Mülheim. . Korruptionsverdachtsfall: Der Ex-Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, soll sich zu Lasten der Stadttochter mit Lebensmitteln eingedeckt haben.

Sommer 2012 – Heinz Rinas, Hauptbeschuldigter im aktuellen Mülheimer Korruptionsverdachtsfall, wird in einigen Tagen 54 Jahre alt. Offenbar eine gute Gelegenheit, diesen mit ein paar Duzfreunden aus der Stadtgesellschaft, etwa aus Immobilienwirtschaft, Handwerk und Politik, zu feiern. Die Einladung geht per Mail raus – zu einem Abend mit Köstlichkeiten aus der finnischen Grillkota. Als Vorspeise, steht da in der Einladung, soll’s Pilz-Kraftbrühe mit Elch-Preißelbeer-Klößchen geben. Auf den Grill lege der hauseigene Koch der Seniorendienste Rentier-Fleisch, Kaukasische Schaschlik- und Finnische Fisch-Spieße mit Lachs, Krebsen und Pfahlmuscheln. Dazu Boysenbeer-Meerrettich-Dip oder Seealgen-Salat mit Jacobsmuscheln. Mölmsch vom Fass ist versprochen für diesen Sommerabend im Garten von Haus Kuhlendahl, zum Prosit ein Finlandia Vodka?

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Auch die Kosten für diesen Abend soll Geschäftsführer Rinas, so der Verdacht von Kriminalermittlern des LKA, über seine Arbeitgeberin, die Mülheimer Seniorendienste, abgerechnet haben. Bezahlt hätten ihn: die Steuerzahler. Jener Grillabend – er ist nur eine pikante Petitesse in einem von mehreren Bereichen, die die LKA-Ermittler gebildet haben zur Causa Rinas.

Das zuvor Beschriebene, auch das Folgende ist entnommen aus Schriftstücken, die dieser Zeitung vorliegen. Sie zeichnen das Bild eines Mannes, der sich trotz eines Geschäftsführergehaltes von jährlich knapp 120.000 Euro zuzüglich Dienstwagen dazu hinreißen lassen haben soll, sich vom Grillabend bis zum Schokohasen zu Ostern auf Kosten der städtischen Gesellschaft mit Lebensmitteln eingedeckt zu haben. Möglicherweise, diese Deutung lassen vorliegende Unterlagen zu, hat dort ein Mann in die Kasse der Seniorendienste gegriffen, dessen private Konten allesamt von tiefroten Zahlen dominiert waren.

Vorwurf: Privateinkäufe abgerechnet

So hatte die städtische Beteiligungsholding, die Rinas im August 2013 vor die Tür gesetzt hatte, ihm schon im Kündigungsschutzverfahren am Landgericht die „Barerstattung privater Einkäufe“ vorgeworfen. So soll Rinas zwischen 2011 und 2013 private Einkäufe im Wert von mindestens gut 2300 Euro zu Lasten der Seniorendienste abgerechnet haben.

So lagen den Ermittlern unter anderem 73 Aldi-Quittungen zur Prüfung vor, deren Beträge sich Rinas vom Buchhalter der Seniorendienste bar erstattet haben lassen soll – obwohl, so die Erkenntnis der Ermittler, die Einkäufe ohne Zweifel denen eines Privathaushaltes zuzuordnen seien. Das LKA sah im Dezember 2013 den Tatverdacht der Untreue gegen Rinas. Seinerzeit schien nur unklar, ob Rinas jene Veruntreuung begangen hatte, um seinen privaten Lebensunterhalt zu decken oder, wie es Zeugen berichteten, bei den Seniorendiensten eine „schwarze Kasse“ zu schaffen.

