Mülheim. Sturm Zeynep hält Mülheim in Atem. Auf der Heimaterde stürzte ein Baum auf Mehrfamilienhäuser. Ein Zwischenbericht auch zur Hochwasserlage.

Gegen 15.30 Uhr sind die ersten heftigen Sturmböen über die Stadt gefegt. Auf der Heimaterde stürzte ein Baum auf Häuser.

Die Lage um 23.47 Uhr: Die Feuerwehr meldet am Abend bis 21.45 Uhr rund 80 Einsätze. Mehrere Bäume seien auf Häuser, Autos oder Straßen gestürzt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es glücklicherweise keine Verletzten zu beklagen. Die Feuerwehr gibt die höchste an der Wache gemessene Windgeschwindigkeit mit 103 Stundenkilometer an.

Die Lage um 21.15 Uhr: Die vorhergesagte Beruhigung der Lage ist eingetreten. Vor 45 Minuten hatte der Deutsche Wetterdienst die Orkan-Warnung für die Region aufgehoben. „Der Wind lässt deutlich nach“, sagt Feuerwehr-Chef Sven Werner. Man hoffe nun, bis Mitternacht mit den letzten Einsätzen durch zu sein. Als letztes größeres Ereignis meldet die Feuerwehr einen umgestürzten Baum an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Winkhausen. Er landete auf einem Auto. 83 Einsätze zählt die Feuerwehr seit den Nachmittagsstunden.

Die Lage gegen 20.15 Uhr: Feuerwehr-Chef Sven Werner bilanziert bis jetzt 70 Einsätze seiner Truppen, rund 50 seien abgearbeitet. Bäume stürzten in Gärten, auf Straßen, in einem Fall auf der Heimaterde (siehe weiter unten) auch auf Häuser. Kurzzeitig mussten Straßen gesperrt werden, so am Oemberg in Saarn. Zur Tagesschau-Zeit hatte Werner nach vielen Versuchen ein Gespräch mit dem Meteorologen vom Dienst des Deutschen Wetterdienstes. „Wir gehen aktuell davon aus, dass sich die Lage in der nächsten halben Stunde entspannt, der Wind soll deutlich abnehmen“, so Werner um 20.15 Uhr.

Der Feuerwehr-Chef hatte nach den ersten Sturmböen, die gegen 15.30 Uhr über die Stadt hinweg rauschten, über „vermehrt Einsätze“ berichtet. „Der Wind ist einmal kräftig durchgefegt“, sagte er bei einem ersten Telefonat mit der Redaktion. Allein von zehn umgestürzten Bäumen wusste die Feuerwehr da schon. Gegen 17.40 Uhr zog Werner ein nächstes Zwischenfazit: 20 Einsätze seien abgearbeitet, man sei fortlaufend beschäftigt, sei aber weiter in der Lage, zeitnah die Einsatzstellen anzusteuern. „Die Lage ist für uns momentan gut beherrschbar.“

An der Kappenstraße in Mülheim-Winkhausen ist dieser Baum umgestürzt.
An der Kappenstraße in Mülheim-Winkhausen ist dieser Baum umgestürzt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

An der Kappenstraße haben die Bewohner der dortigen Mehrfamilienhäuser aber Glück gehabt. Direkt aufs Haus ist der umgestürzte Baum nicht gefallen. Knapp vor der Fassade des Flachdach-Baus ist er zum Liegen gekommen. Wohl nur einige Teile sind auf Balkonen gelandet. Vor Ort war gegen 16.40 Uhr ein Bewohner gerade dabei, seinen Balkon aufzuräumen. Der Baum ist aber auf einem Hintereingang zum Haus zum Liegen gekommen.

Baum verfehlte Haus an Mülheims Kappenstraße nur um Zentimeter

„Ach du Scheiße“, sagt ein Passant. Ansonsten ist es fast menschenleer auf der Grünfläche zwischen den Häusern. Ein Anwohner steht vor der Tür und raucht eine, schaut sich den Baum an. Feuerwehr habe er nicht gerufen. „Das sollen andere machen.“ Zwei andere Anwohner reagieren genauso. Ihnen sei das nicht so wichtig, ob ein Baum umgefallen ist, sagen sie. Hätte ja nichts getroffen.

Anwohnerin Susanne Goede-Sahin wohnt in Haus 109. Sie sagt: „Der Baum ist einfach umgekippt, ganz leise. Das hat man nicht gehört. Die Hausverwaltung ist informiert. Zum Glück ist niemandem etwas passiert. Der Baum hat ja nur ganz leicht einen Balkon gestreift. Hoffentlich bleiben die anderen beiden Bäume stehen.“

Riesiger Baum umgestürzt: Auf der Heimaterde evakuiert die Feuerwehr Häuser

An der Buschkante auf der Heimaterde ist derweil ein Baum mitten auf Häuser gestürzt. Anwohner hätten um 15.19 Uhr die Feuerwehr gerufen, berichtet deren Zugführer Udo Terschüren vor Ort. Mehrere Häuser (Hausnummern 17-31) hat die Feuerwehr evakuieren lassen. Vor Ort sagen Feuerwehrkräfte, dass sie mit ihren Möglichkeiten den Baum nicht wegräumen könnten. Das sei ein Fall für einen professionellen Baumdienst.

