Mülheim. Die erste Mai-Kundgebung in Mülheim nach zweijähriger Corona-Pause lockte 400 Besucher zur Müga. Wofür Arbeitsminister Laumann viel Applaus bekam.
Nach zweijähriger Corona-Zwangspause ging der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bei der Wiederaufnahme seiner Mai-Kundgebung zum Tag der Arbeit neue Wege. Die Teilnehmenden starteten um 12.30 Uhr unter dem Motto: „Ge(mai)nsam“ am Rathausmarkt und marschierten von dort aus zur Müga-Drehscheibe am Ringlokschuppen. Die Polizei zählte in der Spitze 400 Veranstaltungsteilnehmer. Prominenter Gast beim Marsch und auf der Bühne: Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW.
Auf mitgeführten Transparenten waren unter anderem diese Forderungen zu lesen: „Bezahlbarer Wohnraum statt Rüstung! Nein zum Krieg! Mehr Pflegepersonal für die Krankenhäuser in NRW! Erhalt der Volkshochschule Mülheim – Bürgerentscheid endlich umsetzen!“ Eine Gruppe von Mitgliedern der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands skandierten während des Marsches zur Müga lautsprecherverstärkt: „Protest auf der Straße. Streik in der Fabrik. Das ist unsere Antwort auf eure Politik!“ Außerdem ließen sie vom Band das Arbeiterlied: „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ hören.
Am Ringlokschuppen wurde den Teilnehmern der Mai-Kundgebung nicht nur die politische Kost der Gewerkschaften, sondern auch etwas fürs leibliche Wohl aufgetischt, während der Nachwuchs auf einer Hüpfburg große Sprünge machen konnte. Neben DGB-Chef Filip Fischer, der die Veranstaltung moderierte, sprachen auch seine Stellvertreterin Katrin Schledorn, Oberbürgermeister Marc Buchholz, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Vallourec-Werks, Steffen-Lutz Wardel, die Verdi-NRW-Bezirksvorsitzende Gabriele Schmidt, die Jugendvertreter Lennert Garnhartner und Lisa Präkel, und nicht zuletzt NRW-Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
DGB-Jugendvertreter warben in Mülheim um Gewerkschaftsnachwuchs
Über gut 80 Minuten waren die politischen Forderungen zu hören, es sei denn, man saß oder bewegte sich im hinteren Bereich der Drehscheibe. Dort nahm die gesprächige Geselligkeit schnell einen Geräuschpegel an, der die politischen Inhalte fast ungehört ließ. Dabei war hörenswert, was auf der Drehscheibe besprochen wurde: Mehr gesellschaftliche Solidarität und soziale Gerechtigkeit wurden gefordert. „Wer von euch nicht Gewerkschaftsmitglied ist, sollte vielleicht heute die Gelegenheit nutzen, bei uns einzutreten und aktiv zu werden“, unterstrichen Filip Fischer und Katrin Schledorn.
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Konkret wurde es, als die beiden Jugendvertreter Lennert Garnhartner und Lisa Präkel davon berichteten, dass der jetzt auf zwölf Euro pro Stunde steigende Mindestlohn nicht für Arbeitnehmer unter 18 Jahren gelte. Außerdem seien junge Arbeitnehmer überproportional von befristeten und sozial prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Deshalb forderten sie eine gesetzliche Ausbildungs- und Übernahmepflicht der Arbeitgeber sowie die Schaffung eines Investitionsfonds, der nach dem Prinzip „Ausbilden oder zahlen!“ Investitionen in die Bildungsinfrastruktur und vor allem durch ein höheres Bafög mehr soziale Bildungsgerechtigkeit ermöglichen könne.
Wie abhängig die Stadt immer noch von Großunternehmen ist, machte der Hinweis des stellvertretenden Vallourec-Betriebsratschefs Wardel deutlich. Er wies darauf hin, dass mit einer drohenden Schließung des Stahl-Standortes nicht nur die 2600 Arbeitsplätze bei Vallourec, sondern insgesamt 10.000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten, die direkt oder indirekt mit dem Werk zusammenhängen. „Die Stahlindustrie gehört noch zu den Branchen, in denen es gut bezahlte Arbeitsplätze gibt. Außerdem wird es ohne eine starke Stahlindustrie auch keine Energiewende und keine Modernisierung, etwa der Brückeninfrastruktur, geben. Deshalb brauchen wir eine politische Lobby, die der Stahlindustrie Aufträge verschafft und sie von den steigenden Energiepreisen entlastet“, forderte Wardel.
OB Buchholz versicherte, „dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um Industriearbeitsplätze in unserer Stadt zu erhalten“. Außerdem wies er darauf hin, dass in Mülheim während der vergangenen Monate einige 100 neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor entstanden seien. Verdi-Chefin Gabriele Schmidt forderte angesichts der kriegsbedingten Folgekosten, die Inflationsverluste der Arbeitnehmer durch deutliche Lohnerhöhungen auszugleichen, die Mehrwertsteuer zu senken, die Erbschaftssteuer zu erhöhen und Vermögenssteuern einzuführen.
Viel Applaus für NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann in Mülheim
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Arbeitsminister Karl-Josef Laumann bekam viel Applaus, als er feststellte: „Da, wo es Flächen-Tarifverträge und starke Gewerkschaften gibt, gibt es auch gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Und dort, wo es beides nicht gibt, sind auch Löhne und Arbeitsbedingungen schlecht.“ Laumann ging auch auf die Kritik ein, die Landesregierung tue nicht genug für die Personalausstattung in der Pflege. „Ich weiß, dass wir zu wenig Personal in der Pflege haben. Aber ich weise auch darauf hin, dass die von CDU und FDP getragene Landesregierung dafür gesorgt hat, das Schulgeld für Pflegeschüler abzuschaffen und eine bedarfsdeckende Zahl von Pflegeschulplätzen zu schaffen, so dass wir heute in NRW 17.400 Pflegeschüler im ersten Lehrjahr haben.“
Der Maifeiertag hat eine lange Geschichte
Der Tag der Arbeit entstand am 1. Mai 1886, als Arbeiter in den USA für die Einführung des Achtstundentages und für bessere Löhne streikten. Ihr Streik wurde blutig niedergeschlagen.
Ab 1890 wurde der 1. Mai auch in Europa als Kampftag der Arbeiter gefeiert. Arbeiter, die an den Maikundgebungen teilnahmen, mussten um ihren Arbeitsplatz fürchten. Adolf Hitler machte den 1. Mai 1933 zum staatlichen Feiertag der Arbeit, zerschlug aber gleichzeitig die freien Gewerkschaften.
Am 1. Mai 1946 nahmen an der ersten Mülheimer Mai-Kundgebung nach dem Krieg 10.000 Menschen teil. Sie demonstrierten auf dem Sportplatz an der Südstraße auch für die Einführung des Achtstundentages. Damals bestand die Arbeitswoche aus sechs Arbeitstagen und 60 Arbeitsstunden.