Mülheim. Kein Parkkonzept, kein Parkhaus: Das Anwohnerparken im Mülheimer Südviertel steckt in der Sackgasse. Nun kommt eine Idee der Bürger ins Spiel.

Das Parkkonzept der Stadt auf Eis gelegt, der politische Vorstoß für ein Parkhaus an der Südstraße abgewatscht – das Anwohnerparken zwischen Muhrenkamp und Paul-Essers-Straße steckt nach zwei Jahren noch immer planerisch in der Sackgasse. Ein Vorschlag aus der Bürgerschaft könnte wieder Bewegung hinein bringen: Jürgen Bohlmann glaubt, dass eine einfache Umstellung der Parkplätze von längs auf schräg kurzfristig allein rund 100 zusätzliche Stellflächen bringen könnte.

56 Parkplätze für 102 Wohneinheiten

Einige Straßen im Viertel böten Platz für schräges Parken, so könnten mehr Stellplätze etwa an der Paul-Essers-Straße, Von-Bock- und Kämpchenstraße entstehen.
Einige Straßen im Viertel böten Platz für schräges Parken, so könnten mehr Stellplätze etwa an der Paul-Essers-Straße, Von-Bock- und Kämpchenstraße entstehen. © FUNKE Foto Services | Diego Tenore

Das wäre für das verkehrsgeplagte Viertel bereits eine schnelle Entlastung. Wie unzureichend das Verhältnis von Wohnungen und Stellplätzen hier seit Jahren ist, zeigt ein Beispiel gleich an Bohlmanns Wohnstätte. Gut 102 Wohneinheiten hat das Hochhausensemble mit dem Nachbargebäude an der Kaiserstraße. Gerade einmal 56 Parkplätze bietet die dazugehörige Tiefgarage. Ähnliche Verhältnisse bestünden für die 100 MWB-Wohnungen an der Paul-Essers-Straße.

Die Verwaltung müsste ein Konzept erstellen, nach dem an geeigneten Straßen Längsparkplätze quer angeordnet werden, fordert Bohlmann auf. Oft brauche es dafür nicht viel mehr als einen Eimer Farbe, entsprechende Schilder und in manchen Fällen einen Teil des Bürgersteigs.

Auf Stippvisite durchs Viertel

Der 85-Jährige hat als ehemaliger leitender Angestellter bei Karstadt einen geübten Blick für effiziente Anordnungen auf vorhandenen Verkaufsflächen. Auf Stippvisite durch das Viertel fallen ihm gerade die Bürgersteige auf. An etlichen Stellen scheinen sie viel zu breit angelegt : „Zählen Sie doch mal, wie viele Leute dort entlang gehen“, fordert Bohlmann etwa an der Von-Bock-Straße und Oberstraße vor der Realschule auf. Am Freitagvormittag reicht dafür eine Hand.

Sicher: Nach den Ferien sind hier deutlich mehr Fußgänger unterwegs, doch selbst wenn Autos nur so tief auf dem Bürgersteig parkten, wie die Baumscheiben oder Laternen den Gehweg blockieren, wäre immer noch ausreichend Platz, dass Kinderwagen oder Rollstühle vorbei kämen. Statt aktuell sechs parkender Autos aber könnten in gleicher Länge zehn stehen.

Zahl der Parkplätze könnte um ein Drittel steigen

Anwohner Jürgen Bohlmann.
Anwohner Jürgen Bohlmann. © FUNKE Foto Services | Diego Tenore

Bohlmann rechnet jedoch bei seinen Überlegungen konservativ: ein Drittel seien es im Durchschnitt mehr. Ähnliches Potenzial sieht er an der Kämpchenstraße vor dem Skaterplatz und an vielen Stellen der Gaußstraße, Adolfstraße, Eduardstraße, Paul-Essers-Straße. Denn immer wieder stößt er auf breit angelegte Bürgersteige, die zum Teil überwuchert sind, weil sie augenscheinlich nicht genutzt werden.

Auch manche Grünflächen wie jene an der Ecke Von-Bock-Straße, Kämpchenstraße würde Bohlmann für Parkfläche opfern. Und das Stadtklima? „Was ist der größere ökologische Schaden: weniger Wiese oder aber weniger rumkurvende Autos?“, erwidert Bohlmann – und damit weniger Schmutz und Lärm.

Bereits 2013 hatte der rührige Bürger seine Vorschläge als Bürgerantrag in der Bezirksvertretung 1 gestellt. Dabei besitzt der 85-Jährige nicht einmal ein Auto. Die Reaktion: „Es wurde mehr darüber geredet, was man nicht machen kann, als was gemacht werden könnte“, schildert Bohlmann.

Stadt beruft sich auf die Reichsgaragenordnung von 1939

Reichsgaragenordnung erlaubt Nachbesserung

(1) „Wer Wohnstätten, Betriebs- und Arbeitsstätten [...] errichtet, [...] hat für die vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Bewohner, des Betriebes und der Gefolgschaft Einstellplatz in geeigneter Größe [...] auf dem Baugrundstück oder in der Nähe zu schaffen.“

(3) „Durch Ortssatzung kann für das ganze Gemeindegebiet oder für Teile bestimmt werden, dass auch bei bestehenden Wohnstätten, Betriebs- und Arbeitsstätten [...] Einstellplatz nach Abs. 1 gefordert werden kann, wenn auf dem Grundstück die benötigte Fläche in geeigneter Lage und Größe vorhanden ist.“

Die sechsseitige Niederschrift vom 31. Januar 2013 bestätigt seinen Eindruck. „Der Nachweis der Stellplätze sei seit Inkrafttreten der Reichsgaragenordnung vom 7.2.1939 mehr oder weniger kontinuierlich sichergestellt“, wehrte die Verwaltung Bohlmanns Hinweis ab, das Verhältnis von Wohnungen und Stellplätzen sei aus dem Ruder gelaufen. Und räumt gleichzeitig ein, dass die jeweiligen Bauvorschriften „von den tatsächlichen Fahrzeugzulassungsquoten in den vergangenen Jahrzehnten ,überholt wurden’“ und tatsächlich Straßen eine „Bebauung ohne private Stellplätze aufweisen“. Die „Parknot“ aber sei „ein räumlich und/oder zeitlich beschränktes Phänomen“.

Das „Phänomen“ aber besteht nunmehr seit Jahren. Bohlmann fordert daher eine Anpassung der Rechtsgrundlagen für Stellplätze auf Basis der Reichsgaragenordnung. Die würde sogar zulassen, dass Stellplätze auch bei bestehenden Gebäuden nachträglich nachgewiesen werden müssen. Mit schrägen Stellplätzen könnte die Politik zumindest kurzfristig Entlastung schaffen. Bohlmann begegnet der bisherigen Zurückhaltung der Politik feinsinnig: „Wichtig ist die Einführung des Soeder-Effekts bei den Politikern.“