Ruhrgebiet. Keine Randerscheinung, aber auch kein Massenphänomen: Jugendliche treffen sich ordnungswidrig auf Sportplätzen. Die Kontrolle ist schwierig.
Dass muss noch die gute alte Zeit gewesen sein, als auf Fußballplätzen nur „Befahren und Mitführen von Hunden verboten“ war. So steht’s noch auf einem Schild beim ESC Preußen 02 in Essen, ansonsten ist die Anlage dicht. So wie fast alle gerade mal wieder.
„Stadt Bochum: Sportplatz gesperrt“ hängt am Tor des SC Werne ebenso wie bei Rot-Weiß Stiepel aus, der TuS Helene in Essen hat eine Kette vorgelegt, und die Sportfreunde Sterkrade bauen eh gerade um. Treffen auf den Plätzen, Trainingsbetrieb gar sind wegen der Pandemie reglementiert bis unmöglich. Doch es gibt ordnungswidrige Ausnahmen.
„Solche Treffen fallen auf unseren Verein und seinen Ruf zurück“
Eine Woche ist es her, dass ein Verein im Oberhausener Süden auffiel. Viele Jugendliche auf dem Platz, wenig Abstand, gute Stimmung, Umarmungen. Eine Spaziergängerin ruft beim Ordnungsamt an, das geht dazwischen. Und stellt fest, dass das Tor zum Platz aufgehebelt worden ist.
Solche Treffen „fallen auf unseren Verein und seinen Ruf zurück“, klagt ein Vorstandsmitglied: „Deswegen verstehen wir die Verunsicherung der Spaziergänger, wenn Sie ein solches Treiben beobachten.“ Was tun? „Natürlich läuft zwischendurch mal eines unserer Mitglieder mit seinem Hund am Gelände entlang, aber eine dauerhafte Kontrolle können Sie nicht leisten.“ Ähnliche ordnungswidrige Treffen sind auch aus Lütgendortmund und Rotthausen bekannt geworden.
Städte im Ruhrgebiet sprechen von Einzelfällen
Ist der Tummelplatz also eine Randerscheinung? Nein. Aber auch kein Massenphänomen. Aus den Ordnungsämtern verschiedener Städte des Ruhrgebiets klingt es so: „Punktuelle Beschwerden“ (Bochum), „wenige Einzelfälle“ (Gelsenkirchen), „vereinzelt aber wiederkehrend“ (Herne) und, in diesem Zusammenhang besonders hübsch formuliert: „Bei uns Fehlanzeige“ (Duisburg).
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Recklinghausen hat auf drei offenen Basketballplätzen, auf denen sich Jugendliche in größerer Zahl trafen, je einen Korb abmontiert. Die erstaunliche Erfahrung: „Keine weiteren Ansammlungen bekannt.“ Und auch der zufällige Blick der WAZ an diesem Wochenende fällt auf dicke Schlösser und abweisende Schilder: „Die Sportanlagen sind ab“ (unleserlich) „für jede Nutzung geschlossen“. Wo Anlagen zugänglich sind, trainiert ein Vater in Mülheim mit seinem Jungen Kopfball, oder es spielen drei Frauen in Oberhausen ihre Version von Volleyball - da ist Abstand eh eingebaut.
„Irgendwo ist immer ein Loch im Zaun“
In der Kleinstadt Werne im Kreis Unna ist das Thema in die Politik geraten, hat sich der Sportdezernent Norbert Hölscher dazu geäußert. „In solchen Fällen wird häufig auf Unschuld und Unwissenheit plädiert, aber überall stehen Schilder, dass die Nutzung verboten ist.“ Aber es gebe natürlich „immer irgendwo ein Loch im Zaun“.
Viele der Anlagen im Ruhrgebiet dürfen auch ganz ohne Pandemie nur zu bestimmten Zeiten betreten und benutzt werden. So auch in Werne. Beschwerdeanrufe deshalb habe es auch schon früher gegeben, die Zahl sei nicht gestiegen. „Der einzige Unterschied ist, dass es für mehr Aufmerksamkeit sorgt, weil die Menschen sich an den Anblick verwaister Fußballplätze gewöhnt haben“, sagt Hölscher: „Wenn dann Spaziergänger Menschen auf Anlagen sehen, fragen sie sich, ob das erlaubt ist.“ Hinzu kommt: Mancher Platz liegt vielleicht abgelegen und lädt dadurch ein bisschen ein, weit mehr aber liegen im Blick der Wohnbebauung: Der soziale Druck ist sofort hoch.
Erste Sportverbände fordern, Plätze für offizielle Angebote wieder zu öffnen
Richtig ist auch: Junge Menschen mit ihrem Grundbedürfnis nach Treffen haben es sehr schwer im Moment. Keine Schule, kein Sport, kein Verein, keine Kneipe, keine Jugendarbeit - und draußen treffen darfst du dich auch nur mit einem. Ein 16-Jähriger aus Mülheim: „Die Sportvereine dürfen für Leute über 14 nichts anbieten, wir dürfen uns abends ja noch nicht einmal auf eine Parkbank auf einem Spielplatz setzen.“
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„Die Familie der Jugendlichen sind andere Jugendliche“, sagt die Professorin für Jugendarbeit Gunda Voigts: „Ihr ganzes Leben ist im Umbruch, und sie müssen herausbekommen, wo sie stehen in dieser Welt.“ Vielleicht - mit Sport? Nach dem Offenen Brief der Aerosol-Forscher aus der vergangenen Woche, dass die Ansteckungsgefahr draußen sehr niedrig sei, fordern erste Sportverbände wieder, die Plätze zumindest für ein offizielles Angebot wieder zu öffnen.