Mülheim. . Bei der Jahrespressekonferenz der Wirtschaftsförderung spricht Hanns-Peter Windfeder Klartext. Ein Blick auf die Großbaustellen mit Zeitdruck.

Massiver Stellenabbau bei Siemens und Tengelmann, insgesamt der Verlust von hunderten sozialversicherungspflichtigen Jobs. Die Kritik des Unternehmerverbandes daran, dass wichtige Zukunftsfragen des Wirtschaftsstandortes in der Stadtverwaltung ineffizient organisiert seien. Und dann noch die Frage, wie eine Stadtentwicklungsgesellschaft zu organisieren wäre, um bei der Innenstadtbelebung Fahrt aufzunehmen – bei der Bilanzpressekonferenz der Wirtschaftsförderung Mülheim & Business (M&B) war kaum Raum, um groß in Eintracht zu schwelgen. Drei Beispiele:

Was soll die Stadtentwicklungsgesellschaft tun?

Eine Stadtentwicklungsgesellschaft soll es geben, obwohl die Verwaltung die Initiative von Dieter Wiechering, seinerzeit noch SPD-Fraktionschef, zunächst jäh ausgebremst hatte. Zu hören ist allerdings, dass in Wirtschaftsförderung und Stadtspitze ganz unterschiedliche Ideen vorherrschen, wie eine solche Gesellschaft wirken und aufgestellt sein soll.

Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier kündigte trotz allem an, dass die Verwaltung in den nächsten Planungsausschuss „einen abgestimmten Vorschlag“ einbringen wird. Eine Stadtentwicklungsgesellschaft sei „möglichst schnell einzusetzen als weiteres Instrument“ zur Innenstadt-Wiederbelebung. OB Ulrich Scholten ergänzte, dass ein Gespräch unter dem Dach von Mülheim & Business mit Immobilienunternehmern die Erkenntnis bestätigt habe, dass es für die City kein Zurück im Sinne des klassischen Einzelhandels gebe.

Es müsse auch um qualitätsvolles Wohnen gehen, interessant sei auch die Ansiedlung von Gewerbe rund um die Themen Bildung und Wissenschaft. Es gebe da „gewisse Ideen“. Klar sei nur: Die Stadt habe nichts Werthaltiges, was sie zur Querfinanzierung von Projekten einbringen könne. Ohne geht es aber nicht, mahnt Wirtschaftsvertreter Windfeder an, Partner ins Boot zu holen: „Es muss Projekte geben, die uns Geld bringen.“

OB führt erste Gespräche zu Tengelmann am Montag

Die Absicht der Tengelmann-Gruppe, die Firmenzentrale in Speldorf aufzugeben, ist seit dieser Woche auch offiziell. Die Tengelmann-Holding will sich von einem Großteil der 250 Mitarbeiter trennen und sucht nach eigenem Bekunden einen neuen Standort in Mülheim. Den in Speldorf ansässigen Tengelmann-Töchtern Trei und Ventures hat Firmenlenker Christian Haub die Entscheidung freigestellt, ob sie mit ihren zusammen gut 190 Mitarbeitern an anderem Ort in Mülheim ansiedeln.

Scholten hat nach eigener Auskunft einen Termin am kommenden Montag mit der Immobilientochter Trei von Tengelmann vereinbart, um für die Stadt vorzufühlen, ob Mülheim und Tengelmann in den offenen Fragen zur Nachnutzung des 14 Hektar großen Tengelmann-Areals und zur Standortfrage von Holding und Tochtergesellschaften auf den größten gemeinsamen Nenner kommen können.

Der OB warnt im Einklang mit Wirtschaftsförderer Schnitzmeier aber davor, „mit einem Forderungskatalog auf Tengelmann zuzugehen. Wir sind auf das Mitwirken der Eigentümer angewiesen.“ Er werde die Gespräche in gebotener Vertraulichkeit führen, um die Gesprächsbereitschaft des Unternehmens nicht zu gefährden.

Wirtschaft fordert „völlig neue Denke“ in der Verwaltung

„Wir wissen, dass wir in einer schwierigen Situation stecken“, sagte M&B-Chef Schnitzmeier wohl mit Blick auf den Druck, Gewerbeflächen für Expansion und Neuansiedlungen zur Verfügung stellen zu müssen, ein Innovationszentrum aufzubauen, um den Wissenstransfer von der Hochschule in die Wirtschaft zu befördern, oder das „Verwaltungshandeln noch stärker zu fokussieren und aufeinander abzustimmen“.

Dass Schnitzmeier darauf verzichtete, näher auf die jüngsten Rankings einzugehen, missfiel Hanns-Peter Windfeder, der die heimische Wirtschaft im Aufsichtsrat von M&B vertritt. „In den vergangenen drei Jahren sind wir extrem abgerutscht. Wir sind absolutes Schlusslicht bei den Wirtschaftskennzahlen, auch wenn wir insgesamt im Ruhrgebietsvergleich noch ganz gut dastehen“, sagte dieser. Da reiche es nicht, an einer kleinen Stellschraube zu drehen. Es müsse das große Rad sein, untermauerte er die Forderung seines Verbandes, die Stadtverwaltung müsse die Zukunftsfragen der Wirtschaft bündeln, insgesamt besser organisieren: „Es kann so nicht weitergehen, wir müssen eine völlig neue Denke einbringen.“

OB will erst später mit Unternehmerverband sprechen

Windfeder zögerte nicht, auf Nachfrage OB Scholten anzugreifen. Dieser habe der Wirtschaft bislang kein Gespräch dazu angeboten, der Verwaltungsvorstand aber habe sich schon gegen eine Neuausrichtung positioniert. Scholten konterte: Er werde sich noch dafür Zeit nehmen. Zunächst wolle er jetzt noch mal mit Fraktionsvertretern „definieren, was die Stellschrauben sind, an denen wir drehen müssen, können, wollen.“

Der Unternehmerverband will den Kontakt mit der Politik zu wirtschaftlichen Fragen intensivieren. Zwei- bis viermal im Jahr soll es künftig eine Art gemeinsames Wirtschaftsforum geben, so Windfeder.