Mülheim. Sebastian Fiedler war Mülheims Wahlsieger bei der Bundestagswahl. Wie der SPD-Politiker seinen Einstieg als Bundestagsabgeordneter erfahren hat.

Angekommen in Berlin? Diese Frage will er noch nicht abschließend beantworten, sagt Sebastian Fiedler, der sich bei der Bundestagswahl für die SPD im Wahlkreis Mülheim/Essen I das Direktmandat mit einem deutlichen Vorsprung vor Astrid Timmermann-Fechter (CDU) und Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne) gesichert hatte. Erst jetzt, im Januar, beginnt die eigentliche Arbeit in den Ausschüssen im Bundestag. Klar ist für Fiedler, dass er nun an politischer Stelle thematisch dort weiter macht, wo er als Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter über Jahre tätig war.

Blickt er zurück aufs abgelaufene Jahr, das proppevoll mit Wahlkampf war und der Zielsetzung folgte, bei der Bundestagswahl möglichst hoch zu punkten, sagt Sebastian Fiedler: „Es war eindrucksvoll im Wortsinn. Im Leben habe ich noch nicht in so komprimierter Zeit so viele Eindrücke sammeln können – das ist wirklich das Geschenk eines Wahlkampfes. Dessen war ich mit vorher nicht bewusst.“ Letztlich ist es ihm geglückt, er hat hoch gepunktet, die SPD hat in Mülheim wieder die 30-Prozent-Marke genommen – am 26. September konnte der SPD-Kandidat Sebastian Fiedler seinen Genossen Arno Klare beerben. „Am nächsten Tag bin ich direkt in den Zug nach Berlin gestiegen“, blickt der 48-Jährige auf seinen Einstieg in die Bundespolitik zurück. Gelegenheit, um durchzuatmen, hatte der SPD-Mann erst an den Weihnachtsfeiertagen, erzählt er.

Arbeit in den Ausschüssen im Bundestag beginnt nun erst richt

Erst jetzt, im Januar, haben die Bundestagsausschüsse ihre Arbeit aufgenommen. „Vorher war viel Konstituierung der Fraktionen und Konstituierung der Ausschüsse“, beschreibt Fiedler die erste Zeit in der Hauptstadt – nun aber stehe man in den Startlöchern, die Stimmung sei gut. Bei den Ausschüssen, denen er nun im Bundestag angehört, habe sich seine absolute Wunschkonstellation ergeben, sagt Sebastian Fiedler: Er ist Vollmitglied im Innenausschuss sowie im Rechtsausschuss und darüber hinaus stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuss.

Zur Person: Sebastian Fiedler

Sebastian Fiedler, geboren 1973 in Herdecke, ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Fünf Jahre lang war er Mitglied des Ortsvereinsvorstands der SPD Dülmen und dort ein Jahr lang Mitglied des Stadtrates.

Nach dem Abitur hat er zunächst eine Ausbildung zum Polizeimeister gemacht, dann an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW studiert und als Ermittler für Wirtschaftskriminalität beim Landeskriminalamt NRW gearbeitet.

Beim Bund Deutscher Kriminalbeamter war er in den vergangenen zwölf Jahren in unterschiedlichen Funktionen tätig – seit 2014 als Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender, seit 2018 als Bundesvorsitzender. Dieses Amt hat Fiedler zugunsten seines Platzes im Bundestag als Abgeordneter abgegeben.

„Der Innenausschuss bearbeitet ja nicht nur die typischen Polizeithemen, das ist nur ein Ausschnitt“, schildert der 48-Jährige, der bis 2021 Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter war. Hinzu kämen Themenfelder wie gesellschaftliche Vielfalt, Religionsausübung und etwa Katastrophenschutz. „Da diese nicht in meinem vorherigen Kernbereich liegen, hoffe ich, dass ich dort Themen bearbeiten werde, die ich schon mitbringe – eben die polizeilichen Themen.“ Ähnlich verhalte es sich im Rechtsausschuss: „Der umfasst eine riesige Bandbreite und ist fast immer mitberatend. Dort werde ich versuchen, mich vorwiegend um Strafrecht, Prozessrecht und um Fragen der Wirtschaftskriminalität zu kümmern.“ Die Stellvertretung im Finanzausschuss passe zu seinem thematischen Portfolio, weil eines seiner Kernthemen auch Geldwäsche sei, skizziert Fiedler.

