Mülheim. Der Strafprozess gegen den Ex-Chef der Mülheimer Seniorendienste, Heinz Rinas, verzögert sich. Jetzt kam es zum besonderen Aufeinandertreffen.
Der Strafprozess um Korruption, Untreue und Betrug gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste (MHSD), Heinz Rinas, gestaltet sich sieben Jahre nach dessen fristloser Kündigung weiterhin zäh. Als Zeuge war nun Hendrik Dönnebrink geladen, Herr der städtischen Beteiligungen.
Mit Dönnebrink war nach Alexander Keppers jetzt der zweite Vertreter aus dem Haus der Beteiligungsholding Zeuge vor Gericht, der 2013 maßgeblich daran beteiligt war, Heinz Rinas mit Zustimmung der Politik vor die Tür setzen zu lassen und Strafanzeige gegen den ehemaligen Chef der MHSD zu stellen. Vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer ließ Dönnebrink dabei durchblicken, dass er schon Ende 2012 kein Vertrauen mehr darin hatte, dass Rinas die hoch defizitären Seniorendienste mit ihren drei Seniorenwohnheimen in die Spur bringen würde. Es hätten sich unterschiedliche Meinungen herauskristallisiert, wie das Unternehmen zu führen sei, so Dönnebrink.
Dönnebrink: Im Mai 2013 erste Hinweise auf Fehlverhalten von Rinas
Im Mai 2013 habe es dann erste Hinweise auf Dinge gegeben, für die sich Rinas aktuell wegen des Vorwurfs der Untreue verantworten muss. Es seien Fehlverhalten gewesen, die in der Anklage der Staatsanwaltschaft eher eine Petitesse sind. Die neben den mehreren schweren Fällen an Bestechlichkeit und Untreue, die Rinas zur Last gelegt werden, winzig klein erscheinen: dass Rinas etwa private Einkäufe im Wert von rund 2000 Euro - vom Schokohasen am Stiel bis zur Packung Kaugummi, von einer Energiesparlampe bis zu einer Flasche Essigreiniger - über die MHSD abgerechnet haben soll, auch seinen Festnetzanschluss zu Hause.
Oder dass ihm die MHSD-Küche im Haus Gracht auf sein Fordern hin ganze Einkaufskörbe mit Lebensmitteln zusammengestellt haben soll, ohne dass Rinas dafür gezahlt hätte. Das Roastbeef bitte gefroren, ist da in sichergestellten Mails von Rinas an den Küchenchef zu lesen. Seine Frau komme es später abholen. Auch Schinken?, fragt der Küchenchef. Bloß nicht! Könne er nicht mehr sehen, schreibt Rinas und macht den Küchenchef ein anderes Mal zur Schnecke, weil dieser den georderten Käse nicht dazugepackt hatte…
Auftragsvergaben stehen im Zentrum des Interesses
„An die großen Dinger“, sagte Dönnebrink nun bei seiner Zeugenaussage, seien die städtischen Controller erst nach der fristlosen Kündigung am 23. August 2013 drangekommen. Weil sich da Mitarbeiter geöffnet hätten, außerdem habe man eine Sicherungskopie des E-Mail-Postfachs von Rinas auswerten können. Ob die städtischen Controller auch die Festplatte aus dem Dienst-PC von Rinas sichergestellt oder der Staatsanwaltschaft „nur“ eine Festplatte mit aus ihrer Sicht belastendem Material zur Verfügung gestellt haben, vermochte Dönnebrink auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters nicht mehr zu erinnern.
Mit überraschenden Fragen, die im Prozess nicht schon zuvor mit Zeugen erörtert worden wären, wartete das Gericht an diesem Tag nicht auf. Erneut ging es auch um die Frage, ob Rinas mit den zahlreichen Auftragsvergaben, in deren Zuge er laut Anklage von den Auftragnehmern privat Geld eingestrichen haben soll, auch gegen städtische Vergaberegeln verstoßen habe. Für Dönnebrink ist die Sache klar: Ob Auslagerung von Wäscherei und Reinigung oder die Projektierung eines Ausbildungsprogramms für rumänische Pflegekräfte für einen Einsatz in Deutschland – all dies sei an Aufsichtsrat und Wirtschaftsplan vorbei vollzogen worden.
Disput zwischen Rinas und dem Beteiligungs-Chef
Wacklig blieb Dönnebrink dennoch bei der Frage, ob der Vorwurf aufrechtzuhalten sei, dass Rinas Aufträge gegen gesetzliche und/oder städtische Vorgaben vergeben haben soll. Dies warfen ihm die Ermittler des LKA vor, auf deren Berichte sich die Anklage stützt. Dönnebrink verwies auf EU-Recht, auf einen entsprechenden Passus im Geschäftsführervertrag und auf die Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers. Da sehe er „eine Menge Verstöße“.
Rinas widersprach wiederholt energisch, verwies mit Blick auf die Wäscherei-Ausgliederung auf Planungsziele für Kosteneinsparungen, die im Aufsichtsrat, aber auch in regelmäßigen Vier-Augen-Gesprächen mit Dönnebrink thematisiert worden seien. Unbeantwortet blieb die Aufforderung von Rinas, Dönnebrink solle doch mal einen Auftrag vor oder nach seiner Zeit als MHSD-Geschäftsführer benennen, der öffentlich ausgeschrieben worden sei.
Dönnebrink: Umsatzträchtige Aufträge am Aufsichtsrat vorbei vergeben
Dönnebrink verwies daraufhin noch einmal auf fehlende Aufsichtsratsbeschlüsse zu den Rinas-Aufträgen. Im Aufsichtsrat seien nicht mehr als Absichtserklärungen geäußert worden, „es gab dafür keine Planungsgrundlage“. So etwa für die Auslagerung der Wäscherei, die Rinas nach einem Kesselschaden kurzerhand betrieben hat, aus dessen Sicht eine nötige Reaktion auf einen Notfall. Die dreckige Wäsche sei ja zu waschen gewesen.
Für Dönnebrink aber kein Grund, direkt die komplette Wäscherei im Haus Gracht abbauen zu lassen, zumal man das vorhandene Personal für weit über 20.000 Euro brutto im Monat habe weiterbeschäftigen müssen. Rinas hätte einkalkulieren müssen, dass diese Kosten nicht über den Pflegesatz refinanzierbar sein würden.
Vorwurf der verschleierten Bestechungsgelder: Gericht kommt nicht weiter
Für das Gericht offenbar eine wesentliche Frage: Hat Rinas dies billigend in Kauf genommen, um sich an dem Auftrag selbst zu bereichern? Das Gericht muss am Ende nämlich bewerten, ob es auch zu dieser Auftragsvergabe den Vorwurf bestätigt sieht, dass Rinas sich dafür von der beauftragten Wäscherei aus der Eifel hat privat belohnen lassen. In Form von verschleierten Kickback-Zahlungen, die als Bestechungsgeld zu werten wären.
Der Vorwurf der Bestechlichkeit wiederholt sich in einigen Anklagepunkten. Bisher ist nicht zu erkennen, dass die Strafkammer mit ihren Befragungen dazu einen Schritt weiter kommt als an den Punkt, den die Anklageschrift setzt.