Mülheim. Am Ruhrufer in Mülheim-Speldorf kann man kleine Haustretboote mieten, die Escargots (Schnecken) genannt werden. Bei mehrtägigen Touren übernachtet man auf dem Fluss, irgendwo zwischen Styrum und Steele. Grillen an Bord geht allerdings gar nicht...
Für ganz spezielle Flusskreuzfahrten kann man in Speldorf an Bord gehen, Hafenstraße 15. Hier, am Ufer der Ruhr, liegen vier Hausboote vor Anker, die zur Grünen Flotte gehören. Beim Einstieg in die einzige Kabine mit Gaskochstelle und Campingklo zieht man den Kopf ein, als Abendgarderobe empfiehlt sich ein Fleecepulli, und das Fitnessprogramm findet auf zwei Fahrradsätteln unter freiem Himmel statt. Die Wasserfahrzeuge werden wahlweise mit Pedalen oder kleinen Außenbordmotoren betrieben, sie heißen „Escargot“ (frz. Schnecke) wegen ihres gemächlichen Tempos.
Mit Gründung der Grünen Flotte im Jahr 2003 machte Wulf-Jürgen Franke, Maschinenbau-Ingenieur und Wassersportler, sein Hobby zum Beruf. In der Saison von April bis Oktober vermietet seine Firma die Escargots für Junggesellenabschiede, Hochzeitsreisen, Familientouren, Betriebsausflüge. Sechs Personen haben auf einem Hausboot Platz, vier können auf dem Matratzenlager übernachten.
Gäste gut vorbereiten
Ein Führerschein ist nicht nötig, um die Schnecken zu steuern, jedoch beginnt jede Ruhr-Tour mit einer einstündigen Einweisung, in deren Rahmen auch diese wichtige Sicherheitsregel vermittelt wird: Grillen an Bord ist verboten. Wulf-Jürgen Franke, inzwischen 66 und allmählich auf dem Rückzug aus der Firma, hat schon Boote zurück bekommen, die Brandschäden von Einweg-Grills aufwiesen.
Die Gäste sollen gut vorbereitet aufs Wasser gehen, aber komplett vorkauen will er ihnen die Ruhr-Route nicht: „Das ist euer Amazonas“, gibt Franke den Leute mit auf den Weg, „ein bisschen Abenteuer muss dabei sein.“ Ein etwa 30 Kilometer langer Flussabschnitt zwischen Styrum und Steele steht den Freizeitkapitänen und ihrer Crew zur Verfügung. Sie zahlen, je nach Bootsmodell, 190 bis 240 Euro pro Tag, ist man länger unterwegs, wird es allerdings deutlich günstiger.
Billiger Ersatzurlaub
„Als Wochenend-Trip ist es relativ teuer“, weiß Franke, „aber wenn man mit der Escargot einen Ersatzurlaub macht, kommt man billiger weg als in Holland.“ Zwei Wochen war bisher die längste Buchung. Übernachten kann man an Sportboothäfen längs der Ruhr. Von der Mülheimer Marina rät Franke ab: „Dort wurden Leute schon angepöbelt oder mit irgendwelchen Gegenständen beworfen.“
Der schönste Ankerplatz liegt aus seiner Sicht am Schevener Hof zwischen Kettwig und Werden. „Der Reiz ist, auf dem Wasser zu schlafen, möglichst abseits, so dass man die Natur hört.“ Ein ungewohntes Ambiente für schippernde Großstädter: „Ich hatte schon Menschen hier, die sagten: ,Wir konnten nicht schlafen, die Frösche haben so laut gequakt.’“
Inzwischen fährt jede Escargot mit Hilfsmotor
Gebaut wurden drei der vier Escargots (ausgenommen das stärker motorisierte Modell „Vitesse“) in der Mülheimer Bootswerft Hesse. Sie entstanden nach Entwürfen des US-Amerikaners Philip Thiel, der die Grüne Flotte an der Ruhr auch einmal persönlich besuchte, wie Wulf-Jürgen Franke berichtet. Der Mann aus Seattle, dessen Idee in mehreren Ländern umgesetzt wurde, habe geschwärmt: „Das sind meine schönsten Töchter.“
Anfangs waren die Hausbötchen nur pedalbetrieben, „mittlerweile haben alle auch einen Motor“, erklärt Franke, „weil die Leute fauler werden, aber auch aus Sicherheitsgründen“. Denn bei stärkerer Strömung lassen sie sich allein mit Muskelkraft nicht mehr manövrieren. Wer jedoch strampeln möchte, kann dies nach wie vor: Sitzt einer alleine im Sattel, dann fühlt sich dies an „wie mit dem Fahrrad bergauf“ weiß Franke aus intensiver eigener Erfahrung, „zu zweit fährt man wie auf einer Ebene“. Wer es spontan ausprobieren möchte: Einige Buchungstermine in den Sommerferien sind noch frei.