Mülheim. Viele Mülheimer Impfberechtigte machen Termine beim Hausarzt und anderswo. Im Impfzentrum gab es Sonntag 150 Absagen. 50 Termine sind verfallen.

Seit Ostern dürfen die Haus- und Fachärzte gegen Corona impfen, machen Termine für ihre impfberechtigten Patienten, unter anderem für Vorerkrankte. Werden die Impftermine dann nicht wahrgenommen, stellt das die Praxen vor einen größeren Planungsaufwand. Auch das Impfzentrum bemerkt, dass sich Patienten derzeit schnell umorientieren: Für den vergangenen Sonntag wurden 150 Termine kurzfristig abgesagt oder einfach nicht wahrgenommen. Das bremst das Impftempo aber für alle.

„Wir hatten für den Sonntag 100 Absagen im Impfzentrum, die wir noch nachbesetzen konnten“, sagt Feuerwehrchef Sven Werner. „50 weitere Impfberechtigte sind am Sonntag einfach nicht gekommen.“ Diese Termine seien nun verfallen, so Werner, hätten aber für andere Impfwillige genutzt werden können. Der Impfstoff im Impfzentrum hingegen verfällt nicht, der werde zeitgenau und nach Bedarf aufbereitet, betont Sven Werner.

100 kurzfristig abgesagte Termine im Mülheimer Impfzentrum wurden nachbesetzt

„Es ist menschlich verständlich, dass man dorthin geht, wo man die Impfung zuerst bekommt“, sagt der Feuerwehrchef. „Wenn das aber täglich geschieht, wird das schwierig.“ 150 Absagen für einen Tag, das sei schon extrem gewesen. „Das ist ein Riesenarbeitsaufwand für uns, die Termine rauszusuchen und dann andere Bürger anzurufen.“ Wenn alle Berechtigten stets zwei Termine machen würden, rechnet Sven Werner vor, „könnte ja nur die Hälfte der Leute geimpft werden.“ Er appelliert: „Wenn Sie einen Termin gemacht haben, dann halten Sie sich bitte daran. Oft ist das doch nur ein Unterschied von ein paar Tagen.“ Die Entwicklung sei im Land bekannt, empfohlen werde, die Termine zu überbuchen, um die Ausfälle auszugleichen, so Sven Werner. Mülheim mache auch, in Maßen: „Man muss das dann am Ende aber auch bewältigen können“, wendet er ein.

„Verständlicherweise nehmen die Leute den Impftermin dort wahr, wo er zuerst ist“, sagt auch Stephan von Lackum, Mülheimer Hausarzt und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mülheim. Das sei ja auch völlig legitim. Doch für die Planung in den einzelnen Praxen werde das sehr problematisch. Er nennt als Beispiel etwa den Über-60-Jährigen mit Vorerkrankungen, der zur Krebsvorsorge zu seinem Urologen geht. Dort wird er dann auch gleich geimpft. Und dann versäumt er, den Impftermin beim Hausarzt oder im Impfzentrum in ein paar Tagen abzusagen. Doch dort wird ja der Impfstoff für den einen Patienten reserviert und vorgehalten.

Am Ende der Sprechstunde ist Impfstoff übrig, weil Termine nicht eingehalten werden

In der letzten Woche bekam von Lackum am Freitagmittag einen Anruf von einem Kollegen, der bereits aufgezogenen Impfstoff nicht an den Mann oder die Frau bekam, weil Impftermine nicht eingehalten wurden. Es konnten am Ende zwar noch Impfwillige gefunden werden, doch für die Praxen sei es auf Dauer ein „unglaublicher Aufwand“, so von Lackum. Viele Praxen haben Mittwoch- und Freitagnachmittag keine Sprechstunde. „Die Kollegen sitzen dann da und warten“, erklärt von Lackum. Für die Angestellten fallen überflüssige Überstunden an, die bezahlt werde müssten.

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Von Lackums Befürchtung: Die Problematik wird in den kommenden Wochen noch zunehmen. Ein Indiz dafür: Er habe in der vergangenen Woche eine Mitarbeiterin für einen Tag freigestellt, um Termine für die 145 Impfdosen, die er für seine beiden Praxen in dieser Woche erwartet, zu machen. Nur bei den impfberechtigten Patienten, die er auf seiner Liste hatte. „60 Anrufe landeten bei Leuten, die schon geimpft waren – beim Facharzt oder im Impfzentrum“, sagt er.

Für niedergelassene Hausärzte ist der Planungsaufwand kaum zu bewältigen

Impfen: Antrag auf Höherpriorisierung

Ein Antrag auf Höherpriorisierung, Gleichstellung oder Feststellung der Impfkategorie beziehungsweise die Registrierung steht für alle Bürgerinnen und Bürger auf der Online-Seite der Stadt bereit. https://www.muelheim-ruhr.de. Suche: Höherpriorisierung.

Es besteht die Möglichkeit, einen Antrag als Vorerkrankter gemäß Corona-ImpfVerordnung zu stellen. Als Nachweis ist ein aktuelles ärztliches Attest nötig.

„Das ist ja alles redlich, aber stellen Sie sich den Aufwand für uns vor. Das ist für die niedergelassenen Praxen eine nicht zu bewältigende organisatorische Aufgabe.“ Er appelliert an die Bürger: „Melden Sie sich nicht an verschiedenen Stellen für eine Impfung an.“ Denn der immer noch knappe Impfstoff soll ja auch auf keinen Fall verworfen werden. Dr. von Lackum begründet mit dem hohen Logistikaufwand auch den Wunsch nach einer Aufhebung der Priorisierung. „Es entstehen zunehmend Probleme mit der Terminvergabe zur priorisierten Impfung in den Praxen. Die vorgehaltenen Impfdosen sind sonst auf Dauer nicht so zu verimpfen.“