Mülheim. Robert Schlögl hat am Max-Planck-Institut die Katalyse erforscht, mit der man Wasserstoff gewinnt. So könnte Mülheim Wind und Wasser nutzen.
Energiewende und Klimaschutz könnten in Mülheim schneller vorankommen als vermutet und sogar ohne viel Umrüstung. Wasserstoff ist dafür ein Schlüssel, glaubt Robert Schlögl. Der geschäftsführende Direktor des Mülheimer Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion verriet in einem Interview nun seinen Ansatz, wie die Stadt ihre Klima-Bilanz deutlich verbessern kann.
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Die Überraschung schon vorweg: Die in der Stadt noch immer stark vertretene Stahlindustrie spielt für Schlögls Ansatz zumindest im ersten Schritt keine Rolle. Nicht, dass es nicht wünschenswert wäre, die für den Stahl benötigte Energie mit Wasserstoff zu erzeugen. Doch der Einsatz der eher geringen Menge an so genannten grünem Wasserstoff, den die Stadt derzeit herstellen kann, lohnt an dieser Stelle kaum.
Energiewende für Mülheim auf 16 Seiten dargelegt
Wobei: „Grün“ ist Wasserstoff selbst natürlich nicht, sondern nur die Form der Erzeugung, eben mit regenerativen Energien. Dabei wird Strom benötigt, um handelsübliches Wasser mittels Katalyse in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Schlögl ist sich sicher: „Wasserstoff wird die Grundlage des gesamten Weltenergiesystems Erde werden in den nächsten 20 Jahren.“ Um aber nicht schädlicher zu sein als fossile Energieträger, – mit Kohlestrom würde die Herstellung von Wasserstoff fast doppelt so viel CO2 emittieren als durch Erdgas – muss er mit regenerativen Mitteln erzeugt werden. „Grün“ eben.
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Allerdings hat die Ruhrstadt derzeit nicht viel an regenerativen Energien vorzuweisen: Noch immer fehlt eine gesamtstädtische Strategie und ein aktueller Energetischer Stadtentwicklungsplan, um etwa Strom für Wasserstoff in ausreichender Menge zu erzeugen. Auch die bisherigen Projekte für den Einsatz von Wasserstoff in der Stadt sind Leuchttürme geblieben: 2017 etwa zerschnitt OB Ulrich Scholten ein himmelblaues Band und eröffnete damit eine Wasserstoff-Tankstelle am Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum. Doch mehr wurde daraus nicht.
Dabei hat die Stadt die Expertise direkt nebenan: Das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion baut gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin, dem Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und CatLab eine Forschungsplattform für die Katalyse auf, um Innovationssprünge in der Wasserstoff-Forschung zu erreichen. Schlögl selbst hat die „Eckpunkte für eine zukünftige Energieversorgung“ auf rund 16 Seiten dargelegt („Energie. Wende. Jetzt.“).
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Mit Windkraft kann Mülheim Wasserstoff gewinnen
„Wir beschäftigen uns seit vielen Jahren mit der Umwandlung von Molekülen und der Wechselwirkung von freien Elektronen, das ist ein vornehmer wissenschaftlicher Ausdruck für elektrischen Strom, mit Molekülen. Damit kommt man automatisch zu Energiespeicherprozessen und wie man neue Brennstoffe macht“, erläutert Schlögl, der nun auch stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Wasserstoffrats ist, im Online-Interview. Die Stadt hat aus ihrem heimlichen Innovationsstandort bislang kaum Kapital geschlagen.
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Dabei hätte Schlögl für Mülheim auch einen Ansatz im Gepäck: „Die Stadt hat ein Windrad, das man nicht immer ins Netz einspeisen, sondern für Wasserstofferzeugung nutzen kann“, schlägt er vor. Das sei zwar nicht ökonomisch, aber dennoch sinnvoll, „weil der Wasserstoff dazu verwendet werden kann, bestimmte Anwendungen fossiler Energien zu ersetzen“. In der Stahl-Industrie wäre diese Energie nur der sprichwörtliche Tropfen, doch in der Mobilität könnte dieser Tropfen mehr bewegen.
Wasserstoff sinnvoll, um synthetischen Brennstoff herzustellen
Schlögl ist „erklärter EU-Fan“
Um die Energiewende umzusetzen, brauche es ein übernationales Organisationsschema, ist der Wissenschaftler Robert Schlögl überzeugt, der sich zum Interview im blauen Kapuzenpulli mit gelben Sternen zeigt: „Ich bin ein erklärter EU-Fan, wohl wissend, dass die EU keine besonders hervorragende Organisation ist, aber unter allen schlechten die beste, die wir uns vorstellen können.“
Robert Schlögl, 1954 in München geboren, ist Chemiker und Katalyseforscher. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Thema „Grüner Wasserstoff“. Schlögl studierte Chemie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und promovierte 1982. 1989 habilitierte er an der Technischen Universität Berlin und wurde im gleichen Jahr Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Seit 1994 ist Schlögl Direktor am Fritz-Haber-Institut und Honorarprofessor an der TU Berlin, seit 2011 Gründungsdirektor und geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim.
Wenn auch nicht – wie zu vermuten wäre – in Form von Wasserstoff-Fahrzeugen: „Es wäre sinnvoll, darüber nachzudenken, wie man Wasserstoff zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe verwenden kann, um Lastkraftwagen und Omnibusse mit ,grüner Energie’ fahren zu lassen, ohne dabei gleich die gesamte Flotte in Brennstoffzellenfahrzeuge umrüsten zu müssen“, hält Schlögl auf diese Weise schnellere Ergebnisse für eine Energiewende möglich.
„Wir müssen uns bewusst sein, dass wir die De-Fossilisierung des Energiesystems sehr schnell vorantreiben müssen. Wir sollten möglichst viel von unseren jetzigen Infrastruktur benutzen und möglichst schnell die maximale Menge von erneuerbarer Energie überall im Energiesystem investieren. Das kann man lokal in der Mobilität ganz gut machen.“