Fiedler über die AfD: „Ich bin der Auffassung, dass es sich dabei Extremisten handelt.“

Live miterlebt hat Sebastian Fiedler auch das Gerangel darum, dass die AfD den Vorsitz in den Ausschüssen für Entwicklungsarbeit, für Gesundheit und fürs Innere übernehmen sollte, die AfD-Kandidaten für die Vorsitzposten letztlich aber nicht gewählt wurden. „Insbesondere Gesundheits- und Innenausschuss sind natürlich hochproblematisch bei der AfD. Der Innenausschuss deshalb, weil ich die Auffassung vertrete, dass es sich bei den AfD-Vertretern auch schon um Extremisten handelt, die eigentlich Gegenstand der Arbeit des Innenausschusses sind und beim Gesundheitsausschuss sind sie Teil dieser ganzen Anti-Corona-Mythen-Verbreitungsmaschine“, sagt Fiedler dazu.

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Zur Verunsicherung in der Gesellschaft, zu den gefühlten Rissen zwischen Impfbefürwortern und den Gegner der Corona-Maßnahmen, sagt Fiedler: „Es sind viel zu wenige dafür, um von einer Spaltung zu sprechen. Die Spaziergänger, die montags durch Mülheim ziehen, sind nur ein Krümel der Bevölkerung, dem man gar nicht so viel Aufmerksamkeit schenken sollte.“ Gleiches gelte für den selbst ernannten Coronasaurus, meint der SPD-Politiker, denn: „Er ist ja nicht gewählter Repräsentant dieser Gruppe, nur weil er die Demos anmeldet.“

Sebastian Fiedler hatte im Wahlkampf viele bekannte SPD-Köpfe nach Mülheim geholt, darunter den heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach sowie Sigmar Gabriel und Martin Schulz.
Sebastian Fiedler hatte im Wahlkampf viele bekannte SPD-Köpfe nach Mülheim geholt, darunter den heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach sowie Sigmar Gabriel und Martin Schulz. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

In Mülheim sei der Anteil der Rechtsextremen bei den Montagsspaziergängen im Vergleich zu anderen Ruhrgebietsstädten minimal, sagt der ehemalige Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, mahnt aber: „Die Treiber werden uns erhalten bleiben, sie werden sich neben den klassischen Rechtsextremen etablieren. Und bei vielen, die da noch nicht mitlaufen, bleibt vielleicht ein Zweifel hängen – darin sehe ich das Kernproblem.“ Nicht nur die Diskussion über eine Impfpflicht schlage den Bogen nach Berlin.

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Noch übernachtet Sebastian Fiedler im Hotel, wenn er in Berlin ist

Sich im Neuland Bundestag zurechtzufinden, dabei helfen Sebastian Fiedler etwa die Büroleiterin, die auch schon bei seinem Vorgänger Arno Klare im Einsatz war, sowie ein weiterer langjähriger Büroleiter, den er von einer anderen Abgeordneten, die auch aus Altersgründen aufgehört hat, übernommen hat. „Die beiden aus sehr erfahrenen Teams kennen die Strukturen und Abläufe, das ist sehr hilfreich“, sagt der Abgeordneten-Neuling und fügt hinzu: „Es hat aber auch Runden gegeben, in denen die erfahrenen Abgeordneten ein paar Stunden investiert haben, um ihre Kenntnisse weiterzugeben.“ Als Student unterstütze auch der Mülheimer Filip Fischer Fiedlers Team, der sich um den Social-Media-Bereich kümmert.

Noch übernachtet Sebastian Fiedler im Hotel, wenn er in Berlin ist. „Wir wollen in aller Ruhe gucken, wo wir eine Wohnung suchen, in der übrigen Zeit pendle ich von Viersen aus – etwa auch nach Mülheim, um zu gucken, was im Wahlkreisbüro los ist“, erzählt Fiedler. Sein Zuhause, das seiner Familie, zu der neben seiner Frau und der erwachsenen Tochter auch zwei Hunde aus dem Tierheim gehören, liegt nach wie vor am Niederrhein. Die Hauptstadt aber gefalle ihm durchaus: „Ich mag den Kontrast zwischen Berlin, dem Ruhrgebiet und dem Ländlichen zuhause in Viersen.“