Mülheim. Nun ist das Bewohnerparken im Mülheimer Südviertel offiziell: Die Politik weihte es am Donnerstag ein. Warum auch kritische Töne dies begleitete.
Für die einen ist es ein Durchbruch, für die anderen ein Versuch, für manche eine Verschlimmerung der Lage – für wen aber ist das neue Anwohnerparken im Südviertel die Lösung? „Es gibt keine einfache planerische Lösung zur Umsetzung der unterschiedlichen Mobilitätsansprüche“, fügte Bezirksbürgermeisterin Britta Stalleicken (Die Grünen) zur Einweihung der Maßnahme im Quartier zwischen Muhrenkamp und Paul-Essers-Straße alle Perspektiven zusammen.
Im Klartext bedeutet das: Der Weisheit letzter Schluss ist das nicht. Es soll die Parksituation für Bewohner und Gewerbe verbessern sowie die Wohn- und Aufenthaltsqualität, für weniger Falschparker sorgen und Parksuchverkehr. Der Vorteil des Testballons: Mit der neuen Regelung ist noch kein endgültiges Konzept festgelegt, sondern zunächst für ein Jahr zur Erprobung aufgestellt. „Es wird kontinuierlich beobachtet“, macht Stalleicken deutlich, dass nach der einjährigen Phase durchaus mit Modifikationen zu rechnen ist. Die SPD hatte diese Evaluation bereits zum Beschluss im August 2021 vorsorglich eingeschrieben.
Frühe Kritik der Bewohner: Neue Regelung gehe zu ihren Lasten
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Denn Kritik an der Parkscheibenregelung gab es in dieser vierjährigen Debatte vor allem von den Anwohnern, die diese überwiegend nicht wollten. „Manche sagen jetzt: Vorher konnten wir überall parken, heute nur auf der Hälfte der Stellflächen“, bestätigt Peter Pickert (SPD) aus Gesprächen mit Anwohnern des Südviertels.
Die hatten sich bereits in der vergangenen Woche zu Wort gemeldet und den auch nach der seit kurzem eingerichteten Neuregelung noch immer starken Parkdruck beklagt. Der Tenor: Die jetzige Regelung verlagere den Druck allein auf die Schultern der Anwohner. Gleichzeitig fehlten ebenso den Pendlern die Flächen. Sie suchen sich möglicherweise neue Viertel zum Umsonst-Parken, befürchtet Pickert.
Zur Ehrlichkeit gehört jedoch ebenso, dass der Parkraum vor der neuen Regelung bereits hart umkämpft war. Das hatte 2018 erst den Anstoß für die heutige Regelung gegeben. Denn jene Pendler und Innenstadtbesucher drängten in das City-nahe Viertel auf der Suche nach kostenlosem Parkraum. Und die machten es den Anwohnern schon morgens schwer, in Wohnungsnähe zu parken. Zumindest in diesem Punkt habe die neue Regelung Entlastung geschaffen, weil sie exklusiven Parkraum für die Bewohner reserviere, merkt Stalleicken an.
50-Prozent-Klausel für Bewohner-Parkplätze?
Und doch sind es zu wenige – genau genommen 197 –, gemessen an der Menge der im Viertel vorhandenen Kraftfahrzeuge: 820 zählte die Stadt, circa 623 teils private, teils städtische Stellflächen stehen ihnen jetzt zur Verfügung. 257 weitere sind von 9 bis 18 Uhr (samstags 9 bis 14 Uhr) mit der Parkscheibe nutzbar – für zwei Stunden.
Auf sie schielen Bewohner und Teile der SPD, die wollen, dass auch hier Bewohnerparken möglich wird. „Mehr ist aber rechtssicher nicht möglich“, bekräftigt Hansgeorg Schiemer (CDU) und beruft sich auf die Rechtsauskunft der Stadt. Demnach soll eine Verwaltungsvorschrift begleitend zum Paragrafen 45 Absatz 1b, Nr. 2 der Straßenverkehrsordnung festlegen, dass „innerhalb eines Bereiches mit Bewohnerparkvorrechten werktags von 9 bis 18 Uhr nicht mehr als 50 Prozent, in der übrigen Zeit nicht mehr als 75 Prozent der zur Verfügung stehenden Parkfläche für Bewohner reserviert werden“ dürfen.
