Mülheim. Die Kuhweiden voller Müll, der Mais umgeschwemmt, der Weizen zur Untersuchung im Labor. Mülheimer Landwirte blicken auf die Hochwasser-Folgen.

Landwirte entlang der Ruhr haben durch das Hochwasser Schäden erlitten. In Mülheim traf es vor allem Wiesen und Ackerflächen. Hunderte Meter weit landeinwärts war der Fluss teils über seine Ufer getreten und hatte Felder und Weiden unter Wasser gesetzt. Das Ausmaß wird erst deutlich, seitdem sich das Wasser zurückgezogen hat. Ob Weizen noch als Backzutat verwendet oder nur noch verbrannt werden kann, klärt derzeit ein Labor. Ob der Mais sich noch mal aufrichtet, bleibt abzuwarten. Kühe fressen das verschmutzte Gras nicht.

Wann ihre Kühe wieder zurück auf die Weiden in den Styrumer Ruhrauen können, das weiß Iris Kamann noch nicht. Nach dem Hochwasser ist nicht nur jede Menge Müll auf den Wiesen, die Kamann für ihre Rinder pachtet, zurück geblieben, die Wassermassen haben auch Zäune niedergedrückt, der Schlamm hat eine graue Schicht hinterlassen, deren Rückstände die Kühe mit dem Gras aufnehmen würden, wenn sie es fräßen. „Aber die Tiere gehen da gar nicht erst dran“, hat die Pächterin beobachtet – kluge Kühe also.

Rund 45 Kühe und 25 Kälber gehören zum Hof Kamann, der für seine Herde Wiesen in den Styrumer Ruhrauen in Mülheim pachtet. Weiter entlang am Ruhrufer bis nach Oberhausen und Duisburg bewirtschaften Kamanns Mähfläche, von der sie normalerweise Gras ernten, um Heu zu machen. Auch diese Flächen standen unter Wasser, der Bewuchs ist nicht mehr zu gebrauchen.
Rund 45 Kühe und 25 Kälber gehören zum Hof Kamann, der für seine Herde Wiesen in den Styrumer Ruhrauen in Mülheim pachtet. Weiter entlang am Ruhrufer bis nach Oberhausen und Duisburg bewirtschaften Kamanns Mähfläche, von der sie normalerweise Gras ernten, um Heu zu machen. Auch diese Flächen standen unter Wasser, der Bewuchs ist nicht mehr zu gebrauchen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Als das Wasser kam, haben sie die Kamann-Kühe – rund 45 Muttertiere und 25 Kälber – auf eine andere, höher gelegene Weide getrieben. „Das ist unsere Notfallwiese“, sagt Iris Kamann, „aber die hatten die Kühe nach zwei Tagen leer gefressen.“ Zurück auf ihre Stamm-Weide konnten sie da längst noch nicht. Bis heute stehen sie auf Flächen weit ab des Kolkerhofweges, die vom Hochwasser so gut wie verschont geblieben sind.

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Heu sollte Futtervorrat für den Winter werden – es ist wohl unbrauchbar

Ihre eigentlichen Weideflächen hat Iris Kamann erstmal abgemäht und durchgemulcht, damit das verschmutzte Gras runter ist und neues, frisches nachwachsen kann. Das hat es teils schon getan – manche Streifen in dem weitläufigen Areal sehen saftig grün aus. Immerhin. Aber nicht alles, was schon fast wieder nach normaler Wiese aussieht, sei auch nutzbar. „Da steckt ja der Klärschlamm drin, der hier drübergelaufen ist.“ Nun, wo vieles abgetrocknet ist, bleibt feiner grauer Staub zurück – mit unbekanntem Inhalt.

Eigentlich stand auf den Wiesen auch der Vorrat für den Winter. Das Gras von den Flächen weiter hinten, das schon recht hoch stand, weil es zu Heu werden sollte, können sie wohl vergessen. Es ist umgeschwemmt, liegt platt auf dem Boden, die langen Halme bedecken teils noch das, was das Wasser mitbrachte: Plastik, Slipeinlagen, einfach Unrat. „Als Futter ist das nicht mehr zu verwenden, wir werden im Winter Futter zukaufen müssen.“

Aufräum-Aktion des Vereins 4330hilft hat Landwirtsfamilie Kamann extrem geholfen

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Dass zumindest die vorderen Wiesen frei von Müll sind, hat Iris Kamann der Aufräum-Aktion des Vereins 4330hilft zu verdanken. Ehrenamtliche hatten am vergangenen Wochenende Ruhrufer und Wiesen vom Schwemmgut befreit. Am kommenden Samstag findet das nächste Aufräumen statt, Helfer sind willkommen. „Alleine hätten wir das nie geschafft“, sagt die 53-Jährige, die auf dem Hof ihrer Eltern am Kolkerhofweg aufgewachsen ist. Ein Berg an Müll ist aufgetürmt und soll bald abgefahren werden. „Das war wirklich ein enormes Engagement von den freiwilligen Helfern“, ist die Styrumerin dankbar.

