Mülheim. Mülheims Desaster mit Zinswetten wird weitere Millionen kosten. Eine Initiative von Kämmerer Frank Mendack offenbart, dass es noch teurer wird.
Schlechte Presse hatte Mülheims ehemaliger Stadtkämmerer Uwe Bonan zuletzt ohnehin für sich gebucht; wegen geschmackloser Whatsapp-Bilder ist er seinen Posten als Ruhrbahn-Geschäftsführer los. Nun holt Bonan noch dazu seine Vergangenheit im Mülheimer Rathaus ein: Eine vertrauliche Beschlussvorlage für den Stadtrat offenbart, dass Bonan den Ausstieg der Stadt aus Zinswetten und Co. nicht nur sehr intransparent, sondern dazu äußerst kostspielig gemanagt hat.
Bonans Nachfolger in der Kämmerei, Frank Mendack, hat schon in der Vergangenheit gut damit zu tun gehabt, alte Risiken aus der Bonan-Zeit abzuräumen. Er hat die Stadt aus den unheilvollen Krediten befreit, die Bonan auf Schweizer Franken aufgenommen hatte. Er hat auch dafür gesorgt, dass Mülheim sein Kreditportfolio durchleuchtet hat nach Möglichkeiten, um über eine Umfinanzierung langfristig mehr von den niedrigen Marktzinsen zu profitieren.
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Mülheims Kämmerer will den Sofortausstieg aus den zwei noch laufenden Wetten
Jetzt will Mendack endlich einen Strich unter das Wettdesaster der Stadt ziehen. Er plant den Sofortausstieg aus zwei noch laufenden Wetten. Auf die hatte sich Bonan in seiner Amtszeit eingelassen in seinem verunglückten Bestreben, dem Schrecken der Derivatgeschäfte ein möglichst günstiges Ende zu machen. Es ist sehr teuer geworden.
In der Rückblende nicht zu verschweigen ist aber, dass nicht Bonan jenes Millionengrab mit Wetten auf Zinsen und Währungsentwicklungen zu schaufeln begonnen hatte. Dies wiederum verantwortete sein Vorgänger Gerd Bultmann – mit Genehmigung gutgläubiger Kommunalpolitiker ging er 2003 ins volle, später nicht mehr beherrschbare Risiko.
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Für die letzten Wetten mit der ehemaligen West LB (heute Erste Abwicklungsanstalt, EAA) war es nicht einmal mehr nötig, dass die Stadt einschlägt, um die Wette ans Laufen zu bringen. Die EAA konnte selbst bestimmen, ob sie die zu festen Konditionen vereinbarte Wettoption zieht.
Stadt wettet gegen die Abwickler der West LB auf einen Zinssatz von fast fünf Prozent
Die Abwicklungsanstalt der ehemaligen Landesbank, die sich selbst kräftig verzockt hatte, zog 2016 die Option für die Wette, weil die anhaltende Niedrigzinsphase ihr satte Gewinne versprach. Diese eine Wette ist an einen Kredit über 20 Millionen Euro gebunden, für den die Stadt laut Wettbedingung variabel Zinsen zu zahlen hat, je nach Entwicklung des Zinssatzes, auf den die Stadt bis heute wetten muss.
Taxiert ist jene Wette auf den Drei-Monats-Euribor, einen Interbankenzins, zu dem sich Banken Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen können. Die Stadt würde aus der Wette nur einigermaßen schadfrei rauskommen, wenn jeder Euribor über 4,98 Prozent läge. Da der Zinssatz aktuell aber sogar negativ ist, zahlt die Stadt kräftig – und das schon seit fünf Jahren. Daneben existiert eine weitere Wette aus dem Bonanschen Ausstiegsmanagement, gekoppelt an einen Kredit in Höhe von nahezu 23 Millionen Euro, die auf einen ähnlich hohen Zinssatz setzt.
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Stadt hat Rückstellungen in Höhe von fast zehn Millionen Euro gebildet
Fünf Jahre hat die Stadt nun schon kräftig Geld an die EAA geschossen, weil sie sich nach ihrer Klage seinerzeit auf eine außergerichtliche Einigung mit der Bank eingelassen hatte, die diese Wetten nicht getilgt hat. In seiner vertraulichen Beschlussvorlage für Finanzausschuss und Stadtrat benennt Kämmerer Mendack nicht, wie viel Millionen hier schon in den ersten fünf Jahren der Wetten verbrannt worden sind.
Stadt Mülheim zog Klagen zurück
Nach langem Zögern hatte sich die Stadt nach politischem Votum 2013 und 2014 zu Klagen gegen die ehemalige West LB und die Commerzbank wegen der Wettgeschäfte entschlossen. Zu einer gerichtlichen Aufarbeitung aber kam es nicht, weil die Stadt Vergleichsangebote der Banken annahm.
Laut damaligen Informationen soll die Commerzbank wegen vergleichbar kleinerer Wetten rund 180.000 Euro an die Stadt gezahlt haben (ein Drittel dessen, was die Schadenersatzklage gefordert hatte). Für den Vergleich mit der West LB-Abwicklerin wurde schließlich ausgehandelt, dass fünf Millionen Euro an die Stadt fließen sollten (bei 15 Millionen Euro Verlust plus x schon im Jahr 2016).
Er benennt aber irrsinnige Summen, die den städtischen Haushalt in den kommenden fünf Jahren noch belasten könnten, wenn die Wetten einfach so fortlaufen: Allein habe er in seinem Jahresabschluss eine Rückstellung in Höhe von gut 9,6 Millionen dafür gebildet, heißt es da.
Mendack: Erstmals die Möglichkeit für einen Sofortausstieg gegeben
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Mendack schlägt der Politik nun vor, die Wetten vorzeitig zu beenden. Dies ließe sich die EAA allerdings auch teuer bezahlen. Mitte Mai war von ihr ein Preis von 8,8 Millionen Euro aufgerufen.
In der Begründung zu seiner Initiative argumentiert Mendack allerdings damit, dass es aktuell für die Stadt ein Vorteil sein könnte, die Geschäfte ein für alle Mal abzuwickeln. Die zuletzt erzielten kleinen Jahresüberschüsse ergäben für einen Komplettausstieg nicht nur erstmals die Möglichkeit. Der Ausstieg nehme dem Etat auch weitere Risiken, was auf dem Kapitalmarkt absehbar goutiert würde mit besseren Zinskonditionen für die Stadt, so seine Prognose.
Der Stadtrat entscheidet am 1. Juli.