Mülheim. In Mülheim impfen 77 von 343 niedergelassenen Ärzten ihre Patienten in den Praxen. Eine Hausärztin berichtet, was eine Impfsprechstunde bedeutet.

Bei der Bekämpfung der Pandemie kommt den niedergelassenen Ärzten besondere Bedeutung zu. Seit Ostern können sie ihre Patienten impfen, wenn auch nicht in dem Umfang, wie viele es sich wünschen würden. Denn der Impfstoff ist noch knapp. Impfen beim Hausarzt ist ja tägliche Praxis, eigentlich. Doch in einer Pandemie brauchen viele auf einmal das schützende Vakzin. Neben dem normalen Praxisbetrieb ist das kaum zu stemmen. Viele Praxen haben extra Impfsprechstunden eingerichtet. So wie Dr. Hannelore Turek in der Stadtmitte.

Hannelore Turek führt ihre hausärztliche Praxis seit 30 Jahren am Löhberg. „Mit Leib und Seele“, wie sie betont, unterstützt von ihren drei Medizinischen Fachangestellten. 800 bis 1000 Patienten betreut das Frauenteam im Quartal. Das Impfen im laufenden Betrieb sei nicht zu schaffen. „Wir müssen das ja auch genau planen“, erklärt Dr. Turek. Zu planen ist einiges: Die Patienten müssen angerufen, aufgeklärt und einbestellt werden, die Praxis muss groß genug sein, damit sich auch bei der Wartezeit nach der Impfung niemand in die Quere kommt. Nach dem Impfen wird eine Aufstellung an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) geschickt.

Jede Mülheimer Praxis dürfte impfen, aber den Mehraufwand schaffen nicht alle

Der Mehraufwand dürfte auch der Grund dafür sein, dass in Mülheim nicht alle 343 niedergelassenen Haus- und Fachärzte gegen Corona impfen. „77 Praxen machen derzeit mit, das sind 55 Hausärzte und 22 Fachärzte“, sagt Dr. Stephan von Lackum, KV-Vorsitzender in Mülheim. Impfen und den Impfstoff bestellen könne zwar jede Praxis, „aber es passt ja nicht bei jeder Praxis in den Ablauf“, so von Lackum.

Dr. Turek und ihr Team machen es passend, allerdings verbunden mit viel Logistik, einem erhöhten zeitlichen und auch finanziellen Aufwand. Denn die Überstunden, die ihre Mitarbeiterinnen für die Impfsprechstunden und die Vorbereitung machen, die muss die Chefin ja begleichen.

In ihrer Impfsprechstunde klärt die Mülheimer Hausärztin Dr. Hannelore Turek ihre Patienten auf.
In ihrer Impfsprechstunde klärt die Mülheimer Hausärztin Dr. Hannelore Turek ihre Patienten auf. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Die erste Impfsprechstunde hat Hannelore Turek am Mittwoch nach Ostern gehalten. 20 Dosen Biontech-Vakzin mussten in die Oberarme derjenigen, die nach der Prioritätenliste an der Reihe waren. Auf der Liste stehen auch einige über 80-jährige Patienten, die lieber zum Hausarzt gehen wollten und nicht ins Impfzentrum. Kein Problem für die Hausärzte, sagt Hannelore Turek: „Wir kennen unsere Patienten und ihre Erkrankungen ja am allerbesten.“ Ihre Impfliste sei sehr lang, sagt Dr. Turek und betont, dass sie derzeit nur die eigenen Patienten impft. Und die sollen in Zeiten knappen Impfstoffs nicht „hinten anstehen“.

Die Handhabung von Biontech-Impfstoff müssen auch erfahrene Ärzte üben

In der zweiten Woche konnte Hannelore Turek 51 Patienten impfen, in der dritten Woche, mangels Impfstoff, 22 Patienten. Darunter waren auch zehn, die Astrazeneca bekamen. „Wir hatten bisher keine Probleme damit. Astrazeneca haben unsere Patienten auch akzeptiert.“ Die Praxis nehme jeden Impfstoff, den sie bekommen könne. „Ab nächster Woche soll es ja wieder mehr werden und sich dann noch steigern.“

Die Impfung bezahlt der Staat

Der Haus- oder Facharzt erhält pauschal für eine Impfung 20 Euro pro Patient sagt Dr. Hannelore Turek.

Abgerechnet werde nicht mit den gesetzlichen oder privaten Krankenkassen, sondern mit dem Bundesamt für soziale Sicherung, also einer Bundesbehörde.

Für die kommende Woche rechnet die Praxis mit acht Ampullen Biontech, also 48 Impfdosen, mindestens. Die Handhabung sei bei Biontech nicht so ganz einfach, erklärt die Ärztin: Auch sie mit ihrer jahrzehntelangen Praxiserfahrung habe die Aufbereitung des Impfstoffs und das Aufziehen erst üben müssen. „Da braucht man viel Fingerspitzengefühl“, sagt sie. „Man muss sehr konzentriert arbeiten.“

Ärzte in den Impfzentren hätten es da leichter, weiß sie, die bekämen die aufgezogenen Spritzen schon von den Pharmazeuten impffertig vorgelegt. Inzwischen ist das bei Dr. Turek natürlich auch längst Routine. Sechs Impfdosen aus einem Impfstoff-Mehrdosenbehältnis, auch Vial genannt, sind normal, manchmal sogar eine siebte. Dann wird noch ein Patient von der Prioritätenliste angerufen. „Und die sind dann meistens sehr schnell da.“

Patienten empfinden Dankbarkeit und Rührung im Moment der Impfung

Der Impfmoment sei immer noch ein sehr besonderer, sagt Dr. Turek, die viel Dankbarkeit und Erleichterung erlebt. „Es ist etwas ganz anderes als etwa bei der Impfung gegen Grippe oder Tetanus.“ Meistens sei es sehr ruhig im Raum, manche der Patienten bekämen gar feuchte Augen. „Es kommen auch nur wenige Fragen, denn die Patienten haben ja schon viel über das Impfen gelesen. Und man kennt sich ja aus den laufenden Behandlungen.“

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Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Wir brauchen mehr Impfstoff, damit wir die Bevölkerung durchimpfen können“, sagt Hannelore Turek. „Wir können die Pandemie nur bekämpfen, wenn wir impfen, impfen, impfen.“ Pandemiemüde sind ja jetzt viele Menschen, wie auch die Ärztin täglich sieht: „Ich wünsche mir auch, dass die Menschen weniger aggressiv miteinander umgehen. In diesen schweren Zeiten müssen wir – im übertragenen Sinne – zusammenrücken und mehr füreinander da sein.“ Sie schätzt, dass sich alle Hausarztpraxen, die impfen, auch zeitlich reinhängen würden bis zum Wochenende, um die Pandemie zu besiegen. Wenn, ja wenn nur mehr Impfstoff zu bekommen wäre.