Mülheim. Fortschritte gibt es, doch Zeitplan und Budget der Arbeiten am Mülheimer MPI sind nicht zu halten. Das Institut sucht das Gespräch mit Anwohnern.
36 Monate sind die Bauarbeiten am Max-Planck-Institut (MPI) für chemische Energiekonversion bereits im Verzug. Und auch das Budget wird voraussichtlich weit überzogen: Aus anfänglich vorgesehenen 38 Millionen Euro sind schon jetzt über 60 Millionen Euro geworden, sagt die Technische Betriebsleiterin, Kerstin Neurieder.
Lieferengpässe durch Rohstoffknappheit und die Corona-Pandemie sowie stark gestiegene Materialkosten seien mitursächlich für die Misere. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: Das neue Bürogebäude kann wohl Anfang 2022 bezogen werden. Dass endlich zusammenwächst, was zusammengehört, macht auch die seit wenigen Tagen begehbare Brücke zwischen altem Hauptgebäude und neuem Trakt deutlich.
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Für die Kollegen aus dem Einkauf ist es ein spannender Termin: Erstmals sehen sie am Donnerstagmorgen ihre neuen Büros. Mit Plastiktütchen über den Schuhen, damit der frische Parkettboden geschont wird, laufen sie in luftiger Höhe durch den Verbindungsgang und betreten den intern „Gebäude A“ bezeichneten Komplex. Sie werden zu den Ersten gehören, die dort einziehen. Noch sitzen sie im alten Haupthaus – aber leider genau dort, wo bald massive Abrissarbeiten starten. Damit sie in Ruhe arbeiten können, wenn der Altbestand überarbeitet wird und das Elektronenmikroskopgebäude sowie ein Verbindungshaus errichtet werden, finden sie Obdach im Neubau. Später sollen sie zurückziehen, berichtet Kerstin Neurieder.
Das Auffälligste am neuen Bürohaus im Mülheimer Kahlenbergviertel ist der Lichthof
Das Auffälligste am neuen Bürohaus ist der Lichthof mit Glasdach, der sich mitten im Gebäude vom Erdgeschoss bis zum Dach hochzieht. Von dort fällt viel Licht in die Großraumbüros, die sich auf allen drei Etagen befinden. Auch Einzelbüros für Gruppenleiter gibt es, Technik- und Seminarräume. Die Inneneinrichtung dürfte bald fertig sein: Schreibtische sind da, aber noch nicht ausgepackt, Regale aufgebaut, aber noch leer.
Wände, Decken, Treppenhäuser bestehen größtenteils aus Sichtbeton, was beim Rundgang nicht jedem gefällt: „Sieht ein bisschen aus wie im Parkhaus“, findet ein Besucher. Auch die Betriebsleiterin kann sich vorstellen, dass die großen, grauen Flächen nicht auf Dauer groß und grau bleiben: An mancher Stelle sei ein Anstrich denkbar, an anderer moderne Kunst oder ein Werk lokaler Graffitikünstler. „Wir haben viele Ideen.“ Unten im Lichthof, wo Richtung Stiftstraße künftig der Haupteingang mit Karusselltür sein wird, soll auf dem Beton über mehrere Quadratmeter eine LED-Leinwand angebracht werden, „für Vorträge und ähnliches“.
In Teeküchen, auf Türen und Büroschildern findet sich die jeweils gleiche Farbe wieder
Farbe ins Haus bringt auch ein neues Leitsystem, das sich durch jede Etage zieht. In Teeküchen, auf Türen und Büroschildern findet sich die jeweils gleiche Farbe wieder: Kiwigrün im Keller, Aubergine im Erdgeschoss, Rot im ersten Stock, Safrangelb im zweiten und Blau im dritten. Damit es in den Büros nicht zu laut wird, wurden die Decken mit Akustiksegeln ausgestattet. Als „Energieeffizienzmaßnahme“ habe man sich für eine Betonkernaktivierung entschieden, die ähnlich wie eine Fußbodenheizung funktioniere, sowie für Heiz- und Kühldecken, so Neurieder.
