Mülheim. Nach der Vergewaltigung in Mülheim brauchen wir eine offene Diskussion über patriarchale Parallelwelten und die Frage: Wie kommen Kinder da raus?

Es nimmt einem die Sprache, schnürt einem die Kehle zu, wenn Kinder Gewalt anwenden, wenn sie es in einem Ausmaß tun wie die fünf Jungen, die eine junge Frau in Mülheim vergewaltigt haben sollen. Es macht fassungslos, weil man hin und hergerissen ist: zwischen dem Wunsch nach Verurteilung für diese grausame Tat und dem Wissen, dass diese Kinder und Jugendlichen nicht oder nur bedingt strafmündig sind – aus gutem Grund, denn sie sind nicht in der Lage, ihr Handeln vollends zu reflektieren.

Nichtsdestotrotz hat dieser Gewaltakt eine neue Qualität. Dass Kinder sich gegenseitig zu Dummheiten anregen, sich hochschaukeln in einer Gruppendynamik, gehört zu ihrem Wesen. Aber dass sie in einem solch brutalen Maße eine junge Frau missbrauchen, sie mit der Macht der Überzahl erniedrigen und traumatisieren, ist nicht erklärbar mit jugendlichem Leichtsinn. Es ist eine Straftat, die Konsequenzen bedarf.

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Diskurs, wie männerdominierte Parallelwelten aufgebrochen werden können

Und sie bedarf einer offenen, ehrlichen Diskussion über patriarchale Parallelwelten, in denen Jungen herangezogen werden zu Herrschern über ihre späteren Töchter, Frauen, oft sogar gefördert von ihren Müttern, die selbst Tochter und Ehefrau sind, Opfer ihrer Männer und Täter in der machistischen Erziehung ihrer Söhne. Die Art und Weise, wie einer der Tatverdächtigen in seinem Video Frauen beleidigt, verdeutlicht diese Prägung.

Berichterstattung zur mutmaßlichen Vergewaltigung in Mülheim

Es geht nicht um Hysterie, nicht um die Frage, ob ich meine Tochter alleine auf die Straße lassen kann (das kann ich!), es geht um einen Diskurs, wie diese männerdominierten Strukturen aufgebrochen werden können. Wie diese Jungen integriert werden können in unsere Gesellschaft, wie sie losgelöst werden können von antiquierten Frauenbildern.

Dort, wo die Eltern versagen, müssen andere Institutionen greifen: die Schule, Jugendzentren, Sportvereine, letztlich das Jugendamt. Es ist eine schwere Bürde, nicht immer tragbar, doch sie ist alternativlos. Diese Kinder abzuschreiben, ihnen keine Chance mehr zu bieten, führt zu keinem Ziel. Es lässt sie nur weiter abgleiten in eine Parallelwelt, die sich von unserer Stadtgesellschaft gefährlich distanziert.

Mülheimer Vergewaltigung ist ein Einzelfall – kein flächendeckendes Phänomen

Der Mülheimer Fall ist ein Einzelfall. Solche exzessive Gewalt ist kein flächendeckendes Phänomen. Aber es ist der Gipfel, die Zuspitzung von Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die in eine gravierend falsche Richtung verlaufen. Die mutmaßlichen Täter sind türkisch-stämmige Moslems mit bulgarischem Pass. Sie gehören einer Gruppe Migranten an, die gerne unter sich bleibt, die sich wenig einbringt in unsere Gesellschaft.

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Es gilt, ihnen und anderen Jugendlichen anderer Kulturen, die in Mülheim, im Ruhrgebiet, in Deutschland aufwachsen zu zeigen: Es gibt keine Toleranz gegenüber frauenverachtenden Weltbildern, gegenüber dem Recht des vermeintlich Stärkeren. Missstände müssen offen angesprochen werden, ohne zu diskriminieren, ohne zu verallgemeinern.

Gewaltakt schürt Hass und Angst

Denn ein solcher Gewaltakt wie der in Mülheim schürt Hass und Angst. Er bedient Ressentiments, er vergrößert den Spalt in der Gesellschaft. Wenn man Kindern Möglichkeiten gibt, aus der Spirale der männerdominierenden Erziehungswelt auszusteigen, hilft man nicht nur Ihnen, sondern auch dem Kampf gegen Rassismus.

Die Ängste der Bürger müssen ernst genommen werden – indem man erwachsene Straftäter hart verurteilt und Jugendlichen eine Perspektive aufzeigt, damit sie nicht den Weg ihrer Väter einschlagen.

Berichterstattung zur mutmaßlichen Vergewaltigung in Mülheim