Mülheim. . Die Herde von Landwirt Karl Wilhelm Kamann weidet auf geschützten Flächen in Mülheim. Schon oft kam es dort zu teuren Zwischenfällen.
Freilaufende Hunde, Jogger, Spaziergänger, Angler, sogar ein Mofafahrer und eine Gruppe von Abiturienten, die ihre Mottowoche feiert: An den Styrumer Ruhrauen ist an diesem sonnigen Morgen viel los. Zu viel, wenn es nach Landwirt Karl Wilhelm Kamann geht, dessen etwa 90 Kühe und Kälbchen auf einem Teil der Wiesen zwischen A40 und Raffelberg weiden. Und zwar auf dem Bereich, der seit Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. Trotzdem, beschwert sich Kamann, sei auf den geschützten Flächen viel Betrieb. „Die Zäune werden immer wieder beschädigt, damit man auf das Gelände kommt“, sagt Kamann. Oft bleibe Müll liegen, teilweise werde auch gecampt, in der Ruhr gebadet oder gegrillt, kaum ein Hund sei angeleint, kaum ein Spaziergänger bleibe auf den Wegen. „Alles ausdrücklich verboten“, betont der 75-Jährige. Immer wieder weist er Besucher auf die Regeln hin, um Flora und Fauna zu schützen – und seine Herde. Die flüchtet meist ohnehin auf die andere Ruhrseite, wo es tagsüber ruhiger ist, und kommt erst nachts wieder ans andere Ufer.
„Die meisten Besucher sehen überhaupt nicht ein, dass sie sich falsch verhalten“, sagt Kamann. „Dabei können auch Kühe, gerade wenn sie ein neugeborenes Kälbchen an ihrer Seite haben, durchaus aggressiv werden oder sich von den vielen freilaufenden Hunden gestört fühlen.“ Bereits mehrfach haben Hunde die Kühe rein und raus aus der Ruhr getrieben, berichtet der Landwirt. Das sorge bei den Tieren für Stress.
Hunde treiben Kühe in die Ruhr
Viel schlimmer: Zwei Mal standen seine Tiere auf den Bahngleisen, die über der Ruhraue verlaufen. Das liege daran, dass immer wieder Stacheldrahtzäune kaputt gemacht würden und die Kühe so ohne Probleme auf die Strecke laufen könnten. „Und weil auch die Absperrungen an den Schienen, die bis vor einigen Jahren die Bahn in Stand hielt, nicht mehr bestehen“, so Kamann. Beim ersten Mal wurde sein Zuchtbulle vom Zug mitgenommen, Kamanns Versicherung kostete der Vorfall 55.000 Euro. Beim zweiten Mal gerieten zwei weitere Tiere unter den Zug, am Ende standen 60.000 Euro zu Buche. „Nochmal“, so erzählt der Mülheimer, „macht die Versicherung sowas nicht mit. Dann muss ich selbst zahlen.“ Das habe sie ihm in einem Schreiben mitgeteilt. „Dabei ist es unmöglich jeden Tag alle Zäune zu kontrollieren“, sagt Kamann. Nur einmal im Jahr, wenn das Ruhr Reggae Festival in den Ruhrauen stattfindet, hat Kamann keinen Ärger mit den Besuchern. „Sie haben keinerlei Berührungspunkte mit den Kühen und hinterlassen alles sauber.“
Kontrolliert wird nur selten
Mit Vertretern von Umweltamt, Ordnungsamt und Unterer Landschaftsbehörde habe es immer wieder Termine vor Ort gegeben. „Es geschieht aber leider trotzdem zu wenig“, bedauert Kamann. Einzig als im vergangenen Sommer die Wiesen großflächig in Flammen standen, habe das Ordnungsamt starke Präsenz gezeigt. „Danach kamen jedes Mal, wenn ich wegen illegaler Grillaktionen angerufen habe, auch sehr schnell Mitarbeiter“, sagt er. Er meint, dass wesentlich mehr Personal gebraucht werde, um dieses große Gebiet zu beaufsichtigen. „Es muss sich dringend etwas ändern, sonst weiß ich nicht, wie wir weiterhin Kühe halten sollen“, so der 75-Jährige. „So wie es derzeit ist, macht es jedenfalls keinen Spaß.“
Klaus Beisiegel, Referent im Planungs- und Baudezernat, weiß seit Jahren um die Problematik. „Dieses Thema wird im Umweltausschuss immer wieder erörtert, leider ohne dass wir bislang zu einer Lösung gekommen sind“, so der Referent. Es handele sich um ein Riesengebiet, das schwer kontrollierbar sei. „Einfache Zäune haben bislang nichts genutzt, sie wurden immer kaputt gemacht“, erklärt Beisiegel. Um die vielen Besucher davon abzuhalten in das geschützte Gebiet vorzudringen, sei eine Art militärischer Absperrzaun nötig. „Diese Idee ist aber immer wieder verworfen worden“, so der Referent. Es sei schließlich auch nicht so, dass Menschen sich überhaupt nicht in dem Gebiet aufhalten dürften. „Es gelten nur eben strengere Regeln, um Tier und Natur zu schützen“, führt Beisiegel aus.
Das sagt das Ordnungsamt
>>„Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir in den warmen Monaten verstärkt kontrollieren“, sagt Bernd Otto, Leiter des Ordnungsamts. Das gelte insbesondere fürs Wochenende und für die Abendstunden. Da aber zum Beispiel am Ruhrbadestrand noch viel mehr Kontrollen nötig seien, könne es sich in der Styrumer Ruhraue leider immer nur um Schwerpunktaktionen handeln.
A lle Regeln, die in einem Naturschutzgebiet gelten, sind in den betroffenen Gebieten auf entsprechenden Schildern ausgewiesen – sie sind jedoch an vielen Stellen beschmiert und überklebt worden.