Die Einkaufsbelege sollen auf Anweisung von Rinas abgerechnet worden sein über das Buchungskonto „Soziale Betreuung Haus Gracht“. Die Quittungen lesen sich wie das Einmaleins des privaten Einkaufszettels: eine Packung Kaugummis, eine Flasche Essigreiniger, eine Grapefruit, ein Sixpack Cola oder zwei Six-Packs Premium-Pilsener à 1,69 Euro. Joghurt, H-Milch, H-Sahne finden sich regelmäßig wieder – stets laktosefrei. Zwei Glasschneidebretter, ein Osterlamm, eine Packung Vitamin-Brausetabletten. Sardellenpaste, eine italienische Holzofenpizza. Ein Paket Taschentücher, ein Fenchel für Haus Gracht? Und zwei Schokohasen am Stiel!

Schinken wollte Rinas keinen mehr

In Verbindung mit Lebensmitteln sah das LKA Ende 2013 nicht nur den Tatverdacht der Untreue. Auch steht im Zwischenbericht zu den Ermittlungen der Verdacht der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit niedergeschrieben. So soll Rinas über die beiden Küchenleiter von Haus Gracht immer wieder Lebensmittel zweier Lieferanten für den privaten Gebrauch erhalten haben. Ob das Roastbeef gefroren bleiben soll, fragt der Küchenchef da etwa per Mail. Nur zwei Minuten später die Antwort vom Geschäftsführer: Gefroren – ja. Seine Frau komme es später abholen. . .

Entsprechenden Dokumenten zufolge orderte Rinas, und die Küche lieferte. Obstkörbe, Grillfleisch, einlegte Gurken, Mettwurst „für auf die Hand“, eine Gans vor Weihnachten, eine Geburtstagstorte mit Text. Brot, Konfekt oder Heringsstipp. Ob Rinas am Wochenende noch etwas von seinem Schinken mitnehmen wolle, fragt da der Küchenchef in Mails, die dieser Zeitung vorlagen. Rinas will nicht, schreibt, er könne derzeit keinen Schinken mehr sehen. Mitunter ließ sich Rinas die Lebensmittel direkt in sein Auto packen.

Einen Rüffel handelte sich das Küchenleiter-Duo ein, als es Rinas offenbar nicht den Käse zusammengestellt hatte, den seine Familie auf dem Wunschzettel hatte. Sie hätten ihn lächerlich gemacht, motzte Rinas die beiden an, er fühle sich geradezu verarscht. Schon letzte Woche hätten sich die Küchen-Chefs Fehler in der Zulieferung geleistet. Es reiche ihm so langsam. Werde er denn nicht mehr für voll genommen?

Büfett für einen Stadtverordneten

Gar existierte ein Anfangsverdacht beim LKA, Rinas habe über seine „besonderen Drähte“ zu Lebensmittel-Lieferanten Friedel Lemke als damaligem MBI-Ratsherrn und Aufsichtsrat der Seniorendienste im Dezember 2011 das Büfett für eine Hochzeitsnachfeier zukommen lassen. Lemke bestritt auf Anfrage: „Das habe ich beim Küchenchef bar bezahlt, gegen Quittung.“ Die freilich habe er nicht aufbewahrt. Als Beschuldigter taucht Lemke im Ermittlungsverfahren nach Informationen dieser Zeitung – zumindest bis Sommer 2014 – nicht auf.

Das LKA ermittelte auch in diesem Zusammenhang zu einem Korruptionsverdacht: Jene zwei Lebensmittel-Lieferanten der Seniorendienste sollen – ohne zwingende vorherige Ausschreibung – von Rinas gewichtige Aufträge für die drei städtischen Seniorenheime zugeschustert bekommen haben. Sie sollen sich im Gegenzug erkenntlich gezeigt haben, indem sie Rinas nicht nur Lebensmittel für den Privatgebrauch zukommen ließen. . .

Rinas selbst wollte sich auf Anfrage dieser Zeitung zu den Verdachtsfällen nicht äußern, „da sich die ganze Angelegenheit noch in einem laufenden Verfahren befindet“. Wie berichtet, will die Staatsanwaltschaft Duisburg das Ermittlungsverfahren in Kürze abschließen.