Duisburg/Mülheim. Der Strafprozess um den ehemaligen Stadtmanager Heinz Rinas nähert sich der Zielgeraden. Ein Punkt der Anklage hat eine besondere Mülheimer Note.

Es ist fast neun Jahre her, da schlug ein Projekt der städtischen Seniorendienste (damals noch Sozialholding) zur Ausbildung rumänischer Pflegekräfte medial wie politisch hohe Wellen. Die Gewerkschaft Verdi warf der Stadttochter 2011 Lohndumping mit einem mutmaßlichen Stundenlohn von 3,62 Euro vor. So kam ein skandalumwittertes Projekt in der Verantwortung des Ex-Geschäftsführers Heinz Rinas ans Licht der Öffentlichkeit. Neun Jahre später sitzt Rinas auch wegen dieses Projektes auf der Anklagebank der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes Duisburg.

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Der Vorwurf laut Anklage: Rinas soll sich an einer Auftragsvergabe im Rahmen des Projektes privat bereichert haben, soll über sein eigenes Steinbeis-Institut Bestechungsgelder von einer Auftragnehmerin kassiert haben als Gegenleistung für die lukrative Projektleitung, die einen sechsstelligen Umsatz gebracht haben soll. Pikant dabei: Auftragnehmerin war die Mülheimer Firma Aleha, die damals wie heute in ihrem Impressum FDP-Fraktionschef Peter Beitz als Unternehmensvertreter aufführt.

Verquickung von FDP-Fraktionschef Peter Beitz bis heute nicht klar

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Beitz bestritt nach Aufkommen der Betrugs-, Untreue- und Korruptionsvorwürfe gegen Rinas vehement, geschäftsführend für Aleha tätig zu sein. Es sei das Geschäft seiner Frau. Beitz weigerte sich gar, wegen persönlicher Interessenskollision Sitzungen des Hauptausschusses und des Aufsichtsrates der städtischen Beteiligungsholding zu verlassen, wenn Beteiligungschef Hendrik Dönnebrink die Politik dort zur Causa Rinas informieren wollte.

In den Folgejahren blieb der FDP-Fraktionschef in geschäftlicher Mission mit Rinas verbandelt, fungierte für den fristlos gekündigten Stadtmanager gar als Geschäftsführer für ein Seniorenheim in Jünkerath (Eifel). Auch hier gab es massiven Ärger mit Behörden und der Justiz. Zuletzt ermittelte die Staatsanwaltschaft Koblenz hierzu noch zum Verdacht der Insolvenzverschleppung gegen Rinas und Beitz.

Die Zeugen: Vom Ex-Sozialdezernenten bis zur geschassten Awo-Geschäftsführerin

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Vor dem Landgericht Duisburg sollte eigentlich am Dienstag verkündet werden, welche Vorwürfe der Anklage gegen Rinas die Große Wirtschaftsstrafkammer nicht weiter verfolgen wird, weil die Zeugenbefragungen nicht eindeutig eine Straftat belegen, doch eine Schöffin ist erkrankt. Auch zum Examina-Projekt zur Qualifizierung rumänischer Krankenpflegekräfte für einen Einsatz in Deutschland hatten zahlreiche Zeugen vor Gericht auszusagen. Peter Beitz nicht, obwohl eine Zeugin berichtete, er selbst habe im Büro von Rinas das Projekt präsentiert. Als Zeugin geladen war aber seine Ehefrau Sabine Dreiling-Beitz, gegen die das Strafverfahren wegen Vorwurfs der Bestechung wegen geringfügiger Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden war.

Die Zeugenliste zu diesem Fall hatte eine spezielle Mülheimer Note: Stefan Mühlenbeck, Rinas’ Vorgänger und kurzzeitiger Co-Geschäftsführer, Beteiligungschef Hendrik Dönnebrink, Rinas-Nachfolger Alexander Keppers, der seinerzeit mutmaßlich belastendes Material gegen Rinas für die Ermittler des LKA zusammengetragen hatte, dazu Ex-Sozialdezernent Ulrich Ernst und die unter weiter ungeklärten Umständen ebenfalls 2013 fristlos entlassene Awo-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling.

