Mülheim. Die Mülheimer Verbraucherberatung musste im letzten Pandemiejahr viele Fragen zu Reisen und Online-Handel beantworten. Oft ging es um viel Geld.

Die Corona-Pandemie hat auch die Mülheimer Verbraucherschützer im vergangenen Jahr vor neue Aufgaben gestellt. Gab es zu Beginn der Pandemie viele Anfragen der Mülheimerinnen und Mülheimer zur Stornierung von längst gebuchten Reisen, so kamen im Laufe des Jahres immer mehr Ratsuchende, die Hilfe bei Problemen mit dem Online-Handel benötigten. Zudem fielen auch immer mehr Bürger in Geldnot auf angebliche schufafreie Sofortkredite herein. 4700 Fälle haben die Mülheimer Verbraucherschützer im Coronajahr 2020 insgesamt bearbeitet; darunter waren auch 1760 Rechtsberatungen.

In Mülheim mussten Reisen im Wert von 20.000 Euro storniert werden

Zu Beginn der Pandemie sei die Stornierung der gebuchten Pauschalreisen noch recht einfach gewesen, habe es doch eine weltweite Reisewarnung bis Mitte Juni gegeben, erinnert Christiane Lersch, die Leiterin der Mülheimer Verbraucherzentrale. Doch mit der Rückerstattung der bereits bezahlten Reisen hätten sich etliche Veranstalter reichlich Zeit gelassen. „Viele haben auf eine Gutscheinlösung gehofft, die dann aber nicht kam“, so Lersch. Gutscheine habe es zwar für ausgefallene Veranstaltungen wie Konzerte und für geschlossene Fitnessstudios gegeben, aber nicht für die Reisebranche. „Besonders verärgerte es die Menschen, wenn Anbieter auf ihre Anfragen gar nicht oder erst nach Wochen reagierten“, berichtet die Beratungsstellenleiterin

Christiane Lersch leitet die Mülheimer Verbraucherzentrale.
Christiane Lersch leitet die Mülheimer Verbraucherzentrale. © FUNKE Foto Services/Archiv | Michael Dahlke

Innerhalb von 14 Tagen nach Reiseausfall hätten die Reiseveranstalter Geld erstatten müssen, so Lersch, vielfach sei das nicht geschehen. Dabei waren die Verbraucher mit teils sehr hohen Summen in Vorleistung getreten. „Summen von um die 20.000 Euro waren keine Seltenheit“, erinnert sich Christiane Lersch. Reisewarnungen, Quarantäne- und Testpflichten – vieles änderte sich ständig, die Verbraucherschützer mussten so ständig „am Ball“ bleiben. „Wir waren viel auf den Seiten des Auswärtigen Amts unterwegs“, so Lersch. Zum Nutzen der Verbraucher: „Dank Ihres Einsatzes habe ich das Geld für eine Kreuzfahrt zurückbekommen“, bedankte sich etwa ein Mülheimer (56) beim Team um Christiane Lersch.

Das Einkaufsverhalten hat sich verändert – und die Fragen der Verbraucher auch

Reisen war schwierig im Sommer 2020: „Man konnte nie mit Sicherheit sagen, darf ich da in ein paar Wochen noch hin – oder will ich das überhaupt noch?“, erinnert sich Lersch. Die Entscheidung, ob man selbst storniert, oder ob man wartet, bis es der Reiseveranstalter tut, konnten die Verbraucherberaterinnen den Mülheimern nicht abnehmen. Nur darüber informieren, welche Rechte man hat und auf welchen Kosten man möglicherweise sitzenbleibt, wenn man selbst storniert. Derzeit, so Christiane Lersch, sei es vor den Gerichten noch strittig, ob Stornogebühren erstattet werden müssten, wenn der Kunde zwar von sich aus storniert habe, der Veranstalter später die Reise aber auch nicht mehr anbieten konnte. „Ich schätze, das geht in ein paar Jahren noch letztinstanzlich bis zum Bundesgerichtshof.“

Wo das Risiko beim Verbraucher liegt

Wertgutscheine für Veranstaltungen, etwa für in der Pandemie ausgefallene Konzerte, kann man erst nach dem 1.1.2022 in Bargeld einlösen, so die Verbraucherzentrale.

