Mülheim. . Im Korruptionsverdachtsfall gegen den Ex-Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste Heinz Rinas werden der Staatsanwältin Versäumnisse vorgeworfen.
Zweieinhalb Jahre nach der Strafanzeige seitens der städtischen Beteiligungsholding erklärt die Staatsanwaltschaft Duisburg die Ermittlungen im Korruptionsverdachtsfall rund um den ehemaligen Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste (MHSD), Heinz Rinas, nun für „so gut wie abgeschlossen“. Nach Erkenntnissen dieser Zeitung sind der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren schwerwiegende Versäumnisse vorzuwerfen. Diese haben mindestens zwischenzeitlich die Ermittler des Landeskriminalamtes ausgebremst, wenn sie nicht gar das gesamte Verfahren unnötigerweise gefährdet haben.
Mindestens 15 Beschuldigte
Dass ein Ende der Ermittlungen bevorsteht, kündigte am Freitag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage an. Bereits in der Vorwoche hatte die Behörde bestätigt, dass der Schlussbericht des Landeskriminalamtes vorliege und zurzeit ausgewertet werde. Nach der Prüfung werde in den nächsten Wochen eine Entscheidung fallen, ob und in welchem Umfang Anklage gegen Rinas als Hauptbeschuldigtem und eine unklare Anzahl weiterer Beschuldigter im Korruptionsverdachtsfall erhoben werde. Die Staatsanwaltschaft stellte klar, dass „noch keine Entscheidung getroffen worden ist bezüglich einzelner Personen“. Nach Informationen dieser Zeitung müssen weiterhin mindestens 15 Personen eine Anklage befürchten, darunter neben Rinas mindestens drei weitere nicht unbekannte Mülheimer.
Dieser Zeitung liegen derweil Schriftstücke zu dem Fall vor, aus denen wiederholt schwerwiegende handwerkliche Fehler der Staatsanwaltschaft in der Strafverfolgung hervorgehen.
Verdacht: In kurzer Zeit Korruptionsnetzwerk aufgebaut
Wie berichtet, hatte das Landeskriminalamt nach umfangreicher Datenübermittlung seitens der Stadt und eigenen Ermittlungen bereits im Dezember 2013 einen Zwischenbericht vorgelegt, der die Feststellung traf, dass Rinas nach Antritt als Geschäftsführer für die Mülheimer Seniorendienste innerhalb kürzester Zeit ein Korruptionsnetzwerk zu Auftragnehmern und Lieferanten der Stadttochter aufgebaut haben soll. Weiter hieß es, dass Rinas, der alle Vorwürfe von sich weist, seine Position ausgenutzt habe, um sämtliche Vorschriften bei der Vergabe von Aufträgen zu umgehen. Vielmehr habe er Aufträge „nach Gutsherrenart“ vergeben. Die Ermittlungen sollen ergeben haben, dass eine Vergabe stets gekoppelt war an Gegenleistungen in Form von Zuwendungen an Rinas selbst oder Dritte. Das war schon im Verfahren zur Kündigungsschutzklage von Rinas zu erfahren.
Trotz dieser frühzeitigen Erkenntnisse kam es mindestens bis zum Sommer 2014 zu keiner einzigen Durchsuchung in Privat- und Geschäftsräumen einzelner Beschuldigter. Laut Informationen dieser Zeitung ist nun erkennbar, dass die ermittelnde Staatsanwältin insgesamt zweimal mit handwerklich äußerst dürftigen Anträgen für Durchsuchungsbeschlüsse für mehr als 40 Privat- und Geschäftsräume in Mülheim, aber auch anderswo in Deutschland kläglich vor Gerichten gescheitert ist. Die Ursache für das Scheitern lag dabei offensichtlich nicht im Mangel an Erkenntnissen, die das LKA bis dato zusammengetragen hatte, sondern in einer schlampigen Antragstellung durch die ermittlungsverantwortliche Staatsanwältin.
Anwalt der Stadt: „Der objektive Befund ist einfach ein schlechter“
Der Anwalt der städtischen Beteiligungsholding, Dr. Martin Meinberg, wollte am Freitag mit einer Schuldzuweisung nicht so weit gehen, drückte aber seine Enttäuschung aus: „Der objektive Befund ist einfach ein schlechter: Aus meiner Sicht hätten die Ergebnisse, die das LKA in exzellenter Vorarbeit zusammen mit meinem Mandanten produziert hat, frühzeitig zu Durchsuchungsbeschlüssen führen müssen. Das hätte möglicherweise eine bessere Beweislage gebracht.“
Zu wenig getan gegen Verdunklungsgefahr
Was kommt beim Korruptionsverdachtsfall rund um den Ex-Geschäftsführer der städtischen Seniorendienste, Heinz Rinas, nach zweieinhalb Jahre andauernden Ermittlungen heraus? Fest steht jedenfalls, dass sich die ermittelnde Staatsanwaltschaft Duisburg nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Heftig Rüffel bezog die ermittelnde Staatsanwältin im März 2014 in einem Beschwerdeverfahren am Landgericht Duisburg: Sie habe bei der Beantragung von Durchsuchungsbeschlüssen für Wohnungen und Geschäftsräume von Rinas und 15 weiteren Beschuldigten nicht einmal das juristische Einmaleins einer solchen Antragstellung beherzigt. „Die konkreten Tatvorwürfe bleiben nicht ausreichend bestimmt“, hieß esin einem veröffentlichten Urteil. Dabei habe das LKA doch all das geliefert, womit sich die Anträge hätten begründen lassen.
