Mülheim. Einst eines der größten Bergwerke in Mülheim, hieß es 1952 für die Zeche Wiesche „Schicht im Schacht“. Wie das Leben der Bergleute damals war.

Wer mit seinem Kumpel in Heißen über den Wiescher Weg oder durch die Mausegattsiedlung geht, bewegt sich schon auf den Spuren der Zeche Wiesche. Für ihre Bergleute hieß es am 31. März 1952, also vor 70 Jahren, „Schicht im Schacht“. Die Stilllegung von Wiesche, mitten im beginnenden Wirtschaftswunder, war ein Wetterleuchten für den Niedergang des Heißener Bergbaus.

1966 sollte Mülheim mit der Schließung seiner letzten Zeche Rosenblumendelle zur ersten zechenfreien Stadt des Ruhrgebietes werden. Heute, da kriegsbedingt um importierte Energieversorgung mit Öl und Gas zu fürchten ist, wirkt es wie eine Ironie der Geschichte, dass man vor 70 Jahren mit Wiesche Mülheims vorletzte Zeche stilllegte, weil importiertes Gas und Erdöl billiger waren als die heimische Steinkohle. Mit bis zu 130 geförderten Tagestonnen war Wiesche, deren Ursprünge bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückreichten, zeitweise die größte Zeche im Revier.

3000 Mülheimer Bergleute gab es um 1900

Seinen Ursprung hatte das Bergwerk „In der Wieschen“ im Bereich der heutigen Buggenbeck, wo man Stollen in den Berg trieb, um an das begehrte schwarze Gold zu gelangen. 1832 begann man schließlich mit den Arbeiten für den neuen Tiefbauschacht Emilie am heutigen Wiescher Weg und erweiterte das Grubenfeld bis ins Winkhauser Tal. 1861 nahm die Zeche Wiesche eine Vorreiterrolle ein, als man die erste Brikettfabrik im Ruhrgebiet in Betrieb nahm.

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Um 1900 gab es 3000 Mülheimer Bergleute, die für ihre Familien Untertage den gemeinsamen Lebensunterhalt verdienten. Damals hatten die Mülheimer Industriellen August Thyssen und Hugo Stinnes mit dem Bankier Gustav Hanau den Mülheimer Bergwerksverein als örtlichen Zechenverbund gegründet und ließen mit der Colonie Wiesche in Heißen eine Bergmannssiedlung errichten. Heute ist die Mausegattsiedlung eines der wenigen sichtbaren Erbstücke des Mülheimer Bergbaus. Die Zeche Wiesche kannte Hugo Stinnes auch von Untertage. Hier war er als Bergbaustudent um 1890 selbst als Bergmann eingefahren. Der „Kaufmann aus Mülheim“ wusste also, wie man Kohle macht.

Mülheimer Alt-Bürgermeister Günter Weber: Vater war Bergmann auf Wiesche

Der 1935 in der Colonie Wiesche an der Mausegattstraße geborene Alt-Bürgermeister und ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Günter Weber erinnert sich: „Mein 1901 geborener Vater Paul war Bergmann auf Wiesche. Die Zeche stand am gleichnamigen Weg. Während des Krieges musste er nicht zur Wehrmacht, weil er als Bergmann gebraucht wurde. Und nach dem Krieg war seine Arbeit wichtig für den Wiederaufbau. Davon haben meine Mutter Käthe, meine Brüder Paul, Kurt und ich profitiert“, blickt Günter Weber zurück und erzählt: „Als Junge bekam ich unseren Henkelmann mittags in der Zechenküche mit Suppe und Nudeln gefüllt. Außerdem erhielten wir einmal im Monat ein Care-Paket mit haltbaren Lebensmitteln. Davon haben wir damals gelebt. Außerdem bekam mein Vater jeden Monat zwei Flaschen Schnaps.“

Die Zeche Wiesche in Mülheim wurde in den 50er Jahren geschlossen.
Die Zeche Wiesche in Mülheim wurde in den 50er Jahren geschlossen. © Stadtarchiv Mülheim | Stadtarchiv Mülheim

Doch auch wenn Bergleute auf Wiesche nach dem Krieg als Wiederaufbau-Helden galten, die man mit Sonderrationen bei Laune und bei Kräften hielt, wurde ihre Zahl doch immer kleiner. 1951 wurde die Anzahl der dort arbeitenden Bergmänner von 640 auf 370 reduziert. Wiesche war nur noch eine Außenschachtanlage der Nachbar-Zeche Rosenblumendelle.

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Im Frühjahr 1952 gab es im Ruhrgebiet noch genug andere Zechen, auf denen die ehemaligen Wiesche-Kumpel Arbeit finden konnten. Doch die Schließung ihrer Zeche war eine weitere Etappe auf dem langen Abschied von der Kohle, der sich bis 2018 hinziehen sollte.

Stinnes-Konzern schloss Zeche Wiesche 1952 mangels Rentabilität

Am Tag, als der Stinnes-Konzern – mangels Rentabilität – seine Zeche Wiesche schloss, schrieb diese Zeitung: „Die alteingesessenen Heißener werden es mit einiger Wehmut zur Kenntnis nehmen. Denn schließlich haben die stählernen Fördertürme mehr als ein Jahrhundert lang das Bild ihres Stadtteiles geprägt”.

Günter Webers Vater Paul konnte an diesem Tag in Rente gehen. Als ehemaliger Bergmann bekam er monatlich seine Kohle als Deputat kostenfrei ins Haus an der Mausegattstraße 95 geliefert. „Doch das war für ihn kein angenehmer Ruhestand mehr. Denn er litt berufsbedingt an Rheuma und an einer Steinlunge“, erinnert sich der heute in Dümpten lebende Günter Weber und schildert: „Knapp zehn Jahre nach seiner Pensionierung ist er mit Anfang 60 gestorben.“

Bergbauhistorische Führung

70 Jahre nach der Stilllegung der Zeche Wiesche lädt die Arbeitsgemeinschaft Mülheimer Bergbau am kommenden Sonntag, 3. April, zu einer auf Fotos, Karten und Bergbauexponate gestützte bergbauhistorischen Führung auf den Spuren der Zechen Wiesche, Sellerbeck und Leybank ein.

Am 15. Mai bietet der Verein einen bergbauhistorischen Rundgang auf den Spuren der letzten Mülheimer Zeche Rosenblumendelle an. Und am 14. August kann man mit der AG Mülheimer Bergbau die Geschichte der Zechen Rosenblumendelle und Hagenbeck per Rad erfahren. Informationen zu den einzelnen Führungen und Möglichkeiten zur Anmeldung unter www.bergbauverein.de oder unter 02361/93 81 322.