Mülheim. Zu den Gewinnern bei der Bundestagswahl in Mülheim zählen neben den Sozialdemokraten auch die Grünen. Die CDU muss Verluste einstecken.

Die SPD hat in Mülheim bei der Bundestagswahl wieder an Stärke hinzugewonnen und ihr historisch schlechtestes Bundestagswahlergebnis in der Ruhrstadt aus dem Jahr 2017 hinter sich gelassen. Das Rennen um das Direktmandat hat SPD-Mann Sebastian Fiedler für sich entscheiden können – deutlich vor Astrid Timmermann-Fechter (CDU) und Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne).

Kein spannender Dreikampf, nicht einmal ein ernstzunehmendes Duell entwickelte sich am Sonntagabend im Wettbewerb um das Direktmandat für den Bundestag im Wahlkreis Mülheim-Essen I. Mit deutlichem Abstand auf die Kontrahentinnen von CDU und Grünen löste SPD-Kandidat Sebastian Fiedler das Ticket nach Berlin.

Auch interessant

Sebastian Fiedler (SPD) gewinnt das Direktmandat mit großem Abstand

Bei noch zwei auszuzählenden Stimmbezirken von insgesamt 218 lag der SPD-Mann am Abend mit 36,3 Prozent deutlich vorn. Während sich sein Vorgänger Arno Klare vor vier Jahren nur relativ knapp mit 3,6 Prozentpunkten Vorsprung gegen Astrid Timmermann-Fechter von der CDU hatte durchsetzen können, setzte Fiedler mit einem Vorsprung von satten zwölf Punkten auf Timmermann-Fechter ein Ausrufezeichen. Die CDU-Kandidatin holte mit knapp 24 Prozent mehr als neun Prozentpunkte weniger als noch 2017 und muss mit Platz 10 auf der Landesliste ihrer Partei erneut um den Einzug in den Bundestag bangen. 2017 hatte sie es knapp nicht geschafft.

Hier zum Nachlesen: Unser Liveblog zur Bundestagswahl in Mülheim

Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne) kommt auf keinen Fall in den Bundestag, ihr Listenplatz und ihr Ergebnis (14,2 Prozent) reichen nicht aus. Anders als bei der OB-Wahl vor einem Jahr erreichten auch die „Kleinen“ wie der parteilose Horst Bilo (1,6 Prozent) oder Pascal Plew (Die Partei, 2,1 Prozent) keinen Überraschungserfolg.

Auch interessant

Ausgelassene Freude sieht anders aus: Fabian Jaskolla (Vorstandssprecher), Kathrin Rose (Vorstandssprecherin) und Franziska Krumwiede-Steiner (r.) mit ihrem Ehemann bei der Grünen-Wahlparty im Restaurant Ronja. Als alle Hoffnung geplatzt war, war die Enttäuschung groß.
Von Von Deike Frey, Mirco Stodollick, Marcel Dronia, Anna Pahl

Grüne legen in Mülheim um satte 8,4 Prozentpunkte zu

Auch wenn es für die grüne Bundestagskandidatin nicht für einen Einzug in Berlin gereicht hat, legen die Grünen nach Zugewinnen mit am stärksten zu. Stadtweit verbuchen sie ein Plus von 8,4 Prozentpunkten und holen 15,8 Prozent der Stimmen. In ihrem traditionell stärksten Stimmbezirk am Kahlenberg räumten die Grünen 22,6 Prozent der Stimmen ab.

Hier trennen sie nur wenige Prozentpunkte von SPD (26,6) und CDU (26,0). Am schlechtesten schnitten die Grünen im Wahlbezirk Dümpten-Nordost ab. Hier holte die SPD mit 36,3 Prozent die meisten Stimmen. Apropos SPD – die Sozialdemokraten dürfen sich als Sieger des Wahlabends feiern. Stadtweit können die Genossen 32,4 Prozent der Stimmen für sich verbuchen und fahren ein Plus von 4,2 Punkten ein.

Auch interessant

Mülheims SPD-Parteichef Bakum: „Wir haben jetzt eine neue Zeit“

Das beste Ergebnis heimsten die Sozialdemokraten im Wahlbezirk Dümpten-Süd ein – dort holten sie SPD 41,4 Prozent. „Für uns ist klar: Wir haben die Wahl gewonnen, wenn man bedenkt, wo wir vor Wochen standen“, zieht SPD-Parteichef Rodion Bakum eine Bilanz von Wahlkampf und Wahlabend.

Den SPD-Erfolg vor Ort mache er definitiv auch an der Kandidatur Fiedlers fest, ebenso an den Wahlkämpfern, „die noch einen Meter mehr gegangen sind, noch eine Haustür weiter, weil sie gesehen haben, da liegt was in der Luft“, so Bakum. Das gute Abschneiden der SPD im Bund führt er auf Kanzlerkandidat Olaf Scholz zurück, aber auch darauf, dass die SPD diszipliniert aufgetreten sei, und in einem Prozess über Jahre ein Programm geschmiedet habe, in dem viel Glaubwürdigkeit stecke, weil Personen und Programm eins seien.

