Mülheim. Die überschuldete Stadt Mülheim wird sich einen fünften Dezernenten leisten. Gegen Widerstände boxten dies CDU und Grüne im Stadtrat durch.
Am Ende half selbst der letzte Kniff von MBI-Fraktionschef Lothar Reinhard nichts mehr: Die hauchdünne Ratsmehrheit von CDU und Grünen setzte sich durch und brachte am Donnerstag die Ausschreibung auch für einen fünften Dezernenten auf den Weg.
Mülheim, mit mehr als zwei Milliarden Euro in der Kreide und nicht nur NRW-weit eine Stadt mit höchster Pro-Kopf-Verschuldung, wird sich also wieder fünf Dezernenten leisten. Das wuchtige Dezernat, das vor seiner Wahl zum OB im Herbst 2020 Marc Buchholz führte, wird aufgeteilt in ein Dezernat für Schule, Jugend und Sport sowie ein Dezernat für Gesundheit, Soziales und Kultur.
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Besetzung der Spitzenämter in Mülheims Rathaus „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“
Der Stadtrat gab am Donnerstag die Ausschreibungen für die Spitzenämter in beiden Dezernaten frei. Die Stellen sollen zum nächstmöglichen Zeitpunkt besetzt werden. Im politischen Raum ist zu hören, dass schon nach der Sommerpause des Rates eine Wahl für jeweils acht Jahre anberaumt werden könnte. Neu: Den zwei neuen Beigeordneten wird qua Ausschreibung vorgeschrieben, ihren Wohnsitz in Mülheim zu haben.
Ob das auch daran liegt, wie die Opposition am Donnerstag wortreich spekulierte, dass CDU und Grüne sich im Hintergrund schon auf eine Verteilung der hoch dotierten Posten verständigt haben? Über erste Namen wird spekuliert, aber verdichtete Informationen dazu liegen nicht vor. Von einem „gewissen Geschmäckle“ war im Stadtrat die Rede (Dominic Fiedler, AfD), vom Eindruck des schwarz-grünen Postengeschachers, „damit es keine Neidhammel gibt“ (Frank Wagner, BAMH). Oder davon, dass die Ausweitung der Dezernentenstellen angeblich nur dazu da sei, „den Schmerz der Grünen zu lindern“, nachdem ihnen in damals rot-schwarzer Koalition ihre Baudezernentin Helga Sander abgesägt worden war.
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SPD-Fraktionschefin zweifelt Begründung für Personalaufstockung an
Die Wiederbesetzung der seit Buchholz’ Wahl zum OB vakanten vierten Dezernenten-Stelle wollten ja noch alle Oppositionskräfte außer den MBI („Man könnte es mit dreien hinbekommen“) zustimmen. Den Verwaltungsvorstand jedoch um einen weiteren Wahlbeamten zu erweitern, wollte niemandem einleuchten. Nicht das Personal sei aufzustocken, sondern endlich modernes Dienstleistungsmanagement einzuführen, sagte etwa Peter Beitz.
Auch SPD-Fraktionschefin Margarete Wietelmann ließ kein gutes Haar am Antrag von CDU und Grünen. Ein fünftes Dezernat habe man seinerzeit auf Anraten der Gemeindeprüfungsanstalt gestrichen, um Geld einzusparen. Die Argumentation von Schwarz-Grün, die Verwaltungsspitze sei aktuell durch Corona und zahlreiche große Zukunftsaufgaben so belastet, dass es der fünften Spitzenkraft wieder bedürfe, wage sie zu bezweifeln, so Wietelmann. Ähnlich große Herausforderungen habe es auch in der Vergangenheit gegeben.
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BAMH-Ratsherr sieht Geldverschwendung im „Millionen-Deal“
Nicht ein neuer Dezernent werde die Belastung der Belegschaft lindern, sondern nur „Personal in der Breite“. Ähnlich äußerten sich Wietelmanns Fraktionskollegen Sven Deege und Filip Fischer sowie Cevat Bicici (WIR). Was der SPD auch nicht schmeckt: dass die Bereiche Jugend und Soziales künftig nicht mehr zusammen in einem Dezernat gemanagt werden sollen. Für die dringend notwendige Bekämpfung der Kinderarmut ist dies laut Wietelmann nicht förderlich.
Sich für acht Jahre ein Gehalt von weit mehr als 100.000 Euro im Jahr zu leisten, sei ein nicht zu rechtfertigender „Millionen-Deal“, sagte Frank Wagner (BAMH).
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MBI griffen zur Gegenwehr zum letzten Mittel – vergeblich
Jenen „Deal“ konnte die Opposition, die durch das Fehlen von zwei AfD-Stadträten noch dazu geschwächt auftrat, aber nicht verhindern. Da half auch der letzte Kniff von Lothar Reinhard (MBI) nichts. Reinhard hatte geheime Abstimmung beantragt in der Hoffnung, aus den Reihen von CDU und Grünen könnte jemand ausscheren. Doch das Ratsbündnis hielt eisern zusammen und legte (mit OB-Stimme) exakt ihre 28 Stimmen in die Waagschale.
Dass personelle Verstärkung schon kurzfristig nötig wäre, machte eine Erklärung von Baudezernent Peter Vermeulen deutlich. Er muss sich einer OP unterziehen mit anschließender Reha und wird voraussichtlich mindestens vier Monate ausfallen. So verbleiben aktuell nur noch zwei Dezernenten: Kämmerer Frank Mendack und Stadtdirektor Frank Steinfort. Vermeulens Verantwortungsbereich werden für die Zwischenzeit OB Buchholz und der Leiter des Amtes für Stadtplanung und Wirtschaftsförderung, Felix Blasch, übernehmen.