Mülheim. Wenn man den Klimawandel nicht stoppen kann, muss man sich anpassen. Die Stadt Mülheim hat ein Quartier als Testgebiet ausgesucht.
Klimaschutz ist ein Thema, das alle Generationen bewegt. Aber auch mit größter Anstrengung kann man die Auswirkungen des Klimawandels nicht einfach wegschieben, sondern ist gezwungen, ihnen zu begegnen. So der Ansatz der Stadt Mülheim. Was man konkret tun kann, wird jetzt mit den Bürgern diskutiert und in einem Testgebiet ausprobiert.
Der „Klimanotstand“, den mehrere Ruhrgebietsstädte in jüngster Zeit ausgerufen haben, ist ein Reizwort, ein rotes Tuch für den Mülheimer Umweltdezernenten Peter Vermeulen. Er erklärt: „Wir wollen nicht in Aktionismus ausbrechen, sondern wir sind seit Jahren konzeptionell unterwegs. Wenn man den Klimawandel aber nicht stoppen kann, muss man Anpassungsstrategien entwickeln.“
„Klimanotstand“ ist ein Reizwort für den Umweltdezernenten
Um alle kommunalen Aktivitäten zu bündeln, wurde zum 1. Januar 2019 im Umweltdezernat eine „Stabsstelle Klimaschutz und Klimaanpassung“ eingerichtet, geleitet von Ulrike Marx. Sie ist beauftragt, ein Anpassungskonzept an den Klimawandel zu erstellen, das speziell auf Mülheimer Gegebenheiten zugeschnitten ist. Dafür stehen insgesamt 70.000 bis 80.000 Euro zur Verfügung, überwiegend Bundesmittel aus der Nationalen Klimainitiative.
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel, der messbare Temperaturanstieg, schon jetzt auf die Stadt Mülheim, und welche sind in den nächsten 50 Jahren zu erwarten? Diese Fragen wurden mit Unterstützung eines Gutachterteams in mehreren Workshops ergründet. Mitgewirkt haben die GEO-Net Umweltconsulting, MUST Städtebau und Dr. Pecher AG, außerdem rund 30 Beteiligte aus allen Dezernaten der Stadtverwaltung und den städtischen Gesellschaften.
Fünf Handlungsfelder sollen vorrangig beackert werden
Öffentliche Veranstaltung im Medienhaus
Der erste öffentliche Dialog zur Klimaanpassung findet statt am Freitag, 20. September, von 15 bis 17 Uhr im Medienhaus am Synagogenplatz (3. OG). Einlass ist ab 14 Uhr.
Bei der Gelegenheit wird auch ein Poster präsentiert: Es zeigt Extremwetterereignisse, die Mülheim in den vergangenen Jahren heimgesucht haben. Insbesondere die Hitze im Sommer 2018, das Orkantief „Ela“ am 9. Juni 2014 und der Starkregen, der am 7. Juni 2016 vor allem die Altstadt unter Wasser setzte.
Dokumentiert werden auch die entstandenen Schäden und vergleichbare Hitzeperioden, Stürme, Überschwemmungen der jüngsten Vergangenheit. Die Poster werden an Mülheimer Schulen verteilt und auf der städtischen Website zum Download bereitgestellt.
Ende des Jahres soll das Anpassungskonzept auch in den politischen Gremien erörtert werden mit dem Ziel, konkrete Maßnahmen zu beschließen. Im Ausschuss für Umwelt und Energie wird das Thema wohl am 3. Dezember auf die Tagesordnung kommen.
Herausgekommen sind fünf Handlungsfelder, die in den nächsten Jahren vorrangig beackert werden sollen: das Wissen über Klimafolgen erweitern, Starkregenrisiken reduzieren, Hitzefolgen mindern, Klimaanpassung generell in der Stadtplanung berücksichtigen und die Mülheimer Bürgerinnen und Bürger aktivieren.
Am 20. September gibt es eine erste öffentliche Veranstaltung, bei der persönliche Beiträge und Erfahrungen gefragt sind: Wie sichert man Häuser und Keller gegen Regengüsse? Was verschafft Abkühlung an tropischen Tagen? „Wir wollen auch selber Vorschläge einbringen“, kündigt Ulrike Marx an, „zum Beispiel den, temporäre Kühlungsräume einzurichten, in denen sich besonders hitzeempfindliche Personen tagsüber aufhalten können“.
Vorschlag: Kühlungsräume einrichten für tropische Tage
Getestet werden sollen mögliche Maßnahmen in einem überschaubaren Stadtquartier, einem Teil von Mülheim-Broich mit einem Eckchen von Speldorf. Das Gebiet wurde als „Reallabor“ ausgesucht, „weil es besonders betroffen ist“, erläutert der Leiter des Planungsamtes, Felix Blasch: „Hier gibt es sehr dichte Bebauung, viel Versiegelung, aber auch Entwicklungsflächen – das Gelände von Tengelmann.“
Entscheidend für die Auswahl des Testgebietes war nicht zuletzt, dass hier die Hochschule Ruhr West ansässig ist, mit der die Stadt eng zusammenarbeiten möchte. „Wir hoffen, dass die HRW weiterhin motiviert ist, an dem Projekt mitzuwirken“, so Vermeulen. Aber auch das Engagement der Broicher Werbegemeinschaft (BIG) soll gewürdigt werden: Sie sei in Sachen Klimaschutz schon sehr aktiv, betont Ulrike Marx.
Ohne Fördermittel geht nichts in Mülheim
Besonders mit Blick auf die Finanzierung muss sich Mülheim zunächst auf ein Quartier beschränken: „Fördermittelgeber fordern ein umgrenztes Konzept“, weiß der Umweltdezernent. Und ohne Fördermittel wird es keine starken Maßnahmen zur Klimaanpassung geben. Zumindest nicht in Mülheim.