erreichen zu können, fördert KRIS neben Umleitungen von Niederschlagswasser auch Rigolen- und Flächenversickerungen sowie Dach- und Fassadenbegrünungen.

Umweltdezernent Felix Blasch: Wir müssen Klima bei allen Maßnahmen mitdenken

Doch wo genau soll Mülheim ansetzen? „Wir müssen Klima bei allen unseren Maßnahmen mitdenken“, kündigt Planungs- und Umweltdezernent Felix Blasch grundsätzliche Änderungen an. So werde man etwa am Dickswall zu Lasten von versiegelten Autospuren einen breiteren Grünstreifen anlegen.

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Um aber den Förderrichtlinien zu entsprechen, müsste der Bereich wenigstens 30.000 Quadratmeter umfassen und er sollte nach Möglichkeit nicht zu kleinteilig angegangen werden müssen, um den Aufwand, genügend Handelnde für effiziente Maßnahmen zu gewinnen, gering zu halten. So sollte der Workshop auch dazu dienen, weitere solcher Bereiche zu ermitteln.

Doch auch ein Pilotprojekt von 2019, das im Zuge der Klimaanpassungsstrategie entwickelt wurde und seit September 2020 offenbar auf einem Stapel von Förderanträgen beim Land liegen blieb, soll nunmehr neu belebt werden: das Reallabor Broich. Der Vorteil: Es umfasste nicht nur weitaus mehr als die Mindestfläche, sondern ein Gutachten hat zudem bereits große, vom Abwasser abzukoppelnde und damit förderfähige Flächen ausgemacht. Dazu zählen die Bereiche der Alten Dreherei, der Salierstraße und des Broicher Waldwegs.

Wo ansetzen: Stadt legt das Reallabor Broich wieder auf

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Für jedes einzelne Gebiet hat das Gutachten bereits die Potenziale und Maßnahmen ermittelt: und auch Kosten. Am größten scheint es an der Salierstraße zu sein: 6,4 Hektar hat man ausgemacht für Fassadenbegrünung (Hermannstraße), Straßen- und Dachentwässerung. Geschätzte Kosten: 11, 8 Millionen Euro. Am Broicher Waldweg gäbe es 1,2 von rund 5,6 Hektar an Dachflächen zu begrünen und 2,2 Hektar, deren Regenwasser in Versickerungsmulden geleitet werden könnte. Hinzu kommt die Abkopplung an Straßen. Gesamtkosten laut Gutachten: 16,4 Millionen Euro.

Und an der Alten Dreherei müsste nicht einmal viel getan werden, um die 25 Prozent Zielvorgabe zu erreichen, sondern nur noch rund 1,2 Hektar (6,7 Prozent) entkoppelt werden.

Naturschützer kritisieren: „Man fängt wieder bei null an“

Und nun? Zumindest waren mit der MWB und Ruhrbahn als unmittelbar Betroffene sowie Vertretern aus Verwaltung, Wissenschaft, Naturschutzverbänden und Bürgerschaft wesentliche Akteure am Tisch. Ein konkretes Ergebnis blieb trotz fortgeschrittener Planung jedoch offen. Mancher Anwesende zeigte sich darüber verwundert, denn „man hat das Gefühl, man fängt wieder bei null an“. Gerade Naturschützer lobten zwar die Gesprächsbereitschaft der Stadt, hatten sich jedoch erhofft, in der Konkretion der Projekte viel weiter zu sein.

Denn es drängt die Zeit für diese Klima-Projekte, nicht nur, weil sich das Klima weiter verschärft, sondern weil die Stadt bis Ende 2023 die Maßnahmen mit den betroffenen Eigentümern in Broich definiert und beantragt haben muss.