Mülheim. Der Streit um neue Gewerbeflächen hat die Kommunalwahl in Mülheim mitentschieden. OB Buchholz präsentiert als Sieger nun seine Flächen-Strategie.

Der Streit um die Ausweisung neuer Gewerbeflächen im Grünen hat Mülheims Kommunalwahl 2020 mitentscheiden zugunsten von Schwarz-Grün und Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU). Jetzt hat das mittlerweile dem OB unterstellte Planungsamt ein Strategiepapier vorgelegt, wie Mülheim in Zukunft ohne Flächenfraß im Grünen die Ansiedlung neuer und die Erweiterung bestehender Unternehmen möglich machen will.

Immer wieder hatte OB Buchholz in den vergangenen Monaten angekündigt, nach dem geräuschvollen Scheitern des Wirtschaftsflächenkonzeptes des damaligen Chef-Wirtschaftsförderers Hendrik Dönnebrink in diesem Frühjahr eine Auswertung aller Ansiedlungspotenziale in Mülheim vorlegen zu wollen, die eben nicht auf Landnahme von Grün- und Freiflächen setzt, sondern darauf, die zweifelsohne zum Teil stark unter Wert genutzten Wirtschaftsflächen in der Stadt über Gespräche mit den Eigentümern an den Markt zu bringen.

Stadtplaner Blasch: Es gibt etliche Projekte, an denen wir arbeiten können

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Das nun präsentierte, fünfseitige Papier bietet diese Auswertung zunächst einmal nicht; es enthält nicht die von vielen erwartete Liste mit Flächen, die für eine wirtschaftliche Entwicklung des Standortes ins Auge gefasst werden sollen. Da das Papier nicht einmal alle möglichen Areale listet, fehlt natürlich auch eine Bewertung, wie groß die Chancen sind, solche Flächen für Interessenten zugänglich zu machen. Immerhin: Planungsamtsleiter Felix Blasch kündigt für die Sitzung des Wirtschaftsausschusses am kommenden Dienstag eine Präsentation an, in der er in seinen Aussagen „detaillierter“ werden will.

Ein Blick zurück

Am 3. September 2020 hatte eine politische Mehrheit im Stadtrat das Wirtschaftsflächenkonzept, das der damalige Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Hendrik Dönnebrink, im Jahr zuvor vorgelegt hatte, endgültig beerdigt. Neue Gewerbeflächen im Winkhauser Tal, am Fulerumer Feld, am Auberg und auf den Saarn-Selbecker Höhen lehnte die Politik ab.

Zuvor hatten sich rings um die vier Standorte Bürgerinitiativen formiert, die starken Zuspruch der Bürgerschaft erfuhren.

Marc Buchholz hatte als OB-Kandidat der CDU im August 2020 eine gemeinsame schwarz-grüne Positionierung in der Flächenpolitik mit seiner Festlegung ermöglicht, keine Flächen im Grünen für eine Gewerbeflächenentwicklung ins Auge fassen zu wollen. Die Grünen hatten dies von vornherein ausgeschlossen.

Blasch lässt sich im Vorfeld noch nicht in die Karten schauen: „Es gibt etliche Projekte, an denen wir arbeiten können“, sagt er – und verweist etwa darauf, dass die Reaktivierung der ehemaligen Tengelmann-Fläche „neue Steuerzahler, neue Arbeitgeber“ verspreche.

Hoffnung auf Entwicklung bei Lindgens, Hauptpost, Artronaut-Projekt

Vieles im Konzept beschreibt Szenarien für Entwicklungen, die bereits angezettelt sind, oder – wie die Etablierung eines Innovationszentrums für Ausgründungen aus Hochschule und Unternehmen – auf Eis gelegt worden waren. So benennt das von Blasch vorgelegte Papier die Potenziale in den ehemaligen Gebäuden der Lederfabrik Lindgens am Kassenberg oder zeichnet für das Areal der Hauptpost (zwischen Hauptbahnhof und Forum) die Perspektive eines „regional konkurrenzfähigen Büro- und Dienstleistungsstandorts“. Das Styrumer Artronat-Projekt wird als neuer Standort für Kunst und Kreativwirtschaft hervorgehoben.

Was Stadtplanung und Wirtschaftsförderung, die OB Buchholz nach seiner Wahl unter sein Regiment zusammengezogen hat, in Aussicht stellen, bleibt zunächst vage. Genannt wird eine Entwicklung von „Teilflächen am Flughafen“, die die abermals ins Stocken geratene Masterplanung zum Flughafen-Areal möglich machen soll. Angesiedelt werden sollen dort „innovative mittelständische Unternehmen“.

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Stadt will „gründliche Gespräche“ mit Flächen-Eigentümern führen

Daneben sieht das Konzept vor, vorhandene Gewerbe- und Industriegebiete derart neu zu strukturieren, dass dort neue Firmen ansiedeln können. Benannt werden hier ausdrücklich das Hafengebiet und das Industrie-Areal zwischen Mellinghofer und Friedrich-Ebert-Straße, wo nicht nur Flächen von Mannesmann und der Friedrich-Wilhelms-Hütte brachliegen. Für die Ansiedlung von Handwerksbetrieben sieht die Stadt etwa eine bekannte Freifläche an der Blücherstraße als geeignet an. Einzelne, kleine Gewerbegrundstücke werde er am Dienstag „nicht so sehr in den Fokus“ nehmen, sagt Blasch. Für zahlreiche Flächen gebe es auch Entwicklungshürden.

Dieses Problem hatte schon Ex-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier viele Jahre lang immer wieder beschrieben. Im Kern hängen Entwicklungschancen immer am Willen und an der finanziellen Kraft der Eigentümer, die Brachen tatsächlich zu entwickeln, um sie wieder sinnvollen, modernen wirtschaftlichen Nutzungen zugänglich zu machen. In der lange anhaltenden Phase, in der Kapital fast keine Zinserträge verspricht, sind zudem wenige Eigentümer bereit, ihre Flächen entwicklungswilligen Investoren zu verkaufen. Es seien „gründliche Gespräche zu führen“, sagt Chef-Stadtplaner Blasch. Sein Amt für Stadtplanung und Wirtschaft sei dabei, „aber das macht man nicht in zwei Wochen“.

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Wirtschaftssprecher: Muss sich noch zeigen, „wie viel Fleisch dran ist“

Für Hanns-Peter Windfeder als Sprecher der Mülheimer Wirtschaft muss sich für die neue Mülheimer Wirtschaftsflächen-Strategie noch zeigen, „wie viel Fleisch dran ist“. Womöglich lasse sich nach dem Wirtschaftsausschuss am Dienstag schon eine erste Wertung vornehmen. Skepsis bleibe, ob der eingeschlagene Weg in der Flächenpolitik geeignet sei, um den Standort für die Zukunft wirtschaftlich stark aufzustellen.

Grundsätzlich goutiert Windfeder aber, dass Bestrebungen zu erkennen seien, die Wirtschaftsförderung und Stadtplanung zu strukturieren und konzeptionell Pflöcke einzuschlagen. Die Erwartung der Mülheimer Wirtschaft sei klar: Die Flächenpolitik müsse endlich Perspektiven für den Wirtschaftsstandort aufzeigen.