Mülheim. Im nächsten Jahr will Mülheim den Umstieg von Auto auf Bus und Rad leichter machen. Zwei Mobilstationen werden gebaut. Doch es gibt auch Kritik.

Gute drei Jahre hat die Ruhrbahn zur Planung von Mobilstationen gebraucht. Jetzt stehen sie fest. An drei Standorten soll der Umstieg von Bus und Bahn zum Leihfahrrad oder sogar Leihwagen möglichst einfach werden. Im kommenden Jahr will das Verkehrsunternehmen in Saarn an der Alten Straße, Ecke Düsseldorfer Straße, und in der Broicher Mitte loslegen. Warum es so lange dauerte.

Die Frage musste sich die Ruhrbahn im Mobilitätsausschuss durchaus gefallen lassen. Denn die dritte Mobilstation im Bunde – geplant ist eine weitere an der Von-Bock-Straße – startet nicht vor 2023. Und auch die Frage, warum es nur drei geworden sind, wo doch andere Städte wie Essen und Herne stark voranschreiten wollen. Axel Hercher (Grüne) rief die Mülheimer Standorte Heißen und Sültenfuß (Styrum) in Erinnerung, die in der Vergangenheit schon zur Prüfung im Gespräch gewesen seien.

Zu wenig? Mülheim hätte laut VRR das Potenzial für 20 Mobilstationen

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Denn aus Herchers Sicht hätte Mülheim durchaus mehr Potenzial: Das scheint ein Gutachten des VRR zu bestätigen, auf das der Grüne verwies. 2020 hatte der VRR allein 20 solcher möglichen Standorte in der Ruhrstadt ausgemacht. Davon drei mit hohem Potenzial, acht mit mittlerem und neun mit geringem Potenzial.

Allerdings zeigte das Gutachten auch, dass nur gerade einmal zehn Prozent aller 630 im gesamten VRR-Gebiet positiv bewerteten Haltepunkte überhaupt ein Carsharing-Angebot besitzen. Für das Leih-Fahrrad sieht es nicht viel besser aus: Hierüber verfügen 18 Prozent der potenziellen Standorte für Mobilstationen.

Sorge ums Risiko: Carsharing-Anbieter wollen zunächst „sichere“ Standorte bedienen

Die Aufgabe, selbst die 20 aussichtsreichen Punkte in der Stadt aufzurüsten, dürfte daher keine einfache werden. Die Schwierigkeiten, solche Angebote mit dem Öffentlichen Nahverkehr zu verknüpfen, hält auch die Ruhrbahn nicht hinterm Berg: Die Carsharing-Partner seien oft nicht bereit, ins Risiko zu gehen und wollten zunächst die erwartungsgemäß lukrativen Standorte bedienen, hieß es bei der Vorstellung der geplanten Stationen im Mobilitätsausschuss.

So fand die Ruhrbahn etwa für den Standort Heißen keinen Sharing-Anbieter, der dort starten wollte. Und auch die Kosten für den Bau der Mobilstationen sind nicht unerheblich: Mit rund 356.000 Euro kalkuliert die Ruhrbahn – bei einer Förderung von 40 bis 50 Prozent – für die Standorte Alte Straße, Broicher Mitte und Von-Bock-Straße.

Aussichtsreich: Stationen in Saarn und Broich

Dabei bringen alle drei Haltestellen bereits gute Voraussetzungen mit. Sie haben jeweils eine Station des Leihfahrradanbieters „Metropolradruhr“ mit denen die Ruhrbahn auch sonst zusammenarbeitet. An der Alten Straße in Saarn gibt es ebenfalls eine Ladesäule für E-Autos. Hinzu sollen zwei Carsharing-Stellplätze kommen sowie eine überdachte Fahrradabstellanlage mit rund 18 Stellplätzen. Mit den Linien 133, 134 und 752 ist der Ort mit Saarner Kuppe, Speldorf und Innenstadt gut verknüpft.

Mobilstation schon 2018 angeregt

Noch vor der Fusion mit der Mülheimer MVG zur Ruhrbahn hatte die Essener Evag im Juli 2017 eine Mobilstation errichtet. Im April 2021 weihte die Nachbarstadt ihre fünfte in Huttrop ein.

2018 hatte die Mülheimer Straßenbahninitiative „Tram Via“ einen Bürgerantrag auf Einrichtung von Mobilstationen gestellt, der den öffentlichen Nahverkehr mit Fahrradstationen sowie dem Verleih von Rädern und Autos verbindet. Vier Standorte schlug die Initiative damals vor: Hauptbahnhof, Nordstraße, Oppspring und Heuweg oder Alte Straße.

Im Zuge von „Maßnahmen zur Senkung der verkehrsbedingten Emissionen und Immissionen“ hatte die Stadt 2018 ebenfalls drei Standorte erarbeitet: Broicher Mitte, Hauptbahnhof sowie Alte Straße/Düsseldorfer Straße. Doch bis heute hat die Ruhrbahn keinen Standort umgesetzt.

Ähnlich gut sieht es in der Broicher Mitte aus. Hier will die Ruhrbahn ebenso zwei Carsharing-Plätze nachrüsten und 14 überdachte Fahrradstellplätze aufbauen. Die Straßenbahn 102 und die Buslinien 122 und 124 stellen die nahen Anbindungen in die Innenstadt, nach Speldorf und Richtung Uhlenhorst her.

Besonders vielversprechend fürs Carsharing: Von-Bock-Straße

An der Von-Bock-Straße hingegen wird der Aufwand wohl höher werden. Deshalb richtet die Ruhrbahn hier erst einmal zwei Carsharing-Stellplätze ein, ohne dafür bauliche Maßnahmen zu ergreifen. In einem zweiten Schritt schafft sie 14 überdachte Fahrradabstellplätze. Metropolräder gibt es auch hier bereits. Verknüpft sind damit die Linien U18 und der Bus 753. Aus Sicht der Ruhrbahn sei diese Station ein Prototyp für einen „urbanen Standort“ und wegen des hohen Parkdrucks und der Wohndichte im Viertel besonders gut zum Umstieg auf das Carsharing geeignet.

Doch können Mobilstationen zum Umstieg vom eigenen Auto auf Bus, Fahrrad oder Leihwagen animieren? Die Erfahrungen aus Essen zeigen, so die Ruhrbahn, dass deutlich mehr Menschen Carsharing nutzten, wenn es nah und verfügbar sei. Auch das Rad werde häufiger genutzt, wenn an den Mobilstationen überdachte Abstellplätze vorhanden seien.

Kritik am Auto-Verleihsystem: „nicht innovativ genug“

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Kritisch allerdings sehen manche das angebotene Auto-Verleihsystem. Denn den Wagen kann man nur genau dort wieder abgeben, wo man ihn auch entliehen hat. Ein sogenannte Freefloating-System (freefloating = fließendes), bei dem man das Fahrzeug in einem bestimmten Gebiet abstellen kann – und wie es etwa bei E-Scootern existiert –, wird es nicht geben. Ein solches stationsungebundenes System ist etwa in Bremen eingeführt.

Kein Freefloating-System? Die FDP meldete eine Reklamation der Mobilstationen an. Sie seien einfach „nicht innovativ genug“, kritisierte der Fraktionsvorsitzende Peter Beitz: „Die Menschen wollen nicht nur dorthin fahren, wo sie wollen, sondern auch den Leihwagen dort abgeben können, wo sie hinfahren.“

So waren es am Ende auch die Liberalen und die AfD, die gegen die geplanten Mobilstationen stimmten. Die Mehrheit des Mobilitätsausschusses stimmte jedoch den drei Standorten zu.