Mülheim. Eliseo Maugeri ist mit 18 Jahren bereits Mülheimer Bundestagskandidat der Partei „Die Linke“. Warum er antritt und welche Themen ihn antreiben.

Wenn Eliseo Maugeri am kommenden Sonntag zur Bundestagswahl geht, ist es nicht nur das erste Mal in seinem Leben – der 18-Jährige steht auch gleich mit seinem Namen auf dem Stimmzettel als Mülheimer Bundestagskandidat der Partei „Die Linke“. Wie hoch seine Chancen sind? Gemessen an der vergangenen Kommunalwahl 2020 bescheiden: 2,7 Prozent holte damals seine Partei. Wo der junge Durchstarter dennoch punkten will.

Authentizität ist Maugeris großes Pfund

Seine Themen, die regelmäßig Schlagzeilen machen: das Klima, die Bildung, gesellschaftliche Diskriminierung. Doch Authentizität ist Maugeris höchstes Pfund: Als Sohn einer italienischen Migrantenfamilie hat er sich von der Hauptschule bis zum Abitur hochgearbeitet. Der Vater arbeitet als städtischer Friedhofsgärtner, die Mutter in der Eisdiele. Klassisch.

„Meine Eltern müssen hart für ihr Geld arbeiten. Man hat mir damals eine Rechenschwäche diagnostiziert und wollte mich auf eine Förderschule schicken. Ohne Lehrerinnen und Lehrer, die an mich geglaubt haben, hätte ich es bis zum Abi nicht geschafft“, sagt Maugeri. Und hängt flüssig das umstrittene Gender-Sternchen stets mit dran. Die Wertschätzung, auch die sprachliche, sind ihm wichtig.

Beeindruckender Aufstieg: Maugeri ist gerade einmal vor einem Jahr Mitglied der Linken geworden. Der Kreisverband aber schenkt dem Abiturienten bereits das Vertrauen.
Beeindruckender Aufstieg: Maugeri ist gerade einmal vor einem Jahr Mitglied der Linken geworden. Der Kreisverband aber schenkt dem Abiturienten bereits das Vertrauen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Für Maugeri sind gleiche Bildungsvoraussetzung und soziale Gerechtigkeit wichtig

„Gleiche Bildungsvoraussetzung für alle – das ist eine gesellschaftliche Aufgabe und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“, weiß der junge Linke daher nicht nur aus dem Parteiprogramm der Linken. Wie Corona diese Ungleichheiten zutage gebracht hat, wie das Bildungssystem jahrelang die Digitalisierung an Schulen verschlafen hatte, erfuhr er hautnah als Schüler: „Es gab anfangs kein Wlan, kaum jemand wusste, wie Zoom-Meetings funktionieren, man musste deshalb für sich allein am Schreibtisch seitenweise Aufgabenblätter abarbeiten, es gab kaum Feedback“, zählt er die Probleme aus der Praxis auf.

Als Bezirksschülervertreter in Essen setzte er sich für die Interessen Lernender ein. Auch in Klimafragen kann Maugeri mit ,Street Credibility’ – Glaubwürdigkeit – punkten: Vor gut zwei Jahren stieg er bei der Mülheimer Fridays-for-Future-Gruppe ein, organisierte die Demonstrationen mit und hielt den Kontakt zur Polizei. Das war die Zeit, als der heute 18-Jährige politisch aktiv wurde, wenn auch noch nicht parteilich organisiert.

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Klimakosten: „Wir wollen diejenigen in Verantwortung nehmen, die hohen Ausstoß verursachen“

„Die Auswirkungen der Klimakrise sind mir im Unterricht in der neunten Klasse bewusst geworden. Vieles an politischem Versagen etwa beim Klimaschutzgesetz hat mich so aufgeregt, dass ich das unbedingt auf die Straße bringen wollte“, meint Maugeri. Nicht nur die Klimaneutralität deutlich vor 2045 ist ihm wichtig, ,sozial-ökologisch’ müsse der Klimaschutz auch werden, damit weniger vermögende Familien wie auch seine nicht abgehängt würden.

Also keine CO2-Steuer für alle, fordert der junge Linke parteikonform, dafür sollen höhere Steuerabgaben für Großkonzerne den Klimaschutz finanzieren: „Der Markt allein regelt das nicht, sonst wäre es längst passiert. Wir wollen klar diejenigen in Verantwortung nehmen, die den hohen Ausstoß verursachen.“

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Vermögenssteuer? Aus Maugeris Sicht wäre sie „fair“

Und auch Vermögende müssten nach Meinung der Linken stärker zur Kasse gebeten werden, um etwa den höheren Mindestlohn zu finanzieren und Geringverdiener steuerlich zu entlasten: „Das wäre fair. Corona hat gezeigt, wer das Land in der Krise am Laufen hält: Kassiererinnen, Pfleger, Zusteller“, nennt Maugeri Beispiele.

Vorbilder: die amerikanische Aktivistin Marsha P. Johnson

Eliseo Maugeri lebt offen homosexuell. Der Schutz von Minderheiten und der Kampf gegen Diskriminierung sind wichtige Themen des jungen Politikers.

Ein großes Vorbild ist die amerikanische Schwulenaktivistin Marsha P. Johnson: „Sie gehörte als schwarze, schwule Drag Queen (Transvestitin) gleich mehreren marginalisierten Gruppen an. Sie hat sich mit einer rassistischen und schwulenfeindlichen Polizei angelegt, aber auch mit den Menschen in der eigenen Community kritisch auseinandergesetzt. Das hat mich beeindruckt.“

Maugeri will sich deshalb für mehr Rechte für schwule und transsexuelle Menschen einsetzen: „Die Ehe für alle reicht noch nicht.“

Wie das auf der Straße ankommt? Bisher ganz gut, meint der 18-jährige Bundestagskandidat: „Ich sehe die Themen aus der Position von Jugendlichen, denn das ist auch meine Zukunft, für die ich mich einsetze. Ein Blick in den Bundestag reicht doch aus, um zu sehen, dass junge Leute in der Politik nicht vertreten sind.“ Aber auch ältere Menschen reagieren im Wahlkampf positiv auf Maugeri: „Ich habe noch nicht diesen Politiker-Sprech drauf – das finden sie gut.“

Maugeri hat einen nahezu beispiellosen Aufstieg in der Partei hingelegt

Maugeri hat dabei wohl eine fast beispiellose Partei-Karriere hingelegt, denn vor einem Jahr war er nicht einmal Mitglied der Linken. Erst am Wahlabend der Kommunalwahl 2020 hatten ihn die Linken zur Wahlparty eingeladen. Dort wurde er schließlich Mitglied. „Ich hatte mich vorher an den Wahlkampfständen über das Parteiprogramm informiert. Mir hat gefallen, dass sie ,klimagerecht’ handeln wollen und dies mit dem Friedensthema verbinden.“

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Und nur wenige Monate später wählte ihn der Kreisverband zum Bundestagskandidaten. Für den 18-Jährigen eine besondere Wertschätzung, aber irgendwie auch folgerichtig: „Das war genau das, was ich auch wollte: Vom Protest auf der Straße rein ins Parlament.“