Mülheim. Zur Landtagswahl in Mülheim kämpfen zahlreiche Direktkandidaten kleinerer Parteien und Unabhängige um die Wählergunst. Hier stellen wir sie vor.
Am Sonntag steht die Landtagswahl in Mülheim an. Hier stellen wir die Kandidaten vor, die für kleinere Parteien oder auch als Unabhängige um die Gunst der Wähler werben.
Die „kleinen“ Kandidaten im Wahlkreis Mülheim I
Marc Scheffler (Die Linke) geht bei einer überregionalen Wahl zum wiederholten Mal für Mülheims Linke ins Rennen. Scheffler, Jahrgang 1996, ist Kreisschatzmeister seiner Partei und war für sie als Direktkandidat bei der Bundestagswahl 2017 angetreten; er holte 6,5 Prozent der Stimmen.
„Die vergangenen Jahre der schwarz-gelben Landesregierung waren geprägt von Rückschritten beim ÖPNV, Klima- und Umweltschutz, aber auch bei der Bildung“, sagte Scheffler nach seiner Nominierung und kündigte an, für einen Politikwechsel anzutreten. Ein Ziel dabei sei ein kostenloser Nahverkehr, dazu deutlich ausgebaut. So erklärte Scheffler die klimabewusste Mobilität zum Kernthema seines Wahlkampfes. Seit Jahren werde der öffentliche Nahverkehr in Mülheim kaputtgespart. Es brauche aber einen ÖPNV, der pünktlich komme und nicht, wie in Mülheim, „erst gar nicht“.
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In seinem Schwerpunktthema Bildung fordert Scheffler mehr Landeshilfen bei der Digitalisierung der Schulen. Ebenso seien mehr Lehrkräfte und Sozialpädagogen einzustellen. „Eine deutliche Wende“ in der Schulpolitik müsse her, um endlich Chancengleichheit zu garantieren – über mehr individuelle Hilfen, Förderung und Freiräume statt standardisierter Lernmethoden.
Andreas Preker-Frankstartete 2020 mit der Satire-Partei „Die Partei“ in den Kommunalwahlkampf. Ambitioniert wie augenzwinkernd tritt der Musiker, Webdesigner und Musikproduzent gleich als künftiger Landesvater an, der Mülheim anstelle von Düsseldorf zur Landeshauptstadt erklären will.
Viel Beachtung in der Stadtgesellschaft wie in Verwaltung und Politik hat Preker-Frank aber - ganz unsatirisch – mit der Gründung des Verschönerungs-Klubs erworben. Hier werden konkrete Verbesserungen etwa für den Rathausmarkt, den Stadtverkehr (Fahrrad und ÖPNV), die Leineweberstraße, die Entsiegelung und Begrünung der Innenstadt diskutiert und auch mit politischen Anträgen begleitet. 500 Mitglieder zählt der Klub inzwischen auf Facebook. Im Sommer will Preker-Frank eine große „Verschönerungskonferenz“ auf die Beine stellen.
Auf Preker-Franks Kappe geht ebenso die Gründung eines neuen Arbeitskreises Fahrradverkehr. Weniger inhaltlich ist der Mülheimer im Landtagswahlkampf, dafür gibt es reichlich satirische Nasenstüber: Preker-Frank fordert „mehr klimaneutrale Atombunker“, „Bildung aufrüsten“ und „blühende Landschaften. Wähle mich und alles wird gut!“
Dirk Herbert Theodor Dregenus (37) tritt unter dem Motto „Stimme für Mülheim“ als unabhängiger Kandidat an. Dregenus dient seit 2005 in der Bundeswehr, darunter zehn Jahre in der Nato. „Der Hauptgrund meiner Kandidatur ist der katastrophale Umgang der Politiker mit den Kindern und Heranwachsenden während der Pandemie“, sagt Dregenus.
Die Gesellschaft müsse sich zudem jetzt auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Da reiche es nicht, Menschen allein zum Fahrradfahren zu motivieren. Niemand dürfe Gefahr laufen, sich verschulden zu müssen, weil er das Kinderzimmer heizen müsse. Mit Blick auf das Ruhr-Hochwasser 2021 fordert Dregenus ein entschiedenes Gegensteuern und fordert zudem Antworten auf Fragen wie: Wie sieht der Umgang mit künftigen Sturmschäden aus? Was passiert bei größeren Ernteausfällen? Wie bewässern wir die öffentlichen Grünanlagen bei Dürre?
Auch positioniert sich Dregenus zur Zuwanderung. Er fordert eine „deutliche Trennung zwischen Migranten und Flüchtlingen: Deutschland und gerade wir im Ruhrgebiet benötigen eine Migration. Aber wir benötigen Fachkräfte und keine Aufnahme von Menschen in das Sozialsystem. Dies muss man öffentlich ansprechen können, ohne dass gleich der Finger erhoben wird und das Thema Faschismus genannt wird.“ Für eine verbesserte Infrastruktur in Schulen wünscht sich Dregenus mehr privates Sponsoring.
