Mülheim. Ein Jahr nach der Gründung zieht das Mülheimer „Bündnis für Wohnen“ ein Fazit: Viel Arbeit steht bevor, damit bezahlbares Wohnen möglich wird.

Wie teuer ist das Wohnen in Mülheim und wie will die Stadt einkommensschwache Familien stärken? „Die Ausgangsbasis ist in Mülheim nicht hoffnungslos, sondern ermutigend“, zieht ein Bericht des Mülheimer „Bündnis für Wohnen“ ein Zwischenfazit. Demnach ist die befürchte Mietexplosion ausgeblieben. Allerdings, prognostiziert das Bündnis, es werde noch „viel Detailarbeit nötig sein, um dem Thema bezahlbares Wohnen gerechter zu werden“.

Denn richtig ist auch: Die Mieten sind bereits auf hohem Niveau angekommen, so hatte es 2019 eine Studie für Mülheim festgestellt: Ärmere Bürger müssen bereits mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Warmmiete ausgeben. Das vor einem Jahr ins Leben gerufene Bündnis aus Politik, Fachleuten der Wohnungswirtschaft und Institutionen, die sich mit dem Thema Wohnen beschäftigen, hat sich zum Ziel gesetzt, etwa die Stadtquartiere sozialverträglicher zu entwickeln, den sozialen Wohnungsbau zu stärken und mehr Wohnraum für Senioren, Alleinstehende und Familien mit Kindern zu entwickeln.

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Mülheimer Mieten weniger stark angestiegen als in Nachbarstädten

Doch der Weg zu bezahlbaren Wohnraum auch für Geringverdiener verspricht lang zu werden. Zumindest Grund zur Hoffnung gibt wohl der Umstand, dass die Mieten in den vergangenen vier Jahren vergleichsweise moderat um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr (6,02 auf 6,38 Euro/Quadratmeter) gestiegen sind. Das zeigte zum Jahresbeginn der qualifizierte Mietspiegel. Essen etwa liegt mit 2,2 Prozent pro Jahr deutlich darüber.

Und ein Zweites habe sich dem Bericht zufolge in Mülheim gezeigt: Die Bruttolöhne zwischen 2014 und 2018 sollen im Verhältnis stärker gestiegen sein als die Mieten, um sieben Prozent gegenüber fünf Prozent Mietsteigerung. Seit der Corona-Pandemie dürfte sich diese positive Entwicklung allerdings relativiert haben.

Baupreise und Grundstückswerte steigen deutlich an

Ausruhen auf dem optimistischen Zahlenwerk kann die Politik und Verwaltung sich also nicht. Ob aber eine Entlastung des Wohnungsmarktes allein mit mehr Geschosswohnungsbau geschaffen werden kann, erscheint zumindest für bezahlbaren Wohnraum fraglich.

Denn die Entwicklungen bei den Baupreisen und Grundstückswerten haben den Preis für Mieten besonders bei Geschosswohnungen nach oben getrieben. In guter Lage müssen Mieter mit Kaltmieten von 10 Euro/Quadratmeter rechnen. Allein die Baupreise machten 2017 einen Sprung, gegenüber 2019 stiegen sie um weitere drei Prozent.

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Einen Schub nach oben haben 2013 und auch 2018 die Bodenricht- und damit Grundstückswerte gemacht, die im Ranking der Metropole Ruhr sowohl bei Ein- und Zweifamilienhäusern als auch beim Geschosswohnungsbau weiterhin im obereren Bereich liegen. Bei Geschosswohnungen stieg der durchschnittliche Baulandpreis im Vergleich zu 2019 allein um 9,4 Prozent.

Fördern und verdichten? Welche Lösungen bleiben der Stadt?

Was den Eigentümern Zuwachs beschert, sorgt bei der Stadtentwicklung für Sorge. Handeln aber muss die Stadt, wenn sie bezahlbaren Wohnraum und damit etwas für Menschen mit geringem Einkommen schaffen will. Denn bis 2030 werden die geförderten Wohnungen weiter sinken um satte 18,1 Prozent auf 4030 Einheiten. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern. Doch hier fehlen Flächen – will man nicht weitere Grünflächen opfern.

Ein Ansatz für mehr sozialen Wohnungsbau bietet die Landesförderung. „Noch nie gab es so viel Förderung vom Land“, vermeldet der Zwischenbericht. Bei Gesamtkosten von zwei Millionen Euro soll NRW nicht nur 1,3 Mio Euro fördern, sondern nimmt für 15 Jahre keine Zinsen und gewährt zudem einen Tilgungsnachlass von 25 Prozent.

Mehr Menschen nehmen Wohngeld in Anspruch

Auch einen weiteren Ansatz schließt das Bündnis für Wohnen nicht aus, der einkommensschwachen Familien zu mehr Wohnqualität verhelfen könnte: höheres Wohngeld.

2400 Menschen nahmen es im Dezember 2019 in Anspruch. Vermutlich Corona-bedingt stieg ihre Zahl bis heute deutlich an auf mehr als 3000.

Politik zögerte bislang beim sozialen Wohnungsbau

Dennoch werden diese Mittel bislang zu selten abgerufen. Und die Lokalpolitik hat bislang – trotz eines runden Tisches – die Entscheidung vor sich hingeschoben, welchen Anteil an sozialem Wohnungsbau sie für künftige Bauprojekte vorgeben will.

Zweiter Ansatz: vorhandenen Wohnraum aufstocken. Für private Eigentümer, aber vor allem für die Wohnungsbaugesellschaften kann es sich lohnen, auf ihre bestehenden Gebäude ein oder mehrere Geschosse draufzusetzen. Eine erste Analyse des Bestands der Firma Vonovia zeige, dass es Potenzial bei insgesamt 17 Objekten gibt, was rund 68 Wohnungen zusätzlich schafft. Dieses Potenzial könnte auch bei SWB und MWB gehoben werden.

Dritter Ansatz: mehr Hinterland-Bebauung zulassen. Denn gerade im Süden der Stadt befinden sich die 1A-Lagen mit langen Grundstücken und entsprechenden Gärten. Durch Umlegung – hofft das Bündnis – können auch diese Flächen über Stichstraßen baureif gemacht werden. Sofern die Eigentümer mitspielen.