Auch interessant

SPD-Mann Sebastian Fiedler wird von seiner Frau Sina zum Einzug in den Bundestag beglückwünscht. Er hat sich bei der Bundestagswahl gegen die Kandidatinnen von CDU und Grünen durchgesetzt.
Von Katja Bauer, Marcel Dronia, Deike Frey, Anna Pahl und Mirco Stodollick

CDU büßt in Mülheim 4,6 Prozentpunkte ein und landet nur auf Platz 2

„Wir haben jetzt eine neue Zeit“, sieht Bakum die Tiefpunkte seiner Mülheimer SPD bei den Wahlen seit 2017 überwunden. Es sei „schön zu sehen, dass unsere Arbeit Früchte trägt“. Viele in Mülheim hätten die SPD schon totgesagt, auch die schwarz-grüne Ratskoalition habe deutlich gemacht, ohne die SPD auskommen zu können. Das sei mit diesem Abend widerlegt. „Die SPD lebt“, sagte Bakum. Hoffnungen der politischen Mitbewerber, auch bei einer Bundestagswahl die Führungsposition in der Stadt einzunehmen, hätten sich „in Schall und Rauch aufgelöst“.

Verluste einstecken musste hingegen die CDU. Stadtweit fährt sie ein Minus von 4,6 Prozentpunkten ein und kommt auf 23,8 Prozent. In ihrem stärksten Bezirk Speldorf-Süd schneidet die CDU mit 32,3 Prozent annähernd doppelt so stark ab wie in ihrem schwächsten Bezirk Dümpten-Süd mit 16,0 Prozent. Hier hatte die CDU bei der Bundestagswahl 2017 noch 22,3 Prozent der Stimmen erhalten. Im Bezirk Dümpten-Süd hat wiederum die SPD mit 41,4 Prozent ihr stärkstes Ergebnis eingefahren. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2017 verbuchte die SPD hier 38,2 Prozent für sich.

Auch interessant

Mülheimer Blicke waren gebannt auf Berlin gerichtet

Die Blicke am Wahlabend richteten sich insbesondere aber auch nach Berlin, wo das Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und CDU für große Spannung sorgte. Als die ersten Prognosen auf den Bildschirmen erschienen, war es bei der CDU, die im Ruhrkristall zusammengekommen ist, sehr ruhig. Auch bei der SPD, die bei Püngel & Prütt in der Innenstadt zusammengekommen war, herrschte zunächst Mucksmäuschenstille. Erster Jubel brannte erst auf, als die Genossen auf das ZDF umschalteten, in dessen Prognose die SPD zwei Punkte vor der SPD lag.

Sowohl die AfD als auch die FDP und insbesondere die Linken verloren Stimmenanteile. Während die Auszählungen noch im Gange waren, war die AfD in einem Stimmbezirk von Styrum-Süd gar bei 20,8 Prozent gelandet. Letztlich pendelte sich das Ergebnis im Wahlkreis im Laufe des Abends aber bei 12,0 Prozent ein. In weiteren fünf Wahlbezirken (Styrum-Nord, Dümpten-Süd und -Nordost sowie Dümpten-Styrum und Heißen-Mitte) holte die AfD über zehn Prozent der Stimmen. Am schwächsten schnitt sie in den Wahlbezirken Kahlenberg (3,4 Prozent), Holthausen-Süd (4,7 Prozent) und Saarn-Zentrum (5,4 Prozent) ab. Stadtweit kommt die AfD auf 7,1 Prozent der Stimmen – 2017 hatte sie noch 11,4 Prozent erreicht.

Auch interessant

AfD-Chef: In den starken Bezirken sind wir noch stärker geworden und in den schwachen schwächer

Ein kräftiger Verlust, den der Kreisvorsitzende und Spitzenkandidat Alexander von Wrese so kommentierte: „Wir hatten schon immer Schwankungen in unseren Ergebnissen. In den starken Bezirken sind wir noch stärker geworden und in den schwachen schwächer.“

Zu den Verlieren muss sich auch die FDP zählen, die vor vier Jahren mit 12,9 Prozent als drittstärkste Kraft zurückgekommen war. Am gestrigen Wahltag reichte es bei den Liberalen nur für 11,6 Prozent. Die FDP erreichte in Holthausen-Süd mit 14,9 Prozent ihr stärkstes Ergebnis, blieb aber auch dort fast sechs Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 2017.

Lesen Sie auch: Bundestagswahl: Grüne und FDP sind jetzt die Kanzlermacher

Christian Mangen (FDP) will das Abschneiden seiner Partei nicht schlechtreden

Weitere 14-Prozent-Ergebnisse fuhr die FDP in Speldorf-Süd, in Saarn-Süd/Selbeck/Mintard, Speldorf-Nordwest und Saarn-Siedlungen ein. Schwache Ergebnisse rechts der Ruhr, insbesondere im Norden der Stadt, verhinderten aber ein besseres Gesamtergebnis für die Liberalen, die sich noch 2017 auf der Sonnenseite wähnten. Trotzdem zeigte sich Parteichef Christian Mangen zufrieden, zumal die FDP Mülheim im parteiinternen Vergleich im Ruhrgebiet wieder ein überdurchschnittliches Ergebnis eingefahren hatte. „Das kann man dann auch nicht schlechtreden“, so Mangen, der sich am Abend glücklich zeigte, in Mülheim noch vor der AfD gelandet zu sein.

Große Verluste einstreichen musste im Vergleich zu 2017 auch die Linke, die jetzt nur auf 3,3 Prozent kam (2017: 7,4 Prozent). Die Enttäuschung saß entsprechend tief bei Parteisprecherin Andrea Mobini. „Wir sind fassungslos, aber es lag nicht an den Personen, die hier angetreten sind. Die Streitereien in der Bundes- und in der Landespartei bekommt die Öffentlichkeit mit“, bilanzierte sie am Abend den Wahltag.