Mülheim. Einem Anwohner des Mülheimer Kahlenberg-Viertels ist der Bismarckturm ein Dorn im Auge. Warum Hermann Jäger die Landmarke für entbehrlich hält.
Hermann Jäger weiß, dass sein Vorschlag provokant ist und dass er bei manchem Mülheimer zu einem Aufschrei führen wird. Doch der 66-Jährige bezeichnet sich als Demokrat und mag als solcher auch gern über ungewöhnliche Ansätze debattieren: Jäger hält den 1909 fertiggestellten Bismarckturm auf dem Kahlenberg für entbehrlich und fordert seinen unverzüglichen Rückbau. Die Stadtkasse lasse eine Sanierung der Mülheimer Landmarke auf lange Sicht nicht zu, sagt er. Man solle das Denkmal daher Stein für Stein abtragen und das wertvolle Material an Künstler oder Landschaftsgärtner verkaufen.
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„Die Stadt wird nie wieder Geld haben, um den Bismarckturm wirklich in den Griff zu bekommen“, glaubt Jäger, der unweit des Turmes wohnt und dort oft spazieren geht. Er findet, man solle das Denkmal in ein „Denk mal!“ umwandeln und endlich tätig werden. Der knapp 30 Meter hohe Aussichtspunkt sei schon aus politischen Gründen nicht länger haltbar. Das Bauwerk stehe für Nationalismus; „Bismarck war ja alles andere als ein Demokrat“. Seines Erachtens könne man in der Zukunft gut damit leben, „wenn eine Infotafel angebracht wird, die darüber aufklärt, was dort einst stand und was es damit auf sich hatte“.
Historisches Gebäude ist seit längerem baufällig und gesperrt
Das Gebäude ist seit längerem baufällig und gesperrt. Steine waren herabgestürzt und so hatte die Stadtverwaltung 2017 entschieden, den Zugang zu verbieten. Auch das Atelier im Erdgeschoss musste damals geräumt werden. Seither verhindern Gitter, dass Besucher sich dem Turm nähern. Auch das ist etwas, was Hermann Jäger in Frage stellt: „Das Absperrgitter ist sicher angemietet – ich möchte nicht wissen, was das für so eine lange Zeit kostet. . .“
Apropos Kosten: Frank Buchwald, Leiter des städtischen Immobilien-Service, gibt Jäger in einem Punkt Recht: Es werde Jahre dauern, bis Geld für die Sanierung des Bauwerkes zur Verfügung steht. „Wir arbeiten längst noch nicht an dem Turm – erstmal ist das Tersteegenhaus dran.“ Dann müsse man weitersehen. Möglicherweise gebe es Fördergelder für die Internationalen Gartenbauausstellung 2027 in Mülheim, die man für die Reparatur einsetzen könne.
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Die Debatte über das Schicksal des Turmes ist nicht neu
Dass der Bürger grundsätzlich über einen Abriss nachdenkt, kann Buchwald verstehen. Er selbst allerdings würde einen solchen nicht befürworten: „Der Bismarckturm ist auf jeden Fall zu retten“, die Schäden sei nicht so gravierend, dass man nichts mehr tun könne für das historische Bauwerk. Die Debatte über das Schicksal des Turmes sei übrigens nicht neu. Schon vor Jahrzehnten hätten manche Menschen in der Stadt ernsthaft erwogen, das Gebäude zu beseitigen. „An ihm scheiden sich eben die Geister. Manch einer findet ihn schön und mancher nicht.“
Da das Bauwerk unter Denkmalschutz steht, sei es aber auf keinen Fall unkompliziert zu beseitigen. „Selbst wenn wir wollten, könnten wir als Verwaltung das nicht einfach so machen. Und ich glaube kaum, dass es eine politische Mehrheit für diese Idee geben wird.“ Buchwald jedenfalls würde ein solches Vorgehen aus fachlicher Sicht nicht unterstützen, sagt er, und schwärmt unter anderem vom tollen Ausblick, den man von ganz oben habe. „Das ist schon ein besonderer Mülheimer Ort.“
Anwohner hält Diskussion über Kahlenberg-Aussichtsplattform für unnötig
Mit offenen Augen streift Hermann Jäger durch sein Revier. Dabei denkt er nicht nur über den Bismarckturm nach, sondern auch über andere markante Punkte im Viertel. Die Diskussion über die Aussichtsplattform oberhalb der ehemaligen Jugendherberge hält er für überzogen, sieht dort eigentlich kein Problem. Jetzt, wo die Bäume reichlich Blätter tragen, seien die Bewohner durch Laub vor möglichen Flaschenwürfen geschützt, so der 66-Jährige. Und bis zum Winter gebe es hoffentlich „keine Rüpel mehr“, die Unrat den Berg herunterwerfen. „Das war ja auch in den vergangenen 100 Jahren keine große Sache.“
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Er halte es für zwingend erforderlich, den Blick von der Kanzel zu erhalten – auch, weil es immer wieder Spekulationen gibt, dass der berühmte Maler Gerhard Richter ein Foto von diesem Ort als Vorlage für sein „Ruhrtalbrücken“-Gemälde genutzt haben könnte. Wer Sorge habe, dass Menschen von dort oben abstürzen, könne einfach etwas Erde hinter der Mauer abtragen und diese so erhöhen.
Gefahr des Absturzes auf dem Weg zur Tomate ist groß, sagt der Anwohner
Jäger fragt sich, wo das Geländer geblieben ist, welches zwischenzeitlich einen Teil des Weges zwischen Aussichtsplattform und Restaurant Tomate gesichert hat. Dort gebe es dringend Handlungsbedarf. „Ich möchte da nicht langlaufen mit einem lustig gestimmten Kind, das sich des Lebens freut und herumtollt.“ Viel zu groß sei die Gefahr eines Absturzes.
Stadtsprecher Volker Wiebels bestätigt, dass das Geländer dort lediglich wenige Wochen im Mai – nach Baumfällarbeiten am Hang, die die steile Böschung freilegten – angebracht war. Nach weniger als vier Wochen habe man es wieder demontieren müssen.
Aus verschiedenen Gründen: „Die Befestigung auf dem Gestein war schwierig; erforderliche Normen wurden nicht eingehalten.“ Zudem habe der Handlauf sehr rasch Vandalismus-Schäden aufgewiesen. Man habe ihn daher abgebaut, das Material aber aufbewahrt. „Sobald die Forstverwaltung über freie Arbeitskapazitäten verfügt, wird geprüft, ob ein dauerhaftes Geländer oder ein Zaun gemäß DIN-Norm an der Stelle errichtet wird.“