Mülheim. Alleine lassen wollten sie ihre Schiffe während des Hochwassers in Mülheim nicht – also blieben Dirk Müller und Rainer Knoop über Nacht am Hafen.

Er hat sie wieder, konnte sie retten, seine drei Escargots, die Hausboote der Grünen Flotte. Dafür hat Dirk Müller beinahe sein Leben aufs Spiel gesetzt. Fast hätte der Betreiber der Grünen Flotte eines seiner Schiffe verloren, als das Hochwasser kam. Bei dem Einsatz, die Escargot vor den Fluten zu sichern, ist der Mülheimer in die Ruhr gefallen. „Jetzt nur nicht ohnmächtig werden“, hat Müller in dieser Sekunde gedacht. Blessuren hat er selbst davon getragen, aber die Boote vor dem Untergang bewahrt. Über Nacht am Schifffahrtskanal ausgeharrt hat neben Müller auch Rainer Knoop vom Mülheimer Yacht Club, der sagt: „Wir sind viel zu spät informiert worden.“

Glück im Unglück haben sie gehabt, bilanzieren die beiden Männer, die ihre Boote am Schifffahrtskanal kurz vor der Ruhrschleuse Raffelberg stationiert haben, nach dem verheerenden Hochwasser. Viel gefehlt habe allerdings nicht, dann wäre das Wasser auch dort über die Spundwand getreten. „Normalerweise steigt das Wasser bei uns im Schifffahrtskanal so um fünf bis zehn Zentimeter“, schildert Knoop, „vergangenen Donnerstag aber stieg das Wasser um 1,10 Meter. Damit hat kein Mensch gerechnet.“

Im Mülheimer Hafen standen sie mit Traktoren bereit, um Schiffe aus dem Wasser zu holen

Nur noch drei, vier Zentimeter seien unterhalb der Kante frei gewesen, sagt Dirk Müller von der Grünen Flotte, dann hätten sie das Wasser auf der Fläche gehabt – und die Boote auch. „Wir standen schon bereit, um die Schiffe mit Traktoren rauszuholen. Aber wenn wir sie über die Kante der Spundwand gezogen hätten, wären sicher Schäden entstanden“, schildert Rainer Knoop, der Hafenmeister des Mülheimer Yacht Clubs. Das war schließlich nicht nötig, die zusätzliche Sicherung durch Leinen hat die Schiffe vor Schlimmerem bewahrt.

Vor Schlimmerem bewahrt hat auch Dirk Müller von der Grünen Flotte eines seiner Hausboote. Drei dieser Escargots (französisch für Schnecken) mit kombiniertem Tretantrieb und Außenbordmotor gehören zu Müllers Flotte. Eines davon war in Kettwig unterwegs, als das Hochwasser kam. Müller hat die Gäste, die seine Escargot für die Tour auf der Ruhr gemietet hatten, noch in Kettwig abgeholt und versucht, das Schiff zu retten.

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Von Annika Fischer

Mülheimer schildert Zerstörung durch das Hochwasser in Kettwig

„Was ich da in Kettwig gesehen habe, war wirklich schrecklich: Den Leuten sind mit dem Wasser die Baumstämme durchs Wohnzimmerfenster reingeschossen“, schildert Müller die Zerstörung in der Nachbarstadt. Auch sein Boot war in Gefahr, eingekeilt zwischen einem deutlich größeren Schiff und einem Steg. „Als ich versucht habe, es zu sichern, bin ich ins Wasser gefallen und hab nur noch gedacht: Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden.“ Er hat es schafft, sich und die Escargot in Sicherheit zu bringen. Ob das Boot – wie er selbst auch – Blessuren davon getragen hat, weiß Müller noch nicht. Das werde erst sichtbar, wenn das Boot – irgendwann – per Kran aus dem Wasser geholt wird zur Begutachtung.

Eine der Escargots der Grünen Flotte aus Mülheim war beim Hochwasser eingekeilt worden zwischen einem deutlich größeren Schiff und einem Steg.
Eine der Escargots der Grünen Flotte aus Mülheim war beim Hochwasser eingekeilt worden zwischen einem deutlich größeren Schiff und einem Steg. © Dirk Müller

Die beiden anderen Escargots lagen während des Hochwassers genau wie das Wikingerboot MüWi, das Sportboot Mari und das Freizeitboot Nicole der Grünen Flotte im Mülheimer Hafengebiet. Dort wachte Müller den Rest der Nacht gemeinsam mit Rainer Knoop vom Yacht Club und war in Alarmbereitschaft, mit Treckern. „Wir wollten es nicht riskieren, die Schiffe alleine zu lassen“, sagt der Hafenmeister, denn: „Wir wussten ja nicht, was noch kommt. Zwischenzeitlich hieß es, dass eventuell die Schleusen in Mülheim geöffnet werden.“ Wer weiß, wie schlimm es dann am Schifffahrtskanal gekommen wäre. Von weiter oben am Flusslauf, dort wo die Ruhr schon bedrohlich über die Ufer getreten war, hatten sie mitbekommen, was da los ist – vom Hörensagen.

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Hafenmeister kritisiert: „Wir hätten frühzeitig eine Warnung bekommen müssen.“

Überhaupt: Information sei Mangelware gewesen in den ungewissen Stunden des Hochwassers. „Wir hätten frühzeitig eine Warnung bekommen müssen von den Betrieben der Stadt und vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt oder von der Bezirksregierung“, kritisiert der Hafenmeister rückblickend. Seit 21 Jahren ist Knoop im Yacht Club an der Hafenstraße, solch ein Hochwasser aber hat er an der Ruhr noch nicht erlebt.

Mit einem blauen Auge seien sie davon gekommen, sagen die beiden Männer. Wie es nun weitergeht, wann die Schiffe wieder über die Ruhr fahren können, das weiß keiner so genau. „Am Diensttag waren Peilschiffe unterwegs, die den Untergrund sondiert haben, falls da etwas runtergespült worden ist, durch das fahrende Schiffe beschädigt werden könnten“, hat Hafenmeister Knoop beobachtet. Müllers Prognose für die Schifffahrt auf der Ruhr ist eher düster: „Das dauert noch lange, bis die Boote wieder fahren können“, sagt der Grüne-Flotte-Betreiber und fürchtet: „Meine Saison ist gelaufen. Und ob ich Zuschüsse bekomme, ist fraglich.“