Mülheim. Rinderbulle John-Boy vom Mülheimer Hof Kamann wurde von Tierrettern “freigekauft“. Wie genau er zu seinem neuen Leben auf einem Gnadenhof kam.

Eigentlich war der Rinderbulle John-Boy vom Mülheimer Hof Kamann bereits für die Schlachtung vorgesehen. Durch den Einsatz einer Mülheimerin und einer Tierschutzorganisation darf er nun aber ein Leben auf einem Gnadenhof in Bingen am Rhein verbringen.

Mit seinen großen Augen und dem friedlichen Gemüt zog der Zweijährige fast jeden sofort in seinen Bann. "Er ist so zahm, was man bei einem Bullen ja gar nicht so erwartet", sagt Ute Menzel. Die 65-Jährige aus Broich lernte John-Boy auf dem Hof der Geschwister Iris und Hermann Kamann kennen. Damals hieß er noch lediglich "Nummer 76". Schließlich sind bei Kamanns 120 Rinder untergebracht.

Kühe grasen auf den Wiesen unterhalb der Raffelbergbrücke

Zumeist grasen sie auf den Wiesen unterhalb der Raffelbergbrücke, wo sie auch Ute Menzel im April bei einem Spaziergang entdeckte. "Als Kind habe ich alle möglichen Tiere auf dem Bauernhof gestreichelt, aber ich wollte unbedingt mal eine Kuh streicheln", erzählt die Mülheimerin, die sich kurzerhand auf den Weg zum Hof machte. Dort traf sie schließlich auf den zutraulichen Bullen. "Ich war sofort hin und weg."

Wenngleich in dem Mülheimer Landwirtschaftsbetrieb auf das Wohl der Tiere geachtet wird, kommen sie irgendwann zum Schlachter. Zumal John-Boy eine angeborene Fehlstellung hat, so dass er nicht auf Gitterböden stehen kann. "Sein Schicksal ließ mich nicht mehr los", gesteht die Broicherin.

Verein stellte den Kontakt zum Gnadenhof her

Gemeinsam mit ihrer Tochter, die im Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue aktiv ist, rief sie eine Spendenaktion ins Leben. Wer nämlich ein Tier vor der Schlachtung bewahren möchte, muss dem Besitzer den Kilopreis bezahlen. Schließlich sind die Landwirte auf solche Einnahmen angewiesen. Im Falle von John-Boy wurden 1900 Euro fällig. Diese Summe kam schließlich über Spenden sowie über Mittel des Vereins zusammen.

Der Tierschutzverein stellte auch den Kontakt zu einem Gnadenhof in Bingen am Rhein her, der bereit war, den zweijährigen Bullen aufzunehmen. Er war es auch, der dem Bullen seinen Namen gab.

"Wir stehen für eine tiermordfreie Gesellschaft und möchten Kindern beibringen, dass eine Kuh auch mal 20 Jahre alt werden kann", erklärt Babette Terveer vom Verein Notpfote. Dass dafür gewisse Ablösesummen gezahlt werden müssen, gehöre dazu. An Betriebe wie den Hof Kamann tue der Verein das auch gerne. "Hier hat der Bauer noch einen Bezug zu den Tieren", hat Terveer festgestellt. "Andersherum würden wir jemanden, der schlimm mit Tieren umgeht, nicht auch noch finanziell dafür belohnen", betont die Tierschützerin.

Vor dem Umzug mussten bürokratische Hürden genommen werden

Ehe John-Boy von Mülheim nach Bingen umziehen konnte, vergingen aber mehrere Monate. "Es sind mehrere Papiere vom Veterinäramt notwendig", erläutert Babette Terveer. Zudem wurde der Prozess durch die Corona-Pandemie verzögert. Ein entsprechender Hänger für den Transport musste ebenfalls besorgt werden.

Als alle Unterlagen besorgt und sämtliche Vorbereitungen getroffen waren, konnte der Umzug fünf Monate nach dem ersten Kennenlernen vonstatten gehen. Da immer ein Begleittier dabei sein muss, fuhr auch Kuh Mary Ellen mit nach Rheinland-Pfalz. Sie bekam anschließend ebenfalls einen Platz auf dem Gnadenhof. "Jetzt dürfen sie einfach nur leben, ohne einen Nutzen zu haben", freut sich Ute Menzel. Alles Gute, John-Boy!

INFO

Der WDR hat die Geschichte in seiner Sendung "Tiere suchen ein Zuhause" erzählt. Ein Kamerateam begleitete den Umzug von Mülheim nach Bingen. Der Film ist weiterhin in der Mediathek abrufbar.

Laut dem Verein Notpfote hat die Corona-Krise den Tierschutz nicht so negativ beeinflusst, wie zunächst befürchtet. "Wir haben unheimlich viele Anfragen für Hunde bekommen und haben unsere Zahlen eigentlich verdoppelt", berichtete Babette Terveer.