Mülheim. Der Streit um neue, im Grünen liegende Gewerbeflächen in Mülheim nimmt doch rasant Fahrt auf. Ursache ist ein Fauxpas des Planungsdezernenten.

Planungsdezernent Peter Vermeulen reklamiert für sich, ihm sei ein Fauxpas passiert. Doch dieser hat es in sich: Die ersten verwaltungsinternen Bewertungen zu den höchst umstrittenen Potenzialflächen für Gewerbeansiedlungen machen die Runde. Der Gewerbeflächen-Streit erfährt damit eine Zuspitzung.

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Via Mail, die dieser Redaktion vorliegt, hatte Vermeulen am Dienstagabend der Ratspolitik seine Präsentation zum vorgeschlagenen Bewertungsschema für die viel diskutierten Potenzialflächen geschickt. Dazu eine Tabelle, auf der die einzelnen Kriterien und deren Gewichtung abzulesen sind. In jenem Dokument aber findet sich auch schon wieder, dass die Verwaltung die Bewertung einzelner Flächen, vom Auberg über das Fulerumer Feld bis hin zum Winkhauser Tal, auch schon durchgespielt hat.

Planungsdezernent bringt überholte Bewertungen in den Umlauf

Das allein ist wenig überraschend. Nur war eine Veröffentlichung vor der Kommunalwahl eigentlich nicht vorgesehen. Am 31. August sollte der Wirtschaftsausschuss lediglich einen Beschluss zum Bewertungssystem fällen.

Nun aber überschlugen sich die Ereignisse. Mit seinen Bewertungstabellen hat Vermeulen die maximale Verwirrung gestiftet. Denn: Jene Bewertungen aus seinem Haus stimmen gar nicht überein mit der Bewertungsmatrix, die die Verwaltung am Mittwoch in die politische Diskussion gebracht hat. Offenbar hat es im Ringen um einen Kompromiss verwaltungsintern zuletzt noch erhebliche Änderungen gegeben. So werden einzelne Kriterien mittlerweile anders gewichtet, auch sind zusätzliche Kriterien aufgenommen worden. All diese Änderungen sind aber gar nicht eingearbeitet in die Bewertungen, die Vermeulen „aus Versehen“ rausgeschickt haben will.

SPD legt sich fest: Selbecker Areal und Flughafen sind Zukunftsflächen

Schon am Mittwoch ging der SPD-Ortsverein Heißen/Heimaterde mit frohlockender Kunde in die Öffentlichkeit. Das Fulerumer Feld sei als Gewerbefläche aus nachvollziehbaren, insbesondere klimatologischen Gründen „gestorben“, hieß es in der Mitteilung, mit Verweis auf Vermeulens Daten. Tatsächlich kommt jene versandte Bewertung zu dem Ergebnis, dass das Fulerumer Feld keinesfalls als Gewerbegebiet geeignet sei. Allerdings ist die Bewertung überholt. Es gilt neu zu rechnen. Nach dem aktuell vorgelegten Prüfschema ist nach Berechnungen dieser Zeitung zumindest theoretisch denkbar, dass das Fulerumer Feld mit einigen Pluspunkten mehr bewertet wird und womöglich nicht sofort als Potenzialfläche gestrichen wird.

MBI spricht von „Fehlgriffen“ in der Flächenpolitik

Für die MBI machte deren Fraktionssprecher Lothar Reinhard deutlich, dass Winkhauser Tal, Fulerumer Feld, Auberg, Selbeck und Flughafen „Fehlgriffe“ der Flächenpolitik seien. „Viel sinnvoller und zukunftsweisender wird die Konzentration auf die vielen Brachflächen oder untergenutzten Gewerbeflächen sein, wobei zu erwarten ist, dass zu der langen Liste, die die MBI eingereicht hatten, mit der Krise noch einige dazukommen werden.“

Auch der BAMH meldete sich am Donnerstag zu Wort. Lob verteilte OB-Kandidat Martin Fritz für die vorgelegte Bewertungsmatrix, mit der eine gesicherte Faktenbasis für spätere Entscheidungen geschaffen werden könne. Über Details, ob einzelne Kriterien oder deren Gewichtung, sei gegebenenfalls aber noch zu diskutieren.

Noch weiter ging am Donnerstag gleichwohl SPD-Parteichef Rodion Bakum: „Wir haben Klarheit über die Mülheimer Zukunftsflächen: Selbeck, Flughafen-Nord und -Süd, Oberheidstraße und Blücherstraße sind die Zukunftsflächen für unsere Stadt“, legte er sich fest, ebenso mit Verweis auf Vermeulens veraltete Tabellen. Ziel der SPD sei es, mit den 128 geeigneten Hektar Land mehr als 5000 Arbeitsplätze und zehn Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen möglich zu machen.

Grüne unterstreichen ihre Ablehnung, sensible Flächen für Gewerbe zu nutzen

Weder sei eine Bebauung am Fulerumer Feld noch am Auberg oder im Winkhauser Tal sinnvoll, so Bakum weiter. Wobei die beiden letztgenannten Flächen gemäß Vermeulen-Tabellen mit den Prädikaten „hohe Eignung“ (Auberg) beziehungsweise „mittlere Eignung“ (Winkhauser Tal) versehen sind. Am Auberg möge sich die Stadt darauf konzentrieren, die untergenutzten Areale an der Solinger Straße zu entwickeln, so der SPD-Chef. Auch das Winkhauser Tal sei „keine Zukunftsfläche. Die geringen Realisierungsmöglichkeiten sowie hohen Lärmpegel verhindern dies in Anbetracht der Landschafts- und Artenschutzaspekte.“

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Auch die Grünen machten am Donnerstag noch mal ihre Position klar, nicht „Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete wie an den umstrittenen Brennpunkten in Fulerum, am Auberg, in Selbeck und in Winkhausen zu opfern“. Kritik übte Fraktionssprecher Tim Giesbert an der SPD. Ihre nun ablehnenden Haltung zu einer Bebauung am Fulerumer Feld sei „keine wundersame Wandlung“, sondern „ein Erfolg der Klimabewegung“.

Planungsdezernent Vermeulen entschuldigte sich derweil in einem Schreiben an die Fraktionen dafür, mit seinem Tabellen-Versand Irritationen ausgelöst zu haben. Er verwies darauf, dass „eine Bewertung der einzelnen Flächen erst vorgenommen werden kann, wenn die Kriterien in der Matrix abschließend beschlossen worden sind“. Fortsetzung: 31. August.