Mülheim. Einst führte die Anklage 128 Tatvorwürfe auf, am Ende bleiben davon im Strafprozess gegen den ehemaligen Stadtmanager Heinz Rinas wenige übrig.
Gut sieben Jahre nach der fristlosen Entlassung des Geschäftsführers der Mülheimer Seniorendienste (MHSD), Heinz Rinas, steht der Strafprozess gegen den 61-jährigen Ex-Stadtmanager vor dem Abschluss. Für Rinas steht ein Ende ohne Schrecken in Aussicht.
Gescheitert am Arbeitsgericht, im Zivilverfahren zu Schadenersatz in Höhe von gut einer Viertelmillion Euro verurteilt, kann Rinas nun hoffen, mit einem milden Urteil aus dem Strafprozess vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes Duisburg davonzukommen. Den aktuellen Verhandlungstermin nutzte der Vorsitzende Richter, um vor der anvisierten Entscheidung am 26. Oktober Tabula rasa mit den ursprünglich 128 einzelnen Tatvorwürfen gegen Rinas zu machen. Es wird kaum etwas übrig bleiben.
Schlampig geführte Ermittlungen verhinderten zeitnahe Durchsuchungen
Ursprünglich angeklagt waren Rinas und acht weitere Personen aus seinem geschäftlich-privaten Netzwerk, das er in seiner kurzen Mülheimer Zeit aufgebaut hatte. 123-mal lautete der Vorwurf gegen Rinas in der Anklageschrift der Staatsanwalt Untreue, in fünf Fällen war Rinas der Bestechlichkeit beschuldigt, jeweils in einem besonders schweren Fall. Der Vorsitzende Richter machte nun Mängel schon in der Anklage deutlich: „Wir haben schon bessere Anklageschriften gesehen.“
Thema der jüngsten Verhandlung waren aber auch die Ermittlungen, die laut Gericht kaum ausreichend tief in die Materie vorgedrungen seien, so dass Rinas in vielen Fällen strafbares Handeln nicht rechtssicher nachzuweisen sei. Angerissen wurde dabei auch, dass die damals ermittlungsleitende Staatsanwältin wiederholt derart spät, vor allem aber schlampig Anträge für Durchsuchungen gestellt hatte, dass selbst Beschwerden gegen den negativen Beschluss des Amtsgerichtes erfolglos blieben. Die Anwälte der Stadt witterten seinerzeit gar einen „Justizskandal“.
Vier ehemals Beschuldigte verstorben – ihre Aussagen fehlten der Beweisaufnahme
Die Folge: Beschuldigte waren nicht nur vorgewarnt, es kam auch nur zu wenigen Durchsuchungen. Das verzögerte die Ermittlungen. Auch musste das Gericht die Staatsanwaltschaft mehrfach zu Nachermittlungen auffordern, weil offenbar wesentliche Fragen nicht angegangen worden waren. Mittlerweile sind vier ehemals Beschuldigte verstorben; sie konnte das Gericht nicht mehr als Zeugen vernehmen.
Das stellte sich nun, mehr als sieben Jahre nach der fristlosen Kündigung Rinas’, als erhebliches Manko bei der Beweisaufnahme dar. Der Vorsitzende Richter drückte dies nach fast sieben Monaten Hauptverhandlung so aus: „Wir haben letztlich trotz aller Bemühungen nicht mehr rausgefunden, teilweise sogar weniger.“ Zudem enthalte die Anklage auch Vorwürfe, die „leicht zu widerlegen“ seien. Etwa den Vorwurf, dass Rinas einem Berater lukrative Aufträge zugeschanzt habe, ohne dass dieser erkennbar etwas für die Seniorendienste geleistet habe beziehungsweise überhaupt über das jeweils notwendige Fachwissen verfügt habe.
Zu vielen Anklagepunkten mangelt es laut Gericht an Beweisen
Da passe tatsächlich vieles nicht zusammen, sei vieles dubios und verdächtig, stellte das Gericht zwar fest. Es gebe „kaum greifbare Tätigkeiten“ jenes Herrn S., seine angeblichen Leistungen für die Seniorendienste seien „ganz merkwürdig abgerechnet“. Auch S. ist zwischenzeitlich verstorben. Zeugen konnten sich aber zumindest erinnern, dass er in den städtischen Senioreneinrichtungen im Auftrag von Rinas unterwegs war, auch wenn sie sein Tun nicht als hilfreich empfanden. Es habe eine Reihe, allerdings nicht dokumentierte Tätigkeiten gegeben, so dass es dem Gericht nicht möglich sei, einen Schaden zu bemessen. So sei dieser Anklagepunkt mangels Beweisen fallen zu lassen.
Punkt für Punkt ging der Vorsitzende Richter die Anklagepunkte in dieser Weise durch – ob es sich nun um den Vorwurf handelte, Rinas habe sich auf Kosten der MHSD privat mit Lebensmitteln eingedeckt, oder um die mutmaßlich schwerwiegenden Fälle der Bestechlichkeit. Übrig blieb: fast nichts, wofür das Gericht eine Verurteilung in Aussicht stellte.
Bestechlichkeit: Sämtliche Anklagepunkte werden fallengelassen
So wurden sämtliche fünf Anklagepunkte zur Korruption vom Verfahren abgetrennt, weil das Gericht keine Chance mehr sieht, die Sachverhalte so hinreichend zu klären, dass einwandfrei eine strafbare Handlung festzustellen sei. Gegen sämtliche Beschuldigte, denen die Anklage vorgeworfen hatte, Rinas privat Geldsummen zukommen gelassen zu haben für Aufträge, die sie erhalten haben, ist das Verfahren wegen geringfügiger Schuld bereits frühzeitig gegen die Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden. Nun ist klar, dass zur Urteilsverkündung am 26. Oktober Rinas selbst auch nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden wird.
Ob es verdächtige Geldflüsse bei der Ausgliederung von Wäscherei und Reinigung waren, bei Aufträgen für eine Werbeagentur oder im auch politisch umstrittenen Projekt zur Ausbildung rumänischer Pflegekräfte für einen Einsatz in Deutschland: In einem Fall spreche viel für eine Scheinrechnung, über sich Rinas am Ende privat bereichert haben könnte. In einem anderen Fall sieht das Gericht selbst „dubiose Geldflüsse, da ist irgendetwas Merkwürdiges passiert. . .“ Letztlich aber lasse sich die jeweilige Sachlage nicht aufklären. Daher seien die Anklagepunkte fallen zu lassen.
Rinas hat keine schwerwiegende Strafe mehr zu erwarten
Die Große Wirtschaftsstrafkammer will sich zur anvisierten Urteilsverkündung nur noch auf drei Punkte der Anklage konzentrieren, die allesamt den Vorwurf beinhalten, Rinas habe Mitarbeiter der Seniorendienste während ihrer Arbeitszeit für private Zwecke eingesetzt. Eine schwerwiegende Strafe ist nicht zu erwarten, zumal der Zeitverzug in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren zugunsten von Rinas zu bewerten ist.