Beteiligungschef Dönnebrink: Das Projekt war unwirtschaftlich

Die gegenseitige Freude, sich sieben Jahre nach Rinas’ Rauswurf vor Gericht wiederzusehen, hielt sich bei allen Beteiligten sichtbar in Grenzen. Rinas nutzte die Aufeinandertreffen mitunter dazu, die Zeugen scharf anzugehen, verstrickte sich dabei aber auch in Widersprüche.

Das Projekt zur Ausbildung rumänischer Krankenpfleger für einen Einsatz in Deutschland war 2011 aufgelegt worden. Ziel soll zunächst gewesen sein, dem Fachkräftemangel der eigenen drei Senioreneinrichtungen zu begegnen. Später wurde versucht, Absolventen gegen Gebühr auch an andere Arbeitgeber weiterzuvermitteln, was kaum durch den Gesellschaftszweck der Seniorendienste und durch die strikten Vorgaben für eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen gedeckt gewesen sein dürfte. Laut Beteiligungsmanager Dönnebrink war das Projekt zudem unwirtschaftlich, „es hätte viel früher gestoppt werden müssen“.

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„Dann hatte ich Examina am Arsch“ – Heinz Rinas sieht sich nicht als Initiator

Beteiligt waren neben den Seniorendiensten die Unternehmensberatung Aleha für die Projektleitung, die Awo für die Sprachvermittlung sowie gleich mehrere Personen, die Provisionen für die Rekrutierung von Altenpflegern aus Rumänien kassierten. Schon die erste aller Fragen blieb vor Gereicht ungeklärt: Wer hatte das zuletzt auf mehr als 600.000 Euro Umsatz ausgeuferte Projekt einst ins Leben gerufen?

Rinas spielte seine Rolle vor Gericht mehrfach herunter, gab sich als Befehlsempfänger von Sozialdezernent Ernst, der das Projekt mit Dreiling-Beitz zuvor eingestielt habe: „Dann hatte ich Examina am Arsch.“ Freilich: Als Ernst zuletzt selbst als Zeuge vor Gericht aussagte, wiederholte Rinas dieses nicht. Einmal mehr verstrickte er sich in einen Widerspruch, nun genau das Gegenteil zu behaupten: Ernst sei nicht Initiator gewesen. Rinas’ ehemaliger Co-Geschäftsführer Stefan Mühlenbeck sieht die Initiative aber ebenso bei Ernst. Dieser habe zunächst ihn mit dem Projekt betrauen wollen. Er habe abgelehnt, weil ihm die politische Brisanz bei einer Kooperation mit Dreiling-Beitz zu hoch erschienen sei.

Ex-Sozialdezernent Ernst: Ich habe das Projekt nicht initiiert

Mülheims ehemaliger Sozialdezernent Ulrich Ernst (SPD, rechts) bei seiner Verabschiedung während der Ratssitzung am 14. Februar 2019. Links: Kämmerer Frank Mendack, hinten OB Ulrich Scholten.
Mülheims ehemaliger Sozialdezernent Ulrich Ernst (SPD, rechts) bei seiner Verabschiedung während der Ratssitzung am 14. Februar 2019. Links: Kämmerer Frank Mendack, hinten OB Ulrich Scholten. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Ernst selbst vermochte sich nicht daran erinnern, „wie es dazu kam“, sagte aber: „Ich habe das Projekt nicht initiiert.“ Er sei auch bis zu dem Zeitpunkt, als im September 2011 plötzlich und während eines Urlaubs von Rinas die Verdi-Kritik am Lohndumping aufkam, „nicht sehr umfänglich zum Thema informiert“ gewesen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er sich von Dreiling-Beitz die Inhalte erklären lassen, um sich den Anfragen der Medien stellen zu können.