Hannes Stockert tritt für die vom Verfassungsschutz beobachtete Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) an. Der 49-jährige Energieelektroniker will sich laut WDR-Kandidatencheck dafür einsetzen, „dass viele, vor allem Jugendliche, Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Familien ihre Zukunft selber in die Hand nehmen, sich organisiert-kämpferisch zusammenschließen, mit Klarheit über die Ursachen und Perspektivlosigkeit der ganzen kapitalistischen Krisenhaftigkeit, aber auch der Möglichkeit ihrer grundlegenden, revolutionären Beseitigung mit einer sozialistischen Gesellschaftsperspektive“.
Stockert tritt nach eigenen Angaben an für eine von „Profitdiktat, Ausbeutung und Unterdrückung befreite Gesellschaft“. Eines seiner Kernanliegen ist seit jeher die Umweltpolitik. Hier spricht sich der MLPD-Mann für eine radikale Umstellung auf erneuerbare Energien ais. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe, auch die Kernenergie seien als vermeintliche Brückentechnologien entschieden abzulehnen.
Nicole Weber heißt wie schon bei der Bundestagswahl die Kandidatin der jungen Partei „Die Basis“, die wegen Äußerungen einzelner führender Mitglieder mitunter von Verfassungsschützern kritisch beäugt wird, und in der sich unter anderem Querdenker und Gegner der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen tummeln. Die Saarnerin, Jahrgang 1972, ist selbstständige Masseurin, medizinische Bademeisterin, Podologin und Kosmetikerin.
Im Bundestagswahlkampf 2021 forderte Weber, alle Corona-Maßnahmen zu beenden und auf die Eigenverantwortung der Bürger zu setzen. Als politisches Vorbild nannte sie den in der Querdenker-Szene populären Wolfgang Wodarg.
Tuncay Palta (Jahrgang 1972) tritt als unabhängiger Kandidat an und wirbt offenbar hauptsächlich in der türkischen Community um die Gunst der Wähler. Auch über sein Facebook-Profil spricht er Wähler ausschließlich in türkischer Sprache an. Nur vereinzelt sind im Stadtgebiet Plakate von ihm zu entdecken.
In der türkischen Zeitung „Post“, der nach eigenen Angaben auflagenstärksten türkischsprachigen Zeitung in Deutschland, war zuletzt ein Kandidatenprofi veröffentlicht, in dem Palta, der ein Kfz-Sachverständigenbüro betreibt, äußert, seine Politik danach ausrichten zu wollen, den Kindern „eine schöne Welt zu hinterlassen“. In Kreisen der türkischen Community wird Palta sehr kritisch gesehen, ihm wird eine Nähe zur Erdogan-Partei AKP und einer anderen türkisch-nationalistisch Gruppierung nachgesagt.
Die „kleinen“ Kandidaten im Wahlkreis Mettmann III - Mülheim II
Nina Eumann (Die Linke) tritt als einzige Mülheimerin im neuen Wahlkreis „Mettmann III - Mülheim II“ an. Soziale Ungerechtigkeit, Feminismus und Friedenspolitik nennt die 56-Jährige als drei ihrer Schwerpunkte. Politisiert wurde die Steuerfachwirtin vor allem durch die Ostermärsche in den 80er Jahren und die Gründung der PDS Mitte der 90er.
Noch immer, kritisiert die Linken-Landessprecherin, gebe es keine Bildungsgerechtigkeit. Um dem vorzubeugen, sollte man nicht bereits nach vier Grundschuljahren den Schulwechsel vollziehen: „Die Kinder sind da gerade mal zehn Jahre alt, aber hier wird schon über ihr künftiges Leben entschieden.“ Viel länger sollten die Kinder auf einer Art Gesamtschule bleiben können. Ein Fehler sei es in NRW auch gewesen, wie die Förderschulen abgeschafft worden seien: „Wir wollen eine inklusive Schullandschaft, aber mehr und spezielles Personal. So wie es jetzt ist, überfordert man alle – Kinder und Lehrer.“
Soziale Gerechtigkeit spiele in vielen weiteren Bereichen eine Rolle – etwa bei der Bezahlung von Frauen und Männern. Mit Listenplatz 3 hätte die Winkhausenerin gute Chancen, in den Landtag einzuziehen – zumindest dann, wenn die Linken die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, wonach es zuletzt laut Umfragen nicht aussah.
Sarah Burg (Die Partei) ist erst im vergangenen Jahr zur Partei gestoßen, nun tritt die Fraktionsgeschäftsführerin aus Heiligenhaus bei den Landtagswahlen an. „Wer nicht ein bisschen über unsere Wahlplakate und die Botschaft dahinter nachdenkt, der hält uns für Spinner“, das ist der 28-Jährigen klar. Slogans wie „Immerhin schönes Wetter“ oder „Ihre Meinung ist uns egal!“ machen aber auf jeden Fall aufmerksam. „Das Schöngerede anderer Parteien und die leeren Phrasen sind nicht meine Welt“, so Burg.
Realpolitische Ziele hat „Die Partei“, die von Satiriker Martin Sonneborn gegründet wurde, auch: „Wir wollen den ÖPNV stärken“, sagt Burg. Und „Der gesamte Bereich der Pflege müsste umgekrempelt werden, inklusive besserer Bezahlung für diese und weitere Berufsgruppen und einer Anpassung der Arbeitszeiten.“ Kindergeld dürfe nicht auf Arbeitslosengeld angerechnet werden – und aus persönlichen Gründen liegt Burg eine Reform des Bestattungsgesetzes am Herzen. (devo/KS/sto)