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Schreibtisch-Arbeitsplätze für insgesamt 130 Mitarbeiter wurden geschaffen. Vorgesehen ist, dass das Team von Prof. Dr. Walter Leitner, der die Abteilung Molekulare Katalyse leitet, hier bald einzieht. Und eines Tages auch das Team von der vierten Direktorin oder dem vierten Direktor. Noch allerdings sei nicht bekannt, wer das ist, so Esther Schlamann aus der MPI-Pressestelle. „Das Berufungsverfahren läuft.“
Die Cafeteria im Erdgeschoss soll ab 2022 zum allgemeinen Treffpunkt werden
Die Cafeteria im Erdgeschoss, die zurzeit noch sehr nach Baustelle aussieht, soll ab 2022 ein Treffpunkt werden – für Mitarbeiter, aber durchaus auch für Anwohner und andere Bürger. Rund 70 Stühle an Vierer-Tischen wird es im Inneren geben und auf der kleinen Terrasse vor der Tür weitere rund 20. Kaffeeautomaten werden aufgestellt. Belegte Brötchen, Salate, Kuchen und andere Snacks kommen aus der Kühltheke. Denkbar ist laut Neurieder auch, dass in der kleinen Küche weitere Speisen zubereitet werden.
Nach neuer Schätzung enden die Bauarbeiten Ende 2023
Ende 2023 werden die Bauarbeiten am MPI für chemische Energiekonversion nach aktueller Schätzung der Technischen Betriebsleiterin abgeschlossen sein – und damit mehr als zehn Jahre nach den ersten Planungen von Neurieders Vorgänger Willi Schlamann. Die Öffentlichkeit dürfe sich schon auf die feierliche Eröffnung freuen, verspricht dessen Nichte Esther Schlamann.
Noch aber ist der Weg weit: Das neue Bürogebäude ist längst noch nicht abgenommen, auch am benachbarten Laborgebäude wird noch hantiert. Zudem muss das so genannte Physikgebäude, das für Ausstehende das Hauptgebäude ist, auf den gleichen Stand gebracht wie die Neubauten. Unter anderem wird die Brandmeldeanlage ausgetauscht und das Schließsystem für die Türen. Auch das Werkstattgebäude nebenan, das seit rund einem Jahr bezogen wird, ist noch nicht fertig eingerichtet.
Der letzte große Bauabschnitt beginnt, sobald das Büro- und das Laborgebäude fertig sind und der Umzug vieler Kollegen starten kann. Dann ist der Weg frei für den Rückbau des alten, laut Neurieder „maroden“ Laborgebäudes, die Schadstoffsanierung und den anschließenden Abriss. Mitte 2022 soll es soweit sein. Abschließend entsteht hinter dem Physikgebäude das Elektronenmikroskopgebäude und ein Verbindungsbau mit mehreren Büros.
Der Austausch mit den Nachbarn ist den Institutsmitarbeitern ein besonderes Anliegen. Die Geduld mancher Bewohner des Kahlenbergviertels geht langsam zu Ende – viel zu lang ziehen sich die Bauarbeiten hin, sagen einige. Und haben nicht ganz Unrecht, räumt Neurieder ein. Man liege deutlich hinter dem Zeitplan, habe das neue Bürogebäude schon 2019 beziehen wollen und nicht erst im ersten Quartal 2022.
Anwohner klagen über „Dreck, Lärm und Parkplatznot“
Bei einer Bürgerversammlung Ende August, an der rund 50 Leute teilgenommen haben, mussten sich Neurieder und ihre Kollegen Klagen über „Dreck, Lärm und Parkplatznot“ anhören. Sie hat Verständnis für vieles, „es tut uns auch wirklich leid“. Alle Beteiligten seien daran interessiert, dass die Arbeiten nun schnell zu Ende gehen, auch die Baufirmen versuchten längst, „Unmögliches möglich zu machen“. Vor allem beim letztgenannten Beschwerdepunkt steht laut Neurieder bald eine Entlastung an: „Der Mitarbeiter-Parkplatz an der Kluse wird bis Weihnachten fertig.“ Rund 90 Fahrzeuge können dort abgestellt werden.
Wer das MPI für chemische Energiekonversion, das mittlerweile rund 300 Mitarbeiter hat, näher kennenlernen möchte, kann unter info@cec.mpi.de einen Termin für einen Rundgang vereinbaren. In coronabedingt kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten könne man sich den Technikbereich ansehen, wissenschaftliche Abteilungen oder Werkstätten, so Esther Schlamann. Die unmittelbare Begegnung, so hofft Kerstin Neurieder, wird „Vorbehalte abbauen und Ängste nehmen“. Und vielleicht stellt sich gar so etwas wie Stolz bei manchem Besucher ein: Auf dem Kahlenberg sei „Spitzenforschung“ zu Hause.