Mülheim. In ersten Mülheimer Praxen wird Astrazeneca verimpft, was manche Patienten ablehnen. Hausarzt Brock kritisiert die gesamte Impfstoff-Strategie.

Seit vergangener Woche impfen die niedergelassenen Ärzte. Die Hausärzte haben bislang Biontech bekommen, während ein kleines Astrazeneca-Kontingent auch an Fachärzte ging. Für manche Patienten ist dieser Impfstoff zweite Wahl, einige lehnen ihn ab.

Mülheimer Hausarzt zu Astrazeneca: „Man muss die richtigen Leute ansprechen“

Der Mülheimer Hausarzt Uwe Brock konnte bislang ausschließlich mit Biontech arbeiten. Kommende Woche erwartet er erstmals auch eine Astrazeneca-Lieferung. Wie viele seiner Patienten entschlossen „Nein“ sagen werden, weiß Brock noch nicht. Seine Vermutung ist: „Man muss die richtigen Leute ansprechen, die Anfang 60 sind und eigentlich gesund.“

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Bei diesen Menschen, die noch lange keinen Impftermin in Aussicht haben, sei die Akzeptanz von Astrazeneca viel höher als bei Vorerkrankten und Älteren, die schon näher an einer regulären Impfung sind. „Viele warten dann lieber, bis sie bald Biontech bekommen“, so Brock, der als einer von fünf Ärzten in einer Gemeinschaftspraxis im Mülheimer Ruhrquartier arbeitet.

„Jeder Geimpfte ist ein Fels in der Brandung“

Der Hausarzt ist aber sicher: „Wenn die Inzidenz so hoch bleibt, wird auch die Akzeptanz bei den Jüngeren steigen. Denn jeder Geimpfte ist ein Fels in der Brandung.“

Im Gegensatz zu den Hausärzten haben Fachärzte nur Astrazeneca zur Verfügung. Etwa Frauenärztin Dr. Eva Niedziella-Rech, die vorerkrankte Frauen über 60 zum Impfen einladen konnte. „Darunter sind viele, die lieber Biontech wollen“, berichtet die Gynäkologin. „Aber ich diskutiere nicht und überrede niemanden, der Astrazeneca nicht haben möchte.“

Frauenärztin: Viele Patientinnen wollen lieber Biontech

Was sie keinesfalls tut: Übrig gebliebene Astrazeneca-Dosen an jüngere Patientinnen weitergeben. Auch Uwe Brock lehnt das Verimpfen von Astrazeneca an Patienten unter 60 ab, obwohl es grundsätzlich „nach ärztlichem Ermessen“ erlaubt bleibt, wie das Robert-Koch-Institut gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) feststellt. Eine Impfung von Menschen U60 sei „bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung“ der Patienten möglich, heißt es da.

Hausarzt Brock, zugleich Vorsitzender der Mülheimer Kreisärztekammer, sieht noch ein schwerwiegenderes Problem: Ihm macht die aktuelle Impfstoff-Strategie große Sorgen. „Dass die Impfzentren weiterhin Biontech an Ältere verimpfen, ist ein ganz gefährliches Spiel“, meint er.

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Denn alle, für die Astrazeneca empfohlen bleibt, seien bald geimpft. Dann kämen die unter Sechzigjährigen, und für sie gäbe es nicht mehr genügend Vakzin jenseits von Astrazeneca. Schon in fünf, sechs Wochen könnte es eng werden, fürchtet der Mülheimer Arzt, wenn viele Menschen der Generation U60 nicht auf eigenen Wunsch und unter Befürwortung eines Mediziners doch auf Astrazeneca zurückgreifen. „Wir verspielen die Chance, in wenigen Monaten große Personengruppen durchzuimpfen.“