Schlimm getroffen hat es Anwohner an der Buschkante auf Mülheims Heimaterde. Dort mussten Häuser evakuiert werden. Weitere Bäume drohen umzustürzen
Schlimm getroffen hat es Anwohner an der Buschkante auf Mülheims Heimaterde. Dort mussten Häuser evakuiert werden. Weitere Bäume drohen umzustürzen © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Straße ist gesperrt. Rotes Absperrband flattert im Wind hin und her. Die Feuerwehr sieht die Gefahr, dass weitere Bäume im Umfeld aus dem Boden gerissen werden und auf Häuser stürzen. Pkw sind beschädigt. Anwohner bringen ihre Wagen in Sicherheit.

Baum fällt auf Wohnhäuser: „Es ist zum Glück niemand verletzt worden“

Ein hinten stehender Baum auf der anderen Straßenseite ist umgekippt und hat einen vorderen Baum mitgerissen, der auf die beiden Häuser gestürzt ist (Nr. 25 und 27). Das Dach und die Fassade sind beschädigt. „Es ist zum Glück niemand verletzt worden“, sagt Feuerwehrmann Terschüren. „Wir haben alle angetroffen bis auf einen Bewohner, der am Wochenende nicht zu Hause ist.“ Das Ordnungsamt will die Anwohner informieren, wann sie wieder in die Häuser können.

Florian Hirz wohnt in Nummer 25 und ist direkt betroffen. Er hatte keine Zeit mehr, seinen Koffer zu packen, sondern ist sofort rausgerannt. „Man hat gehört, dass etwas wegfliegt und dann war es wie ein Erdbeben. Alles hat vibriert“, erzählt er.

Ehepaar klagt Stadt an: Die Bäume hätten schon längst gefällt sein müssen

Ein Ehepaar aus einem evakuierten Haus berichtet, dass sie sich seit Jahren mit Stadt und Waldbesitzer streiten. Sie hätten schon lange Angst gehabt, dass so etwas passiert, und hoffen, dass nicht noch mehr Bäume umkippen. „Einige Bäume haben Pilzbefall. Die müssten schon längst gefällt worden sein. Aber weder Stadt noch Waldbesitzer fühlen sich zuständig, so dass bisher nie etwas unternommen wurde“, sagt Wolf Umar.

Einsatzkräfte der Mülheimer Feuerwehrmänner bei ihrem Einsatz auf der Heimaterde, wo Ein Baum auf Häuser gestürzt war.
Einsatzkräfte der Mülheimer Feuerwehrmänner bei ihrem Einsatz auf der Heimaterde, wo Ein Baum auf Häuser gestürzt war. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Sein Haus ist nicht direkt betroffen. Er hatte Zeit, zwei große Koffer zu packen und kommt mit seiner Frau jetzt bei Bekannten unter. Sie ärgern sich, dass sie noch nicht darüber informiert worden sind, wann sie wieder in ihr Haus zurück können.

Mindestens 15 Anwohner stehen am späten Nachmittag geschockt am Unglücksort und organisieren, wer wo unterkommen kann. Viele fahren jetzt zu Bekannten. Oben an der Straße stehen die Anwohner mit der Feuerwehr. Unten arbeitet nach kurzer Zeit schon eine Baumfirma aus Kettwig. Die Baum-Experten müssen eventuell noch mehr Bäume fällen, damit sie nicht auch noch umkippen.

Mülheims Feuerwehr hat massiv Einsatzkräfte aktiviert

Die Feuerwehr hatte Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr aktiviert, ebenso dienstfreie Kollegen der Berufsfeuerwehr. „Wir arbeiten die Einsatzstellen jetzt nach und nach ab“, so Feuerwehr-Chef Werner am Nachmittag. Zum Glück hatten sich drei Brandalarme als Fehlalarm herausgestellt. Sie hatten die Leitstelle der Feuerwehr fast zeitgleich am Nachmittag erreicht. Brandmeldeanlagen hatten Alarm geschlagen.

Leser berichten: Flachdach am Hafen zerstört, ein Garten als „Schlachtfeld“

Ein Leser berichtet, dass im Gewerbegebiet am Hafen, genauer: an der Ruhrorter Straße, ein Flachdach „die heftigen Böen nicht überlebt“ habe. „War schon gruselig“, schreibt Michael Backsteegen via Facebook. „Der Garten meiner Mama sieht aus wie ein Schlachtfeld“, berichtet eine andere Nutzerin von der Salierstraße in Broich über mehrere entwurzelte Bäume. Ein anderer berichtet, dass das Corona-Schnelltestzentrum bei Siemens am Hafen schließen musste. Das Zelt habe dem Sturm nicht standgehalten.