Die Entscheidung, ein solches Projekt zu starten, liege klar in der Verantwortung des Geschäftsführers, so Ernst mit dem Vorwurf an Rinas, das kostspielige Projekt erst nach der Verdi-Kritik im Aufsichtsrat vorgestellt zu haben. Unternehmensberaterin Dreiling-Beitz wiederum sagte vor Gericht aus, Ernst sei ihr erster Ansprechpartner bei der Stadt gewesen, „er hat gesagt, ich soll mich direkt an Herrn Rinas wenden“.

Anklage: Rinas soll für das Examina-Projekt Bestechungsgelder kassiert haben

Die wesentliche Frage, die hinsichtlich der Anklage zu klären ist: 21.305 Euro hat die Firma von Sabine Dreiling-Beitz (Aleha) in drei Chargen an das privat betriebene Steinbeis-Institut von Rinas überwiesen. Angeblich für die Zertifizierung der Ausbildung, die die rumänischen Pflegekräfte bei den Mülheimer Seniorendiensten absolviert haben. Die Anklage sieht in den Zahlungen Bestechungsgelder, die Rinas kassiert haben soll für die Auftragsvergabe an Aleha. Weil es überhaupt keine Bewandtnis für eine Zertifizierung gegeben habe, heißt es in der Anklage.

Dies aber sahen vor Gericht nur wenige Zeugen so. Selbst Ex-Sozialdezernent Ernst sagte, dass ihm von vornherein „völlig klar gewesen“ sei, „dass die Pflegekräfte ein Papier zur Anerkennung bekommen“. Einen Entwurf für jenes Zertifikat fanden die Ermittler seinerzeit in den Mails von Rinas. Seine Tochter hatte es erstellt. Sie taucht in der Anklage zu mehreren Punkten als mutmaßliche Person auf, über die Bestechungsgelder in anderen Fällen geflossen sein sollen. Das hatte bei den Ermittlern zusätzliche Zweifel am Zertifizierungsverfahren genährt.

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Gericht sieht weiter Ungereimtheiten, kommt aber nicht in die Tiefe

Die ehemals Mitangeklagte Sabine Dreiling-Beitz betonte, die Zertifizierung mitsamt Erstellung eines Curriculum für eine Abschlussprüfung, die Steinbeis für die umstrittenen 21.305 Euro erstellt habe, seien nötig gewesen, um den rumänischen Mitarbeitern ihre Fortbildung in der Altenpflege zu attestieren. Nur so habe man ihnen etwas in die Hand geben können für eine Bewerbung auch bei anderen deutschen Arbeitgebern.

Der Vorsitzende Richter brachte sein Befremden zum Ausdruck, warum es in dieser Sache zu einem Vertragsverhältnis gekommen sei zwischen Aleha und dem Rinas-Institut und nicht direkt zwischen den von Rinas geführten Seniorendiensten und seinem Institut. Auch wies er darauf hin, dass sich in der Ermittlungsakte „mit dem selben Datum ganz unterschiedliche Rechnungen“ befänden. Stutzig macht das Gericht auch eine Mail, mit der Dreiling-Beitz Rinas eine der Zahlungen mit einem bestimmten Verwendungszweck verkündet haben soll, gleichsam dazu aber noch eine entsprechende Rechnung angefordert habe.

Undurchschaubare Dreiecksgeschäfte

Die Schlusspointe: Um das Zertifizierungsverfahren überhaupt über Steinbeis laufen lassen zu können, hatte Rinas eine in der Pflegedienstleitung eingesetzte Mitarbeiterin der städtischen Seniorendienste damit betraut. Sie sagte vor Gericht, diese Zusatzarbeit wegen ihrer Dienstbelastungen an Wochenenden zu Hause geleistet zu haben. Für eine Bonuszahlung. Undeutlich blieb im mündlichen Verfahren, wer die Kosten getragen hat.