Staatsanwältin scheitert zweimal mit Anträgen auf Durchsuchungsbeschlüsse
Nun zeigen weitere Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen: Die Staatsanwältin ist auch mit ihrem vom LKA angeregten zweiten Versuch, Durchsuchungsbeschlüsse zu bekommen, kläglich gescheitert. Offensichtlich hatte sich die Staatsanwältin erneut wenig Mühe gemacht, die Steilvorlagen des LKA zu nutzen. Sie hatte keine eigene Antragsbegründung verschriftlicht, sondern ihrem aus vier lapidaren Sätzen bestehenden Antrag lediglich Schriftstücke des LKA angehängt. Zu drei Beschuldigten, bei denen Durchsuchungen stattfinden sollten, fehlten gar die Passagen aus dem Zwischenbericht der LKA-Ermittler, in denen ihre vermeintliche Verquickung mit dem Korruptionsverdachtsfall geschildert wird.
Eine Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Amtsgerichtes Duisburg zog die Staatsanwaltschaft schließlich im August 2014 zurück. Bedeutet: Auch zwei Jahre nach der Strafanzeige gegen Rinas und deutlichen Hinweisen des LKA auf ein mögliches Korruptionsnetzwerk hatte die Staatsanwaltschaft keine einzige Durchsuchung durchgeführt. Dabei sind sie das wichtigste Instrument der Kriminalermittler, um Verdachtsmomente zu verifizieren. Im Sommer 2014 hatten längst Anwälte von Beschuldigten Wind von dem Verfahren bekommen und hatten Akteneinsicht beantragt. So wussten etliche Beschuldigte schließlich, was ihnen genau zur Last gelegt wurde und, weitaus gewichtiger noch: nach welchen Beweismitteln bei ihnen gesucht werden sollte. So hatten sie bei Bedarf Zeit, sie verschwinden zu lassen.
Staatsanwaltschaft: Es hat noch Durchsuchungen gegeben
Am Freitag verweigerte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft eine konkrete Stellungnahme zu den Vorwürfen. Er ließ lediglich wissen, dass im Fortgang des Verfahrens noch mehrere Durchsuchungen stattgefunden hätten. Der Verdruss über die schlampige Arbeit der Ermittlungsleitung soll, so ist zu hören, beim LKA groß sein. Aus Justizkreisen ist zu erfahren, dass die Staatsanwältin nicht durch hohen Eifer bekannt sein soll.
Aus Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen, geht hervor, dass die von der städtischen Beteiligungsholding für das Ermittlungsverfahren eingeschaltete Anwaltskanzlei aus Gelsenkirchen äußerst unzufrieden mit dem Fortgang des Ermittlungsverfahrens war. In Schreiben an die Staatsanwältin aus Juni 2014 bemängelt Anwalt Dr. Martin Meinberg nicht nur, dass die Staatsanwältin telefonisch nicht erreichbar sei. Er fragt konkret nach, was sie daran hindere, die Ermittlungsmaßnahmen fortzuführen, insbesondere gegenüber dem Hauptbeschuldigten Rinas. Man sei der Auffassung, dass das Verfahren nicht in geeigneter Form vorangetrieben werde.
Anwalt der Stadt drohte mit Beschwerde beim Oberstaatsanwalt
Es sei schließlich nicht nur ein hinreichender, sondern ein dringender Tatverdacht offensichtlich, dass an der Person des ehemaligen Geschäftsführers der Seniorendienste strafrechtlich relevante Verstrickungen festzumachen seien. Aufgrund der Dimensionen bestehe ein öffentliches Interesse an der zeitnahen Verfolgung. Der Anwalt der Beteiligungsholding ging damals so weit, der Staatsanwältin anzudrohen, den leitenden Oberstaatsanwalt um Überprüfung der Ermittlungstätigkeit zu bitten. Heute wartet er nach mehrmaliger Aufforderung immer noch auf eine weitergehende Akteneinsicht.
Ob das Drängen der von der Stadt bauftragten Anwaltskanzlei dazu führte, dass die Ermittlungsbehörde den Korruptionsverdachtsfall fortan mit mehr Nachdruck verfolgt hat, muss sich zeigen. Dieser Zeitung liegen nur Dokumente vor, die den Sachstand bis Sommer 2014 abbilden.