Hier liege das Risiko allein beim Verbraucher, kritisiert Christiane Lersch, denn es könnte ja sein, dass es den Veranstalter dann schon nicht mehr gibt.

Beim Lockdown mit geschlossenen Läden „hat sich das Einkaufsverhalten immens verändert“, so die Leiterin der Verbraucherzentrale. Mancher Mülheimer sei auf „Fake Shops“ hereingefallen, habe dort angebotene Ware bestellt und nie erhalten. Das Geld war dann zwar weg, Christiane Lersch und ihr Team konnten nur noch aufklären: „Achten Sie darauf, dass es ein Impressum gibt und die ABG (Allgemeine Geschäftsbedingungen) auf Deutsch sind, leisten Sie keine Vorkasse.“

Verbraucher sind nicht hilflos, wenn der Internet-Shop sich Zeit mit der Lieferung lässt

Aber auch seriöse Anbieter kamen mit ihren Lieferungen oft nicht hinterher – obwohl sie zugesagt hatten, „innerhalb von 2 bis 6 Tagen“ zu liefern. Ärgerlich, wenn man den neuen Laptop sofort braucht, und der dann auch nach drei Wochen immer noch nicht da ist. Doch Verbraucher sind hier nicht hilflos: „Online-Shops müssen eine konkrete Lieferfrist angeben und diese auch einhalten. Nachträgliche Veränderungen der Lieferfrist aufgrund von Produktions- oder Lieferschwierigkeiten des Händlers müssen Kunden nicht akzeptieren“, erklärt Christiane Lersch. Verbraucher könnten dann eine Nachfrist von einigen Tagen setzen, und wenn diese nicht eingehalten werde, den Rücktritt vom Kaufvertrag und gleichzeitig Schadenersatzansprüche ankündigen, so Lersch.

4700 Fälle haben die Mülheimer Verbraucherschützer im Coronajahr 2020 insgesamt bearbeitet.
4700 Fälle haben die Mülheimer Verbraucherschützer im Coronajahr 2020 insgesamt bearbeitet. © Udo Milbret/Archiv

In Geldnot geriet so mancher Verbraucher in der Kurzarbeit oder nach dem Jobverlust. Kredite sind dann aber trotzdem zu bedienen. Die Verbraucherberaterinnen klärten daher häufig über das so genannte Pfändungsschutzkonto (P-Konto) auf, so dass ein bestimmter Betrag zum Leben vor den Gläubigern geschützt ist. „Wir hatten im vergangenen Jahr auch mehrfach Stromsperren“, so Lersch. „Es sind ja auch alle Nebenjobs in der Coronazeit weggefallen“, weiß sie. „Da greifen manche dann nach jedem Strohhalm.“

Mülheimer Verbraucher in Geldnot greifen auch nach unseriösen Angeboten

Bei der irreführenden Werbung zu sogenannten „schufafreien Sofortkrediten“ entstanden zwar mehrere Hundert Euro Kosten für eine Prepaid-Kreditkarte oder eine Bonitätsauskunft, einen Kredit gab es nicht. Wer aber dann nicht zahlte, hatte schnell ein Inkasso-Büro am Hals, so Christiane Lersch. Auch hier half die Mülheimer Verbraucherzentrale, die Forderungen abzuwehren.

Seit gut einer Woche beraten die Mitarbeiterinnen der Verbraucherzentrale an der Leineweberstraße 54 auch wieder persönlich. Man muss aber zuvor einen Termin vereinbaren und sich an Hygieneregeln halten. Christiane Lersch betont, dass vorrangig besonders hilfsbedürftige Personen Termine bekommen, etwa Senioren, die nicht so internetaffin sind. Alle anderen Verbraucher werden gebeten, sich zunächst telefonisch beraten zu lassen. Kontakt: 0208 / 69605301; www.verbraucherzentrale.nrw/beratungsstellen/muelheim