Mülheim. Sebastian Fiedler (48) zieht für den Wahlkreis Mülheim-Essen I in den Bundestag ein. Was er in Berlin vor hat, erklärte er am Abend im Interview.
Das Direktmandat im Wahlkreis Mülheim-Essen I hat SPD-Kandidat Sebastian Fiedler (48) geholt. Wir sprachen am Wahlabend mit ihm, als er sich schon als sicherer Sieger fühlen durfte.
Herr Fiedler, herzlichen Glückwunsch zum Wahlsieg. Sie werden Bundestagsmitglied. Hatten Sie im Vorfeld nicht auch Zweifel?
Sebastian Fiedler Ich will’s mal so sagen: Als ich hier mit dem Wahlkampf begonnen habe, war es jedenfalls nicht so sicher, wie es jetzt hinten herausgekommen ist. Aber ich war zunehmend zuversichtlich.
Zum Wahlabend in Berlin: mit SPD und CDU Kopf an Kopf. Was geht Ihnen jetzt durch den Kopf?
Ich hoffe, dass der Vorsprung bleibt. Daraus würde ich – anders als Armin Laschet – den Auftrag ableiten, dass Olaf Scholz jetzt die ersten Gespräche führt. Und mir geht durch den Kopf, dass das Zünglein an der Waage die Grünen sein werden. Sie müssen sich überlegen, ob sie ihre Seele an die CDU verkaufen oder ob sie möglichst viel umsetzen wollen aus ihrem Wahlprogramm. Da haben Baerbock und Habeck mehrfach gesagt, dass die größten Überschneidungspunkte mit der SPD sind.
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Vor wenigen Monaten hätte wohl niemand einen Pfifferling darauf gesetzt, dass die SPD am Ende in der Lage sein könnte, der CDU den Rang 1 ernsthaft streitig zu machen. Wie konnte dieser Aufschwung gelingen?
Durch eine wirklich gute Strategie. Es gab ein gutes Wahlkampf-Konzept, es war zugespitzt auf den Kanzlerkandidaten. Und ich will durchaus sagen, dass es innerhalb der SPD zwischenzeitlich Zweifel gegeben hat, ob das so richtig ist. Aber Lars Klingbeil hat das gemeinsam mit der Agentur und dem Kanzlerkandidaten super durchgezogen. Auf der anderen Seite sind die Reihen geschlossen geblieben, allen Unkenrufen zum Trotz habe auch ich nicht wahrgenommen, dass es irgendwelche großen Debatten parteiintern gegeben hätte. Und dann ist da natürlich noch die Schwäche insbesondere von Armin Laschet zu nennen.
Sebastian Fiedler: „Von den Grabenkämpfen ist nichts übrig geblieben“
Die SPD ist nach den Pleiten bei den vergangenen Wahlen ein wenig aus dem Tal der Tränen rausgelangt. Auch in Mülheim sind es nicht nur die 21 Prozent geworden, die neue Tiefstmarken bei den Kommunalwahlen und bei der Europawahl für Mülheims Genossen markiert haben. Als wessen Verdienst sehen Sie das?
Das war eine große Gemeinschaftsarbeit. Ich habe weder an den Haustüren noch an den Wahlkampfständen noch innerhalb der Partei gemerkt, dass von diesen Grabenkämpfen irgendetwas übrig geblieben ist. Ich hatte den Eindruck, dass gerade der Wahlkampf die Leute noch mal ein bisschen zusammengeschweißt hat. In den Haustürgesprächen waren die Töne doch deutlich andere als bei den Kommunalwahlen, ist mir berichtet worden. Die Leute haben schon gemerkt, dass es jetzt um was anderes geht, um den Bund.
Wie blicken Sie auf den Wahlkampf in Mülheim zurück? Sie waren sehr rege, haben reichlich Polit- und andere Prominenz nach Mülheim geholt, Ihre Wettbewerber waren da deutlich zurückhaltender. War es Ihr Plus, so rege zu sein?
Ich glaube schon, dass sich der Fleiß hier jetzt auszahlt. Vor allem das Format „Fiedler will’s wissen“ ist eines, das sehr goutiert wurde, und das ich gerne fortsetzen möchte.
Nach Gewinn des Direktmandats: SPD-Mann hat viele konkrete Projekte
Jetzt geht’s für Sie nach Berlin. Als Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter wollen sie Sicherheit zu ihrem Schwerpunkt machen. Wollen Sie sicherheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion werden?
Ja, ich möchte mich zumindest maßgeblich mit einbringen, in welcher Funktion auch immer. Deswegen ist es mir auch wichtig, dass wir Regierungsfraktion werden. Ich habe viele konkrete Projekte, die ich umsetzen möchte. Dazu gehört, dass wir eine Enquete-Kommission gründen zum Kinderschutz. Ich würde eine Stabsstelle Umweltkriminalität auf Ebene der Bundesregierung sehen wollen. Und drittes Thema: Ich würde in der Corona-Politik unbedingt werben für eine neue Schutzkommission mit besser organisierter wissenschaftlicher Beratung für die Bundesregierung.
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Was erwarten Sie von den Sondierungen, die jetzt zur Koalitionsbildung anstehen? Wie schwierig wird es?
Ich wage mal die Prognose, dass die Grünen versuchen werden, den Preis nach oben zu treiben. Aber sie haben mit breitem Abstand die größten programmatischen Überschneidungen mit der SPD. Und die Basis der Grünen wird auch eine große Erwartungshaltung haben, dass möglichst viel des Programms durchgesetzt wird. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich ein gutes Verhältnis habe, das gilt auch für die Innenpolitiker der FDP. Für die Probleme der Inneren Sicherheit würde ich wenig Probleme sehen, in einer Ampel viele Themen auch umsetzen zu können.
„Ich hoffe sehr stark, dass es auf eine Ampel-Koalition hinausläuft“
Da haben Sie die nächste Frage fast beantwortet: Wer wird, wer sollte die neue Regierung bilden?
Es sollte Olaf Scholz die neue Regierung bilden – und ich hoffe sehr stark, dass es auf eine Ampel-Koalition hinausläuft.
Sie wohnen mit Ihrer Familie in Viersen, werden Sie nach Ihrer Wahl nach Mülheim umziehen?
Nein. Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir erst vor fünf Jahren dort ein Haus gekauft haben und dass sich meine Arbeit nur dadurch unterscheidet, dass ich nicht in Mülheim schlafe. Ich werde ansonsten genau so oft in Mülheim sein, wie das jetzt auch schon der Fall ist.
Es gibt Leute, die bezweifeln, dass Sie in Viersen wohnen, in Berlin Politik machen und dabei noch was politisch Wertvolles für Mülheim und Essen herausholen können, für die Sie nun mal Direktkandidat sind. Was sagen Sie denen?
Denen würde ich sagen, dass sie keine Ahnung haben – sie können mich gerne begleiten bei meiner Arbeit.
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