Rund 22 Hektar bewirtschaftet die Landwirtschaftsfamilie Kamann entlang der Ruhr, von Mülheim über Oberhausen bis nach Duisburg. Meterlange Zäune, die Wasser und Schwemmgut niedergedrückt haben, müssen noch repariert werden.

Ein vom Hochwasser mitgerissener Altglascontainer liegt auf einer der Wiesen in den Styrumer Ruhrauen. Die Zäune hängen – sofern sie noch stehen – voller Schwemmgut.
Ein vom Hochwasser mitgerissener Altglascontainer liegt auf einer der Wiesen in den Styrumer Ruhrauen. Die Zäune hängen – sofern sie noch stehen – voller Schwemmgut. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ebenfalls entlang der Ruhr in Styrum liegen die Maisfelder von Landwirt Leo Evertz. Teils steht der Mais noch mannshoch, an anderen Stellen aber ist er aber platt geschwemmt, dort wo das Wasser ordentlich Strömung hatte. „50 Prozent von unserem Mais stand unter Wasser“, sagt Leo Evertz. Bislang kann der Landwirt noch nicht abschätzen, ob die Pflanzen noch was taugen. Wie sehr es dem Mais zugesetzt habe, müsse er abwarten – auf Erfahrungswerte kann er nicht zurückgreifen, denn solch ein Sommerhochwasser habe er noch nicht erlebt, sagt der Styrumer Bauer.

Ob der Mais von den Styrumer Feldern noch zu gebrauchen ist, steht noch nicht fest

„Noch ist der Mais aber in einem Stadium, wo er sich noch erholen könnte, wir haben ja noch drei Monate Zeit bis zur Ernte“, formuliert Evertz seine Hoffnung. Aber: „Da hat ja jede Menge Schwemmgut drin gehangen, das wird etwas ausmachen bei der Qualität“. Nun setzt der Landwirt auf den vielen Regen in diesem Sommer, der werde sicher noch etwas von dem Hochwasser-Dreck abspülen.

Das Mintarder Weizenfeld der Landwirtsfamilie Im Brahm, links im Bild, war vom Hochwasser betroffen. Welche Qualität der Weizen nach der Überschwemmung noch hat, wird derzeit in einem Labor untersucht.
Das Mintarder Weizenfeld der Landwirtsfamilie Im Brahm, links im Bild, war vom Hochwasser betroffen. Welche Qualität der Weizen nach der Überschwemmung noch hat, wird derzeit in einem Labor untersucht. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Weiter oben am Flusslauf, in Mintard, hatte es die Felder von Einhart Im Brahm getroffenen. „Wenn man sich andere Regionen anguckt, sind unsere Schäden gering“, sagt Im Brahm dankbar. Sein Acker, auf dem Weizen stand, liegt zwischen August-Thyssen-Straße und Ruhr. „Da hat zum Glück nur einen Tag die Ruhr drauf gestanden“, sagt der Landwirt.

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Versiegelung von Flächen durch Straßen oder Steingärten als großes Problem benannt

Die These eines Anwohners, der mutmaßt, dass der Boden des Feldes durch die Arbeit mit dem Trecker stark verdichtet sei und deshalb beim Hochwasser nicht genügend Wasser aufgefangen habe, widerspricht Im Brahm: „Wenn der Boden verdichtet wäre, hätten wir auch kein Wachstum – der Boden muss gelockert sein, sonst könnten die Pflanzen keine Wurzeln bilden.“ Aus seiner Sicht ist die Versiegelung von Flächen durch Straßen oder gar Steingärten das größere Problem. „Wo soll denn das ganze Regenwasser hin?“ Ein Hochwasser wie jetzt habe selbst sein 83 Jahre alter Vater an der Ruhr noch nicht erlebt.

Wie er den Weizen nutzen kann, weiß Im Brahm noch nicht: „Es wir im Labor untersucht, ob eine Kontamination vorliegt.“ Danach werde entschieden, ob das Getreide noch Lebensmittelqualität hat – also zum Backen verwendet werden kann – oder aber zu Tierfutter wird. Ganz schwarz sieht Im Brahm nicht: „Bei uns wird der Weizen wohl nicht ganz verloren sein, wir könnten ihn auch in die Biogasanlage geben.“