Warnung: Sturmböen mit bis zu 120 km/h in Mülheim

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Der erste Sturm hatte sich am Nachmittag schnell gelegt, Mülheims Feuerwehr blieb aber gewappnet für die nächste Sturmwelle. Sturmböen von bis zu 120 Kilometern, also heftiger als in der Nacht zum Donnerstag, wurden zunächst gar bis nach Mitternacht erwartet. Nach lediglich rund 20 kleineren Einsätzen bei der vergangenen Sturmwelle blieb Mülheims Feuerwehr daher in voller Alarmbereitschaft.

Insbesondere sieht die Stadt weiterhin die Gefahr umstürzender Bäume. Gerade Flachwurzler wie etwa Pappeln seien gefährdet, weist Stadtsprecher Volker Wiebels darauf hin, dass die durchnässten Böden ihnen womöglich nicht mehr genug Halt gäben, um dem Sturm zu trotzen. Bürgerinnen und Bürger sind weiter zu großer Vorsicht aufgerufen.

Hochwasser an Mülheims Ruhr: Leinpfad gesperrt

Die Stadt hat derweil wegen Hochwassers den Leinpfad gesperrt. Am Donnerstag war der Wasserstand der Ruhr gestiegen, Mülheims Leinpfad zum Teil überflutet. Daher ist laut Mitteilung der Stadtverwaltung am Freitagmorgen die Hochwasserstufe 1A ausgerufen worden. Die Sperrung am Leinpfad betrifft laut Verwaltung folgende Bereiche: Mendener Straße / Im Körfken, Mendener Straße /Wetzkamp, In der Heil und Mulhofs Kamp. „Wir werden die Kontrollpunkte weiter im Auge behalten“, so Stadtsprecher Volker Wiebels.

Stadt Mülheim: Hochwasser-Entwicklung hängt von Ausmaß der Regenfälle ab

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Am Mittag sagte Wiebels auf Anfrage, dass das Tiefbauamt über das Wochenende sämtliche Hochwasser-Kontrollpunkte an der Ruhr im Blick halten und regelmäßig abfahren werde, um notfalls weitere Bereiche entlang des Flusses abzusperren.

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Ein Hochwasser wie im Juli 2021 erwartet die Stadt nicht. Die Entwicklung werde maßgeblich davon abhängen, wie viel Regen in den kommenden Tagen falle, so Wiebels. Die Stadtverwaltung halte ständigen Kontakt zur Hochwasser-Zentrale NRW.

Am Abend sagte Feuerwehr-Chef Werner, dass man von weiter steigenden Pegeln derzeit nicht ausgehe. Er ordnete die Lage als „unkritisch“ ein: Beim Juli-Hochwasser seien rund 1000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch das Flussbett gerauscht. Am Freitag seien es in der Spitze 330 Kubikmeter gewesen. Kritisch werde es erst ab 700 bis 750 Kubikmeter.

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Tipps bei Sturm und Orkan

  • Zuhause bleiben: Versuchen Sie, Verabredungen oder Termine zu verschieben und, falls es möglich ist, Home-Office-Regelungen in Anspruch zu nehmen.
  • Fenster und Türen: Fenster und Türen schließen und Fahrzeuge nach Möglichkeit nicht unter Bäume stellen.
  • Bewegliche Gegenstände sichern: Sichern Sie bewegliche Gegenstände im Außenbereich gegen Sturmböen, beispielsweise Fahrräder, Gartenmöbel oder Mülltonnen.
  • Vorsicht beim Betreten von Wäldern und Grünanlagen in der kommenden Woche: Auch nach einem Sturm besteht dort die Gefahr, von herabstürzenden losen Ästen oder umgeknickten Bäume verletzt zu werden. Befolgen Sie die Anweisungen der Stadt Bochum und informieren Sie sich vorab, ob ein Betreten sicher ist.
  • Vorkehrungen prüfen: Muss Ihr Lebensmittelvorrat aufgefrischt werden? Haben Sie ausreichend Ersatzbatterien für Ihre Taschenlampe? Versuchen Sie dringende Besorgungen zu erledigen, bevor das Unwetter beginnt.
  • Keine Sicherungsarbeiten: Nehmen Sie während des Sturmes keine Sicherungsarbeiten im Freien vor.
  • Bei Schaden: Bei einem eingetretenen Schadensereignis rufen Sie über den Notruf 112 die Feuerwehr und halten Sie das Telefonat möglichst kurz.

Diese zehn Tipps gibt der ADAC Autofahrern:

  • 1. Auf nicht unbedingt notwendige Fahrten verzichten
  • 2. Defensiv fahren und Geschwindigkeit reduzieren
  • 3. Beide Hände ans Lenkrad und volle Konzentration auf die Straße
  • 4. Ablenkungsquellen wie Musik ausschalten und nicht telefonieren
  • 5. Mehr Zeit für die Fahrt einplanen
  • 6. Kontrolliert gegenlenken, wenn das Auto von einer Böe erfasst wird
  • 7. Baumreiche Strecken meiden
  • 8. Auf Brücken und in Waldschneisen Hinweisschilder beachten
  • 9. Besondere Vorsicht beim Überholen von Lkw und Bussen
  • 10. Dachboxen aufgrund der Sturmanfälligkeit abbauen

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