Mülheim. Die SPD tritt Mülheims Verwaltung auf die Füße, zu wenig für bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu tun. Wie das Baudezernat reagiert.
Mit Blick auf die exorbitant steigenden Lebenshaltungskosten fordert die SPD, in Mülheim mehr den Fokus darauf zu richten, wie den Menschen in der Stadt in ausreichendem Maße bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. „Leise ruht der See“, wirft SPD-Stadtrat Filip Fischer der Verwaltung, aber auch anderen Ratsfraktionen vor, sich dieser Herausforderung nicht entschieden zu stellen.
Im Planungsausschuss forderte die SPD die Stadtverwaltung auf, das „Bündnis für Wohnen“ endlich wiederzubeleben. Außerdem mahnte die Fraktion an, das zehn Jahre alte „Handlungskonzept Wohnen“ auf neuen Stand zu bringen. In dem Gutachten der Inwis Forschung und Beratung GmbH aus Bochum waren 2012 Wohnungsbaubedarfe ermittelt worden, unter anderem auch für den sozialen Wohnungsbau.
Fischer (SPD) fordert mehr Ernsthaftigkeit beim Thema „Bezahlbarer Wohnraum“
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Der Druck, zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sei aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage und der Konsequenzen daraus im Vergleich zu 2012 sicher noch größer geworden, sieht die SPD Bedarf zum Handeln. Für Menschen in prekären Verhältnissen, aber auch in mittleren Einkommensgruppen sieht die SPD eine verschärfte Situation. Ihr planungspolitischer Sprecher Oliver Willems spricht von einer „sozialpolitischen Herausforderung“ besonderer Güte für die Stadt.
Fraktionskollege Fischer will das Thema „ganz oben auf die politische Agenda“ gesetzt sehen. Dass dem Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ in Mülheim weiter nicht oberste Priorität zugemessen werde, hätten der ausgeschiedene Baudezernent Peter Vermeulen „und andere im Rathaus“ zu verantworten, appellierte Fischer an Verwaltung, aber auch Politik, den Herausforderungen endlich „mit Ernsthaftigkeit“ zu begegnen.
SPD fordert Quote für Sozialwohnungen für die „Parkstadt Mülheim“
Und etwa bei den Planungen für die „Parkstadt“ auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal, wo bis zu 800 Wohnungen entstehen sollen, der alten SPD-Forderung nachzukommen, eine Quote für öffentlich geförderten Wohnungsbau vorzuschreiben. Fischer erinnerte an einen SPD-Antrag aus dem Jahr 2017, mit dem die SPD für große Bauprojekte eine diesbezügliche Quotierung von 30 Prozent in die Diskussion gebracht hatte. Es gelte in dieser Hinsicht „einiges an Fehlern der Vergangenheit zu korrigieren“.
Tatsächlich hatte das „Bündnis für Wohnen“ letztmals im April 2021 getagt und laut Baudezernent Felix Blasch eine vergleichsweise undramatische Wohnraumsituation in Mülheim festgestellt, wenn auch bezahlbarer Wohnraum Thema sei. Blasch kündigte für das Bündnis-Format eine Wiederbelebung für das vierte Quartal an. Auch wolle er bei Inwis anfragen wegen einer Aktualisierung der Datengrundlagen für Mülheims Wohnpolitik.
Mülheims Baudezernent: Stadtverwaltung war nicht untätig
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Untätig sei Mülheim nicht gewesen, verwies der Dezernent auf die angepassten Mietobergrenzen oder auch den Klimabonus, den Mülheim als einzige deutsche Kommune gewähre. Ebenso habe das Sozialamt jüngst hervorgehoben, dass nach der Wohngeldnovelle und aufgrund der Corona-Situation deutlich mehr Haushalte Wohngeld beantragt haben und erhalten. „Viele Mülheimer Haushalte, die eine Wohnkostenbelastungsgrenze von mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens aufweisen, konnten diese Belastung mit Wohngeld unter diese Grenze reduzieren“, heißt es. Die Situation für Haushalte mit niedrigem Einkommen habe sich damit gebessert.
Blasch räumte aber ein, dass noch mal genauer hinzusehen sei, ob mehr bezahlbarer Wohnraum zu schaffen sei. Immerhin habe Mülheim den Bestand an Sozialwohnungen seit 2015 annähernd konstant bei 4900 bis 5000 halten können (2010: 5534). Im Jahr 2020 seien 48 neue öffentlich geförderte Wohnungen entstanden, in 2021 sogar 72. Aktuell investiere das städtische Wohnungsbauunternehmen SWB an der Elisabeth-Selbert-Straße in Eppinghofen. Mülheim sei auch in diesem Jahr mit einem üppigen Förderkontingent ausgestattet. Etwa stehen 6,8 Millionen Euro laut Verwaltung für den Mietwohnungsbau bereit.
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Probleme für den sozialen Wohnungsbau: Extrem steigende Bau- und Bodenpreise
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Probleme verschwieg Blasch nicht. Die stark ansteigenden Bodenwerte belasten den Bau von bezahlbarem Wohnraum. „Es muss mittlerweile in Mülheim mit rund plus 21 Prozent in 2022 von einem überdurchschnittlich hohen Anstieg der Bodenpreise gesprochen werden“, stellt die Verwaltung fest. Auch die weiter extrem steigenden Baukosten wirken hemmend.
Die Bauverwaltung sieht wegen der hohen Inflation aber tendenziell eine steigende Nachfrage nach günstigen Wohnungen. Auch steige die Nachfrage durch längerfristig oder dauerhaft bleibende Flüchtlinge aus Krisengebieten. Die bisherige Strategie der städtischen Wohnraumpolitik gelte es daher zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.
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