Mülheim. Noch bevor die Politik ihre Lösung gegen den Parkdruck im Mülheimer Südviertel feiern will, gibt es Ärger. Warum die Debatte nicht vorbei ist.

Noch ist das jahrelang umkämpfte Anwohnerparken im Südviertel offiziell noch gar nicht eingeweiht. Eine Feier dazu plant die Politik erst für die kommende Woche. Und doch könnte der bereits schwelende Unmut im Veedel den „Machern“ einen ordentlichen Schwups Wasser in die Champagnerschalen gießen. Denn der Parkdruck hat sich verlagert: auf die Schultern der Anwohner. Und nicht wenige sind sauer.

Schuld daran hat eine Feinheit, die die Verwaltung der Politik als Kompromiss nach jahrelanger Streiterei im August 2021 servierte: Etwa 50 Prozent der Stellflächen im Viertel sollten den Fremdparkern gehören und mit Parkscheiben geregelt werden. Schon damals war abzusehen, dass damit schon rein rechnerisch etwa 200 Parkplätze weniger für die Anwohner bereitstünden als laut Zählung der Stadt notwendig wären.

Mangel an Bewohnerparkplätzen im Mülheimer Südviertel war früh deutlich

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370 private Stellplätze zählte die Stadt, 253 wolle man daher für Anwohner einrichten, 257 mit Parkscheibenregelung. Dabei hatten schon die Zählungen der Stadt 820 Anwohnerfahrzeuge registriert – also deutlich mehr, als man bereitstellen wollte.

Diese Kröte aber schluckte die Politik, CDU und Grüne sprachen gar von einem „gelungenen Durchbruch“, der sei allerdings – so räumte Hansgeorg Schiemer damals in der Bezirksvertretung 1 ein – „etwas verkleinert“ gegenüber dem Entwurf, der in einer Bürgerversammlung 2018 noch vorgestellt worden war.

Diese vermeintlich kleine Lücke von knapp 200 Stellflächen macht sich aber nun bei der Umsetzung umso deutlicher bemerkbar. Denn seit Jahresbeginn stehen die Schilder fürs Anwohnerparken auf der einen und die für die Parkscheibenregelung auf der anderen Seite. Und schon „kebbeln“ sich Bewohner tagsüber um die verbleibenden Plätze.

Anwohner kritisiert Parkscheibenregelung: Alle zwei Stunden das Auto bewegen?

Jörg Strackbein, den wie viele andere die Pandemie ins Homeoffice manövrierte, hat das Problem buchstäblich vor Augen: 16 Parkplätze sind auf der rechten Seite seines Abschnitts der Kämpchenstraße für Anwohner – voll besetzt. Circa 21 links sind mit Parkscheibe geregelt. Dort sind noch einzelne Plätze frei, „aber dann müsste ich mein Auto alle zwei Stunden bewegen, sonst gibt’s ein Knöllchen“ – das könne kaum im Sinne der beabsichtigten Lösung sein, sagt der Diplom-Geologe, der an der Uni Duisburg-Essen arbeitet.

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Das Bild von vollen Bewohnerplätzen einerseits und in Teilen freien Fremdplätzen andererseits zeigt sich an diesem Donnerstagmittag ebenso in den Nachbarstraßen. „Klar“, meint Strackbein einsichtig, „auch die Anwohner mit zum Teil zwei Autos sind Teil des Problems – wir gehören auch dazu.“

Doch die nun eingerichtete Lösung verschärfe die Lage noch weiter zuungunsten der Anwohner und würde nun, vermutet Strackbein, zu weiteren Verdrängungen von Parksuchverkehren in andere Viertel führen. „Grundsätzlich brauchen wir bessere und günstigere Angebote im öffentlichen Nahverkehr, damit mehr Menschen vom Auto umsteigen“, sagt der Wissenschaftler.

SPD-Politiker fordert ein Nachbessern wie in der Altstadt

Für Klaus Konietzka, Anwohner und ehemaliger Leiter des Sozialamts (SPD), ist die Diskussion um das Anwohnerparken im Südviertel „noch lange nicht beendet“. Er bestätigt, dass die beschlossene Variante zur Verknappung von Parkraum führe: „Mich erreichen seit Einführung große Unmutsbekundungen.“

Parkscheibenregelung hoch umstritten

Seit die Parkscheibenregelung im Südviertel gegen das Anwohnerparken ins Spiel gebracht wurde, ist sie hoch umstritten. Das Gerücht, dass diese durch Intervention des Polizeipräsidenten beim zuständigen Dezernenten eingebracht wurde, hört man auch heute noch unter den Anwohnern.

In einer Umfrage durch die Stadt im Vorfeld des nun geltenden Beschlusses hatten sich 84 Prozent der befragten 157 Haushalte gegen die Einführung der Parkscheibenregelung ausgesprochen. Die meisten sahen in erster Linie darin keine Verbesserung ihrer Parksituation. Lediglich 13 Haushalte hatten sie befürwortet, zwölf zeigten keine eindeutige Haltung dazu.

Die Verwaltung reagierte verstimmt und vermutete damals, dass ein Positionspapier der SPD im Vorfeld der Befragung die Meinung der Bürger beeinflusst habe.

Schon zum Beschluss im August hatte die SPD „spontan“ die Klausel einer Evaluation nach einem Jahr hinzugefügt. Der Genosse will allerdings so lange gar nicht abwarten: „Der Frust schon nach zwei Monaten ist groß. Wir sollten schnell nach einer Lösung suchen.“

Diese liegt bereits zum Greifen nah. Denn in der Altstadt, wo das Anwohnerparken seit rund sieben Jahren besteht, gilt eine Regelung, dass alle Anwohner mit Parkausweis ebenfalls in den Parkscheinzonen stehen dürfen. Die sind im Gegensatz zu der kostenlosen Parkscheibenregelung im Südviertel kostenpflichtig. Aus Konietzkas Sicht müssen die Anwohner in der Altstadt und im Südviertel dennoch gleich behandelt werden.

Ob die Verwaltung da ebenfalls mitzieht? Sie hatte vorausahnend im vergangenen August verbal den Riegel vorgeschoben: Eine Ausweitung des Bewohnerparkens komme nicht infrage, denn es seien ja freie Parkplätze in zumutbarer Entfernung vorhanden. Zudem soll die Straßenverkehrsordnung es nicht erlauben, die Anwohner weiter zu privilegieren, indem man ihnen mehr als die Hälfte der Parkplätze zuweist.