Mülheim. Mülheim wirkt zur Ausgangssperre wie verlassen. Doch halten sich wirklich alle daran? Ein Streifzug durch die nächtliche Stadt mit Überraschungen.
Kurz vor Mitternacht auf den Straßen von Mülheim: Alles ist ruhig, die Straßen sind verlassen. Keine lachenden Stimmen, keine Menschengruppen an der Ruhr. Es ist der erste Abend in Mülheim, an dem die bundesweite Ausgangssperre ab 22 Uhr gilt. Leere Busse, leere Haltestellen, leere Straßen – über der Stadt liegt eine geisterhafte Stille. Wer jetzt noch unterwegs ist, wirkt irgendwie verdächtig, erntet misstrauische Blicke.
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Der sonst lebhafte Stadthafen wirkt wie leer gefegt
Denn Ansammlungen von Menschengruppen sollen verhindert werden, um die Ausbreitung des Corona Virus zu verringern. Wirkung zeigt die neue Regelung durchaus: Mülheim wirkt wie ausgestorben, gleicht fast schon einer Geisterstadt. Busse und Bahnen fahren zwar noch, Fahrgäste sind in diesen allerdings nicht mehr zu sehen.
An der Haltestelle Stadtmitte und am Hauptbahnhof, wo sich vor der Pandemie jeden Samstagabend noch viele Menschen tummelten und die blaue Stunde genießen, herrscht gähnende Leere. Auch der Stadthafen ist wie leer gefegt, lediglich vereinzelte Radfahrer und Fußgänger kommen vorbei. Diese werfen einander misstrauische Blicke zu, jeder scheint die Augen offen zu halten, um der Polizei der dem Ordnungsamt nicht in die Arme zu laufen.
„Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause“, erklärt ein Mann, welcher alleine die Schloßstraße heruntergelaufen kommt. Rechtfertigen braucht er sich nicht, schließlich sind trotz Ausgangsbeschränkungen bis 24 Uhr Spaziergänge erlaubt – aber allein.
Ordnungsamt schließt zwangsweise zwei Ladenlokale
Und offenbar hatte der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) vorgearbeitet. Bereits am Freitag informierte dieser viele Gewerbetreibende über die neue Rechtslage vor Ort. „Die Lebensmittelbetriebe mussten sich mit der Änderung ihrer betriebliche Organisation auseinandersetzen und sicherstellen, dass die Kunden 1,50 Meter Abstand zueinander einhalten können“, erläutert Stadtsprecher Volker Wiebels.
Freilich, es gab die seltenen Ausnahmen: Schon am Freitag gegen 19 Uhr mussten die Mitarbeiter den Spielplatz an der Aktienstraße mit über 100 Personen räumen. „Alle Personen verließen friedlich den Platz“, informiert Wiebels. Ab 22 Uhr kontrollierten sie die Einhaltung der Ausgangssperre erneut: Es wurden im Verlauf rund 30 Personen angetroffen, die sich ohne triftigen Grund im öffentlichen Raum aufhielten, und nach Hause geschickt wurden.
Am Samstag zeigte sich vereinzelt, dass viele Ladenbetreiber offenbar die vorgeschriebene Kundenzahl im Geschäft nicht einhielten. Zwei Betriebe, die nicht hätten öffnen dürfen, mussten geschlossen und versiegelt werden. Zudem erhielt das Ordnungsamt zwar Hinweise über angebliche private Partys. „Es wurden aber keine festgestellt“, so Wiebels. Allerdings hielten sich dort mehr als zwei Haushalte auf.
Taxifahrer haben nicht viel zu tun: „Seit 22 Uhr ist nichts mehr los.“
Das sind die Ausgangsbeschränkungen
Bundesweit greift seit dem 24. März in Städten mit einer andauernden Sieben-Tage-Inzidenz über 100 die Corona Notbremse – so auch in Mülheim.
Zwischen 22 und 5 Uhr gelten Ausgangsbeschränkungen. Ausnahmen gelten bei triftigen Gründen, wie beruflichen Tätigkeiten, medizinischer Notfälle oder der Versorgung von Tieren.
Zwischen 22 und 24 Uhr sind Spaziergänge draußen erlaubt, allerdings nur alleine.
Ereignisse wie diese, bleiben auch beim abendlichen Streifzug durch die Stadt die Ausnahme: Statt Party-Sound sind die einzigen Geräusche das Quaken der Enten an der Ruhr – und ab und an die Sirenen eines Rettungsfahrzeuges. In den wenigen Autos, welche die Straßen entlangfahren, ist jeweils immer nur eine Person zu erkennen. Ebenso hört man keine laute Musik aus den Autos dröhnen, offenbar sind nur wenige „Lustfahrer“ unterwegs, die durch Mülheim cruisen.
Und sieht man doch mal ein Fahrzeug, so ist dies oftmals ein Streifenwagen, ein Bus oder ein Taxi. „Seit 22 Uhr ist heute nicht mehr viel los“, berichtet ein Taxifahrer. „Wenn heute Abend doch noch eine Person einsteigen möchte, frage ich sie erst nach dem Grund für die Fahrt. Ob derjenige zum Beispiel zur Arbeit gefahren werden muss oder so.“
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Selbst Dinosaurier bleiben in der Höhle
Viel Kritik hat es in jüngster Vergangenheit besonders am Verhalten von manchen Einwohnern in Styrum und an der Eppinghofer Straße gegeben. Wer hier Verstöße erwartet hat, erlebt an diesem Abend vielleicht eine Überraschung: Es ist nicht anders als in den sonstigen Stadtteilen auch: Lediglich ein Zeitungsbote läuft den Bürgersteig entlang. Auch der berühmt-berüchtigte Dinosaurier, der vergangene Woche durch Mülheimer Straßen und Medien schlurfte, ist hier nirgends zu sehen. Und hat glücklicherweise keine Nachahmer gefunden.
Dafür hat er – oder war es ein „Bruder“ – sich aber tagsüber am Ruhrufer herumgetrieben, wo er Seifenblasen für Kinder pustete. Doch die bundesweite nächtliche Ausgangssperre trieb auch ihn offenbar in sein Revier zurück.
Der Blick nach Styrum zeigt dasselbe Bild: An der Haltestelle Sültenfuß, wo tagsüber meist ziemlich viel los ist, hält man sich an die Ausgangssperre. Der Platz ist, ebenso wie das restliche Mülheim, so gut wie menschenleer. Hundebesitzer, einzelne Spaziergänger und Radfahrer bleiben die einzigen, die die „Geisterstadt“ Mülheim heimsuchten.
Unseren subjektiven Eindruck bestätigen bislang auch Polizei und Ordnungsamt. Die Überprüfung der Ausgangssperre ergab weniger Personen waren unterwegs, die meisten von ihnen mit ihren Hunden.