Beispiel: So geht Moers seit 25 Jahren mit Bewohnerparken um
Doch wie strikt ist die Vorschrift auszulegen? Die Stadt Moers hat vor rund 25 Jahren die ersten zwei Bewohnerparkzonen eingerichtet. „Damals wie heute bestand ein hoher Handlungsbedarf, das Parken in der Innenstadt neu zu regeln“, heißt es aus Moers auf Anfrage der Redaktion. Es gilt zwar dort überall entweder der kostenpflichtige Parkschein oder die Parkscheibe, die Bewohner dürfen mit ihren Ausweisen aber dort parken.
Vergleich zur Altstadt
Kritisch schaut man vom Südviertel auf das erfolgreiche Anwohnerparken in der Altstadt. Und dass nicht nur, weil man vermutet, dass von hier die Pendler kommen, die die kostenpflichtigen Parkplätze vermeiden wollen.
Sondern auch, weil dort die Bewohner zwar nur 25 Prozent der Parkplätze (konkret 171) exklusiv zur Verfügung haben, aber zusätzlich auf weiteren 25 Prozent der kostenpflichtigen Plätze (155) parken dürfen.
Zusätzlich sind 150 Plätze sogar gänzlich ohne Bewirtschaftung bereitgestellt, lediglich 173 Plätze werden in der Altstadt ohne Ausnahme bewirtschaftet. So ergeben sich für die Altstadt-Bewohner theoretisch rund 476 unbegrenzt nutzbare öffentliche Stellflächen, von denen sie sich allerdings 300 mit Fremdparkern teilen müssen.
Dennoch profitiert die Altstadt von zwei Fakten: Erstens gibt es hier nur 794 gemeldete Fahrzeuge (Südviertel: 820), zweitens eine größere Anzahl privater Stellflächen von 451 (Südviertel 370). Die Stadtverwaltung stellt deshalb nur einen Unterhang von 17 Parkplätzen fest. Im Südviertel dagegen einen von 197.
Ignoriert die Stadt etwa frech die 50-Prozent-Klausel? Nein. Moers fährt hier ein anderes Konzept, indem die Stadt keine Bewohnerparkplätze reserviert, dafür aber überall erlaubt. Und zusätzlich Parkplätze teuer macht oder zeitlich begrenzt.
Es gebe damit genügend Parkplätze für Bewohner, wenn auch nicht immer vor der Tür. Die Stadt spricht von „Chancen“ auf einen Parkplatz, die sich für „alle Nutzenden“ erhöht habe. Fremde Dauerparker, Pendler aber habe man so aus den Vierteln verdrängt. Für einen Preis, denn man musste die Grenzen immer wieder nachziehen: Inzwischen gibt es hier neun Bewohnerparkzonen, die man „dynamisch in Abstimmung mit Bürgern“ eingerichtet habe und bisweilen auch verändern musste.
Warum Mülheim weitere Bewohnerparkzonen bevorstehen
Einen ähnlichen fortlaufenden Verdrängungsprozess in die Nachbarviertel befürchtet auch die Mülheimer Stadtverwaltung. Schon jetzt beklagen etwa Bewohner der Kaiserstraße, dass ihnen Parkraum im Südviertel durch das Bewohnerparken genommen worden ist. Denn sie zählen nicht mehr zur geschaffenen Zone. Im Umfeld der Von-Bock-Straße klagt man ebenso über höheren Parkdruck, weil auch dieser Bereich nicht zur Zone gehört. Und selbst dorthin offenbar der Fremdverkehr ausweicht.
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Und die Lösung für Mülheim? Der Mülheimer Politik schwant der noch lange Weg im Umgang mit dem platzbeanspruchenden Auto: „Wir brauchen die Evaluation“, sagt Oskar Obarowski (SPD), die Bürger sollen offen Rückmeldung geben, wo die Probleme weiterhin liegen und wo es gut laufe. Der Lokalpolitiker befürchtet, dass man um weitere Bewohnerparkzonen aufgrund von Verdrängungsprozessen nicht herumkommen werde.
„Es ist Zeit, einen tiefgreifenden Transformationsprozess einzuleiten“, meint die Grüne Britta Stalleicken, der öffentliche Raum sei knapp. „Die entscheidende Frage dabei wird sein: Wie können wir den Verkehrsraum bedarfsorientiert, gerecht, effektiv und sicher aufteilen? Wie wollen wir leben?“